Die Sitzungen der niedersächsischen Landesregierung sind aus guten Gründen nicht öffentlich. Der Ministerpräsident und sein Team sollen ungestört von lästigen Blicken der Medien und der Opposition ihre Strategie festlegen – und auch mal Überraschendes beschließen können. Umso spannender ist aber jeder Dienstag, an dem das Kabinett tagt. Was werden sie diesmal beschließen?
Neulich habe ich geträumt von der Kabinettssitzung am Dienstag, 2. Dezember 2025. Das war spannend. Olaf Lies begrüßt die Ministerinnen und Minister, und er sagt: "Liebe Kollegen, jetzt verbreiten wir schon seit Monaten unsere Parole: Einfacher, schneller, günstiger. Es ist nun bald Weihnachten – und so wird es endlich Zeit, den Worten auch Taten folgen zu lassen." Kein stutziges Warten und keine skeptischen Blicke kommen als Reaktion, denn Lies hatte es nicht versäumt, mit jedem Kabinettsmitglied vorher seine neue Linie schon unter vier Augen zu besprechen. Also sind alle frohen Mutes und stimmen dem Ministerpräsidenten freudig zu. Dann fangen sie an zu erzählen, einer nach dem anderen.

Wirtschaftsminister Grant Hendrik Tonne verkündet, das "Tariftreue- und Vergabegesetz" werde jetzt, samt der Wertgrenzenverordnung, völlig neu geschrieben. Auch Kommunen sollen bei einem Auftragsumfang unter 100.000 Euro keine Ausschreibung mehr machen müssen – und der geplante Fragebogen für Unternehmen, bei dem die Tarifbindung angegeben werden soll, fällt ebenso weg wie die "Landeskontrollstelle", die eigentlich Sünder identifizieren sollte. Bürokratischer Schnickschnack sei entbehrlich, meint Tonne.
Innenministerin Daniela Behrens erklärt, sie habe sich mit dem Grünen-Innenpolitiker Michael Lühmann abgestimmt. Die von den Polizeigewerkschaften skeptisch gesehene Kennzeichnungspflicht für Polizisten in größeren Einsätzen kommt doch nicht. Man verzichtet darauf. Schließlich habe man Vertrauen in die Polizisten.
Justizministerin Kathrin Wahlmann sagt, sie habe sich das mit den 80 Grundbuchämtern noch mal überlegt. Eigentlich habe Hannovers Landgerichtspräsident Guise-Rübe recht, wenn er meint, dass auch ein einziges solches Amt künftig ausreiche, sobald alle Grundbücher digitalisiert sind. Also schaffe man 79 Grundbuchämter ab, möglichst bis 2027. Sie habe sich überzeugen lassen.
Sozialminister Andreas Philippi meint, die Novelle des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes (NGG) mit den vielen Dokumentations- und Ausschreibungspflichten bei Stellenbesetzungen in Landes- und Kommunalbehörden sei in der Praxis zu kompliziert. Man lege den Entwurf zu den Akten und belasse es bei einem Appell an alle Behörden, für mehr Frauen in Führungspositionen zu sorgen.
Finanzminister Gerald Heere schlägt vor, das lange Zögern gegenüber Rufen nach einer Verwaltungsreform nun doch aufzugeben. Er richtet eine Kommission ein, die zum einen alle Rechtsvorschriften auf strikte Vereinfachung überprüft – und im zweiten Schritt dann einen Personalabbau in vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes empfiehlt, in denen die Digitalisierung alles einfacher und schneller möglich macht. Der Landesrechnungshof, fügt Heere hinzu, habe ja eigentlich doch recht gehabt. Das sehe auch er jetzt ein.
Europaministerin Melanie Walter gibt zu, dass die "Ämter für regionale Landesentwicklung" viel zu prominent aufgestellt sind und an der Spitze viel zu teure Positionen haben. Diese Behörden sollen radikal entschlackt werden, fordert sie. Außerdem müsse ja auch sie mal mit gutem Beispiel vorangehen.
Wissenschaftsminister Falko Mohrs teilt mit, dass die Hochschulen künftig ihre Berufungen und ihre interne Ordnung weitgehend frei regeln können sollen. Die Vorgaben und Entscheidungsvorbehalte des Ministeriums werden weitgehend abgeschafft. Gleichzeitig gibt es aber stärkere Schutzvorkehrungen gegen antisemitische und diskurs-blockierende Ausfälle von Studentengruppen an den Universitäten.
Kultusministerin Julia Hamburg räumt ein, dass die Personalvorgaben für die Kindergärten immer noch zu hochgestochen sind und nach diesen Kriterien keine Erzieherinnen mehr gefunden werden. Folglich soll es künftig größere Gruppen geben können – und die Kommunen bekämen künftig den Auftrag, den ordnungsgemäßen Betrieb der Tagesstätten sicherzustellen. Wie sie es tun, wird weitgehend ihre Sache werden.
Agrarministerin Miriam Staudte überlegt laut, ob nicht das Agrarstrukturgesetz doch wieder in die Schublade wandern soll – da die Sorge besteht, die strikte Einhaltung der "Pachtpreisbremse" würde in den Kommunen zu viel neues Personal erforderlich machen. Personal, das momentan niemand zur Verfügung hat.
Dann kommt Umweltminister Christian Meyer...
...und ich bin plötzlich aufgewacht. Schweißgebadet zwar nicht, aber doch ziemlich schnell mit dem Gefühl, dass es sich bei dem eben Gesehenen ganz sicher um einen Traum gehandelt haben muss.
Der Rundblick von heute kennt nur den harten Boden der Wirklichkeit. Hier die Themen:
Ich wünsche Ihnen am heutigen Freitag einen guten Start ins Wochenende - und mal sehen, was uns dann tatsächlich in der Kabinettssitzung am 2. Dezember erwartet.
Klaus Wallbaum


