11. Juli 2018 · 
Kommentar

Die Bürger brauchen keine Beschwerde-, sondern eine Informationsstelle

Darum geht es: Die Beschwerdestelle für Bürger im Innenministerium hat ihren Bericht für 2017 vorgelegt. Künftig soll sie aber umorganisiert werden und nicht nur Beschwerden über die Polizei und das Ministerium erfassen, sondern über die gesamte Landesverwaltung. Ein Kommentar von Isabel Christian. Natürlich kann man es als Erfolg verkaufen, wenn mehr Hinweise bei der Polizei-Beschwerdestelle im Innenministerium eingehen. „Nach dreieinhalb Jahren Bestehen ist die Beschwerdestelle zu einem wichtigen Anlaufpunkt für die Anliegen der Bürger, aber auch der Beschäftigten im gesamten Geschäftsbereich des Ministeriums geworden“, kommentierte Innen-Staatssekretär Stephan Manke in dieser Woche die jüngsten Zahlen der Beschwerdestelle. Doch ein genauerer Blick in die Statistik zeigt: Der Ertrag der Beschwerdestelle steht in keinem Verhältnis zum Aufwand. 689 Hinweise sind im vergangenen Jahr eingegangen, 55 Hinweise mehr als im Vorjahr. Davon betrafen zunächst 129 Hinweise nicht das Innenministerium und seine Bereiche. 77 betrafen das Ministerium selbst, darunter waren nur zwei Beschwerden wegen des Verhaltens von Mitarbeitern, beide erwiesen sich als unbegründet. Von 48 Hinweisen, die den kommunalen Bereich betrafen, ging es in nur drei Fällen um das als negativ bewertete Verhalten von Beschäftigten. Die Hinweise zur Polizei machen den Löwenanteil aus, 418 Hinweise hatten mit der Polizei zu tun. Davon bezogen sich 296 Hinweise auf Kritik an den Beamten, 228 Beschwerden hatten das Verhalten, die Kommunikation oder die Arbeitsweise der Polizisten zum Thema. Von den 296 Beschwerden über die Polizei waren zum Stichtag 2. Januar 2018 schon 216 abgeschlossen. 29 der Beschwerden stellten sich als begründet heraus, in 16 Fällen führten die Vorgesetzten ein Personalgespräch, nach zwölf Hinweisen wurden strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet. Unterm Strich bedeutet das, dass von 689 Hinweisen lediglich 233 negative Kritik im Sinne von Beschwerden enthielten, die in nur 29 Fällen begründet war. Die Beschwerdestelle wird ihrem Namen also in keiner Weise gerecht. Stattdessen zeigen die Zahlen, dass die Beschwerdestelle ein in Personal und Papier manifestiertes Misstrauen gegenüber der Polizei ist. Es wird in manchen politischen Kreisen davon ausgegangen, dass die Polizei ohnehin zusammenhält, wenn es um einen der ihren geht, vom Polizeipräsidenten bis zum Kommissaranwärter. Man dürfe es den Bürgern deshalb nicht zumuten, sich direkt bei der Polizei über einen Polizisten zu beschweren, denn dann sei das Risiko groß, dass die Beschwerde einfach unter den Teppich gekehrt würde. Doch das sind Unterstellungen, die mit der Polizei einer modernen Demokratie nichts zu tun haben. Etwa 23.000 Menschen arbeiten in Niedersachsen für die Polizei. Natürlich machen sie auch Fehler, was vor allem dann fatal ist, wenn sie dabei von ihrem Recht, Gewalt anzuwenden, Gebrauch machen. Und immer wieder kommt es auch vor, dass sich Seilschaften bilden, die Fehlverhalten einzelner tolerieren, verschweigen und verleugnen. Doch jeder Polizeibeamte arbeitet in einer strengen Hierarchie, es ist kaum möglich, in dieser Kette an Vorgesetzen niemanden zu finden, der die Kritik ernstnimmt. Es ist wichtig, dass sich Bürger und auch Kollegen über das Verhalten von Polizeibeamten beschweren können, aber dazu braucht es keine besondere Stelle. So etwas lässt sich auch mit Ansprechpartnern innerhalb der einzelnen Behörden lösen, deren Aufgabe als Beschwerde-Empfänger klar kommuniziert werden muss. Und ein Mehr-Augen-Prinzip schadet auch nicht. Das würde die Polizei nicht stigmatisieren und dennoch den Anspruch erfüllen, eine transparente und offene Polizei zu schaffen. Die jüngsten Zahlen über die Beschwerdestelle offenbaren jedoch noch eine andere Botschaft an die Politik. Denn 260 Hinweise, mehr als ein Drittel, befassten sich mit fachlichen Fragen und Kritik. Das zeigt, dass die Bürger vielmehr eine zentrale Anlaufstelle wollen und brauchen, bei der sie Informationen einholen können und Hinweise zu Fachthemen loswerden können. Will man die bestehende Stelle also unbedingt erhalten, sollte man ihre Bestimmung von Beschwerde- zu Infostelle ändern. Mail an die Autorin dieses Kommentars
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #131.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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