Die CDU im Wahlkampf: Eine leidenschaftliche Kramp-Karrenbauer fordert Merz heraus
Der Satz ist derart vorbelastet, dass es gerade in einer CDU-Versammlung als höchst gefährlich gelten müsste, ihn zu wiederholen. Annegret Kramp-Karrenbauer tut es trotzdem, zweimal nacheinander. „Wir schaffen das!“ ruft sie ins Mikrophon – und die rund 1500 Zuhörer in der großen Bremer Lagerhalle klatschen Applaus, kräftig sogar. Nun hat die Kandidatin für den CDU-Vorsitz die drei Worte nicht im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik erwähnt wie seinerzeit Angela Merkel, Kramp-Karrenbauer spricht vielmehr über die große Aufgabe, die Partei breiter und besser aufzustellen.
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Aber ziemt es sich trotzdem für eine Frau, die von ihren Gegnern immer wieder als „Merkel 2.0.“ karikiert wird, ausgerechnet das wohl umstrittenste Kanzler-Zitat vorzutragen? Zeigt sie damit nicht ungewollt eine zu große Nähe zur Regierungschefin?
Die CDU-Generalsekretärin, neben Friedrich Merz die Favoritin für die Wahl für den CDU-Bundesvorsitz heute in einer Woche, wagt sich bei der Regionalkonferenz der norddeutschen CDU in Bremen weit vor. Dass sie „Wir schaffen das!“ sagt, scheint ihr hier sogar von Nutzen zu sein – zeigt es doch, dass sie nicht aus lauter Vorsicht bestimmte Begriffe vermeidet. Die frühere Ministerpräsidentin aus dem Saarland kann so sogar als die Siegerin des Abends gelten, denn ihr gelingt es in der dreistündigen Veranstaltung spürbar, die Zustimmung im Saal für ihre Antworten ständig zu steigern.
Merz hatte schon zum Auftakt die meisten Anhänger auf seiner Seite, wie man am Klatschen zu Beginn hört. Der dritte im Bunde, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, bleibt deutlich hinter den beiden anderen zurück. Bei seiner Vorstellungsrede setzt er gezielt Schlüsselworte, redet von „Zukunft“, von „der CDU im Jahr 2040“ und von „Big Data“. Das Ziel des 38-Jährigen ist es offensichtlich, sich gegenüber seinen beiden mehr als 20 Jahre älteren Mitbewerbern erkennbar abzusetzen. In der späteren Fragerunde macht er Punkte, doch die große Wende zu seinen Gunsten kann der Bundesgesundheitsminister so in Bremen nicht einleiten – zumal die beiden anderen in Bremen ihre Form eher noch verbessern.
Dabei gehen Merz und Kramp-Karrenbauer mit unterschiedlichen Strategien vor. Merz präsentiert sich staatsmännisch, wortgewandt und kenntnisreich. Er spricht kurze, einfache Sätze, setzt knappe, einprägsame Botschaften. Die CDU müsse den Trend der vergangenen Wahlen aufhalten, sie müsse unangenehme Fragen nicht nur zulassen, sondern auch „als Befruchtung aufnehmen“. Nach einer ausgeprägten Debatte müsse die CDU gemeinsam zusammenstehen – aber die Reihenfolge sei wichtig, zuerst müsse gerungen werden, erst dann folge die Geschlossenheit. „Wir müssen wieder lernen, miteinander streitig zu diskutieren.“ Dann redet er über den mittlerweile neunjährigen Wirtschaftsaufschwung, die neue Supermacht China und im nächsten Augenblick über die ländlichen Regionen, die nie abgehängt werden dürften.
Nur vorsichtig und sehr dosiert zeigt Merz seine Distanz zu den bisher führenden CDU-Politikern, am deutlichsten gegenüber der anwesenden Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen. „Manches Wort“ der Ministerin habe nicht gepasst, die Haltung der Bundeswehr sei „in großen Teilen in Ordnung“, betont Merz – und stellt sich damit im Widerspruch zu von der Leyen, die vor Monaten der Armee ein „Haltungsproblem“ attestiert hatte.
Anders Kramp-Karrenbauer, die es in ihrer Vorstellungsrede schafft, sich trotz einer sehr leidenschaftlichen Rede kleiner als die Partei zu machen. Wichtiger als die Wahl des neuen Bundesvorsitzenden sei doch „der Startschuss für ein neues Grundsatzprogramm“, meint sie. Zu Beginn klingt sie noch allgemein, fordert „neue Themen, einen neuen Stil und neue Antworten“. Doch dann wird sie konkreter, bekennt sich zur Dienstpflicht – „wir stünden heute bei mehr als 30 Prozent, wenn wir im Sommer darüber geredet hätten, als mit der CSU über den Fall Maaßen zu streiten“. Und sie spricht über die Familie, „die mehr sein muss als der Ort, wo man einen Kühlschrank und ein gemeinsames W-Lan-Passwort teilt“.
Wenig später schwärmt sie über die CDU und den Sachverstand der 400.000 Mitglieder – „die größte Denkfabrik, die es gibt“: „Es gibt bei uns genügend schlaue Leute, lasst sie endlich ran und was machen!“ Die sonst so kühl dozierende Generalsekretärin wird auf einmal leidenschaftlich und kämpferisch. Später kommt von ihr noch der Witz des Tages: „Ich wurde gefragt, ob ich mit Wladimir Putin auf Augenhöhe reden kann. Wenn ich mir meine beiden Mitbewerber anschaue, bin ich die einzige, die das kann“, sagt sie und schaut hoch zu Merz und Spahn, die je einen Kopf größer sind als sie.
Die Themenrunde geht über Bundeswehr und Rente, Preise für Lebensmittel, Tierschutz auf Schlachthöfen bis hin zu den leidgeprüften Besitzern von Dieselautos. Dass die drei Bewerber dabei zunehmend gegeneinander sticheln würden, wird in Bremen nicht erkennbar. Auffällig ist eher das Gegenteil, gerade bei Friedrich Merz. Ausdrücklich lobt er den Mut von Kramp-Karrenbauer, die ihren Dienstpflicht-Vorstoß trotz aller Bedenken vorgetragen habe. „Dieses Verhalten unserer Generalsekretärin war ein großer Gewinn für die ganze Partei“, lobt Merz. Deutet das darauf hin, dass er im Fall seiner Wahl zum Parteichef seiner Gegenkandidatin AKK den Verbleib im Amt der Generalsekretärin anbieten will? (kw)