Die Renaissance der Zentrumspartei
Von Heinz-Josef Laing
Unter den vielen Vereinigungen, die zur Kommunalwahl antreten, ist im Kreis Cloppenburg auch die Zentrumspartei. Aus der Weimarer Republik ist die Partei bekannt, damals als Vertretung des politischen Katholizismus – und eine der Stützen der Demokratie. Später, in der Bundesrepublik, hat das Zentrum keine große politische Bedeutung mehr gehabt. Im Kreis Cloppenburg soll das jetzt anders werden, hier knüpfen Russlanddeutsche, Spätaussiedler und Vertriebene große Hoffnungen an diese Organisation.
Dass das Zentrum nun ausgerechnet in Cloppenburg antritt, ist kaum verwunderlich. Anders als in anderen Gegenden der Republik hatte die Partei hier auch noch nach 1945 durchaus einen Namen, es hatte wiederholt lokale Bündnisse mit der CDU gegeben, bei einigen Wahlen erreichten sie bis zu zwölf Prozent der Stimmen. Nun will die Zentrumspartei zum Urnengang am 11. September zumindest in der Kreisstadt Cloppenburg und in der angrenzenden Gemeinde Molbergen zu alter Stärke zurückkehren. Die Chancen stehen gut, denn die Kleinpartei hat sich im Nordwesten Niedersachsens seit der vergangenen Kommunalwahl von 2011 wieder etabliert. Vor fünf Jahren sorgte der damals 39-jährige Udo Anfang für eine kleine Sensation. Er hatte sich aus Überzeugung dem katholisch-konservativen Zentrum angeschlossen, kandidierte für den Rat der Stadt Cloppenburg und wurde auf Anhieb mit 386 Stimmen direkt gewählt. Das entsprach 1,78 Prozent der Wählerstimmen. Inzwischen verfügt das Zentrum im Stadtrat wegen eines „Überläufers“ von der CDU über Fraktionsstatus. Auch ein ehemaliger SPD-Ratsherr hat sich als Parteiloser dem Zentrum angeschlossen. Für den 11. September bieten Udo Anfang und seine politischen Freunde fünf Kandidaten für den Rat der Stadt auf.
In der Gemeinde Molbergen ist die Ausgangslage für das Zentrum etwas anders. Dort hatten noch 2011 zwei Kandidaten aus den Reihen russischer Spätaussiedler einen Wahlerfolg auf der CDU-Liste errungen: Waldemar Boxhorn und Nadja Kurz zogen mit den meisten Stimmen in den Gemeinderat ein. Die CDU kam in ihrer Hochburg Molbergen auf insgesamt 86 Prozent der Stimmen. Solche Ergebnisse sind die Christdemokraten dort seit Jahrzehnten gewohnt. Doch in diesem Jahr könnte das Ergebnis für die Union sehr viel schlechter ausfallen, denn die beiden Garanten für Unterstützung durch die Aussiedler sind aus der CDU ausgetreten und zum Zentrum gewechselt.
In Molbergen liegt der Aussiedler-Anteil an der 8000-köpfigen Gesamtbevölkerung bei gut 40 Prozent. Dort hat sich im Laufe der Jahre eine Parallelgesellschaft der Russlanddeutschen entwickelt. Besonderer Ausdruck dafür ist eine eigene kirchliche Organisation, die „Freie Evangeliums Christengemeinde Molbergen“ („Pfingstler“) mit eigenen Gotteshäusern in Cloppenburg, Molbergen und im emsländischen Werlte. Und weil diese Gemeinde zusammen mit Kurz und Boxhorn die Gründung einer eigenen Bekenntnisschule in Cloppenburg forciert, hat die CDU den beiden Ratsvertretern der Aussiedler den Stuhl vor die Tür gesetzt und sie nicht erneut für die bevorstehende Kommunalwahl nominiert. Die Landesschulbehörde hat bereits signalisiert, dass der Schul-Neugründung nichts im Wege steht – sehr zum Verdruss der Union im Kreis Cloppenburg, die die Grundschulen lieber in kommunaler Trägerschaft sieht.
Udo Anfang bot den ausgebooteten Bewerbern auf der Liste der Zentrumspartei die Chance zur Kandidatur. Neben Kurz und Boxhorn treten zwei weitere Aussiedler in Molbergen für das Zentrum an. Ihre Wahl gilt angesichts des großen Wählerpotenzials der Aussiedler als ziemlich sicher, glaubt Udo Anfang. Ist Molbergen auf dem Weg zu einem „Gallischen Dorf“ der Zentrumspartei? Die aus dem sibirischen Nowosibirsk stammende 61-jährige Nadja Kurz ist jetzt die Spitzenkandidatin des Zentrums. Sie ist seit 1996 Ratsmitglied und sehr beliebt, weil sie sich seit fast 25 Jahren für die Integration der Spätaussiedler einsetzt. 2009 wurde sie für ihre ehrenamtliche Arbeit im „Heimatverein der Russlanddeutschen“ mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Der Orden wurde ihr vom damaligen Cloppenburger Landrat und ehemaligen Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion in Hannover, Hans Eveslage, an das Revers geheftet.