A7-Umbau: Der Streit um 15 Zentimeter
Die Baustelle auf der Autobahn 7 (A7) zwischen Schwarmstedt und Mellendorf ist ein Politikum geworden, bei dem nun buchstäblich jeder Zentimeter zählt. Derzeit führen drei Fahrspuren in Richtung Hamburg und zwei in Richtung Hannover, das soll bis zum Ende der Bauzeit Anfang Dezember auch so bleiben, wie das Verkehrsministerium kürzlich bekräftigt hat. Als Kompromiss will das Ministerium die Fahrspuren Richtung Hannover in dieser Woche um 15 Zentimeter verbreitern lassen – und damit die Gegenrichtung verschmälern.
Doch der Landrat des Heidekreises und die dortigen Landtagsabgeordneten Sebastian Zinke (SPD), Gudrun Piper und Karl-Ludwig von Danwitz (beide CDU) sind nach wie vor der Meinung, kleine Maßnahmen wie die Befestigung des Fahrbahnrands oder die minimale Platzverschiebung schützten nur unzureichend vor Unfällen. Zwei breitere Fahrspuren in jede Richtung seien die einzig mögliche Lösung.
Derzeitige Verkehrsführung staut nur Richtung Hannover
Dahinter steckt allerdings nicht nur der Wunsch, den Weg durch die Baustelle sicherer zu machen. Der Heidekreis fühlt sich generell vom Verkehrsministerium ungerecht behandelt. Erst jüngst hatte eine Studie zur A2 nachgewiesen, dass die meisten Unfälle durch Auffahren auf das Stauende vor der Baustelle entstehen. Durch die derzeitige Verkehrsführung staut es sich in der Regel nur in Richtung Hannover – und das Stauende liegt im Heidekreis. Die dortigen Einsatzkräfte müssen also unterm Strich wesentlich öfter zu Unfällen an der Baustelle ausrücken als die Retter aus der Region Hannover.
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Normalerweise können auf einem Fahrstreifen bequem zwei Autos und ein Lastwagen nebeneinander fahren, ohne dass die 50 Zentimeter breite Mittelleitplanke stört oder der Randstreifen genutzt werden muss. Doch jetzt wird auf knapp elf Kilometern die Fahrbahn grunderneuert, ein Streifen ist komplett gesperrt. Und auf den verbleibenden 14,5 Metern Fahrbahn müssen plötzlich drei Autos und zwei Lastwagen nebeneinander fahren können. Bisher hatte das Verkehrsministerium daher zwei 3,20 Meter breite Fahrstreifen für Lastwagen gezogen, den Mittelstreifen auf 30 Zentimeter Breite verkleinert und in Richtung Hamburg zwei 2,60 Meter und 2,55 Meter breite Überholstreifen sowie einen 2,65 Meter breiten Überholstreifen in Richtung Hannover geschaffen.
Professor Justin Geistefeld, Leiter des Lehrstuhls für Verkehrswesen an der Ruhr-Universität Bochum, verteidigt diese Aufteilung. „Wenn es vier Spuren in beide Richtungen gäbe, dann würde auf beiden Seiten ein Stau entstehen. Das Risiko eines Unfalls am Stauende steigt also bei dieser Baustelle auf das Doppelte.“ Bei fünf Spuren dagegen flösse der Verkehr in Richtung Hamburg weitgehend normal, während nur in Richtung Hannover Staus regelmäßig vorkämen. „Natürlich ist ein Unfall in der Baustelle ein Problem, doch er ist wegen der geringeren Geschwindigkeit weniger folgenreich als ein schwerer Unfall am Stauende“, sagt Geistefeldt.
Fahrtrichtung Hamburg hat de facto nur zwei Spuren
Diese Argumentation kann der SPD-Abgeordnete Zinke zur bedingt nachvollziehen. „Hier wird davon ausgegangen, dass die Straße Richtung Hamburg normal befahren wird. Die Überholspuren sind jedoch nur für Autos von einer Breite bis 2,10 Meter freigegeben und die SUVs sind teilweise breiter. Dazu tendieren die Lastwagen eher zur Fahrbahnmitte als zum Rand. Deshalb hat die Fahrtrichtung Hamburg zu bestimmten Zeiten de facto nur zwei Spuren“, erklärt Zinke. Er ist deshalb der Meinung, dass jeweils zwei breitere Fahrstreifen in beide Richtungen und ein höheres Tempolimit besser geeignet wären, um Staus und damit Unfälle zu vermeiden.
Verbreiterung um 15 Zentimeter für 120.000 Euro
Das Verkehrsministerium vertritt indes die Ansicht Geistefeldts, der nicht nur die jüngste Studie zur A2, sondern auch eine Kurzbegutachtung zur A7 gemacht hat. Daher wurde ein Antrag des Landrats aus dem Heidekreis, Manfred Ostermann, für die Veränderung der Strecke auf vier Spuren jüngst abgelehnt. Weil es aber erwiesen ist, dass sich die Auto- und Lastwagenfahrer auf den Spuren in Richtung Hannover sehr beengt fühlen, soll die Überholspur in den kommenden Nächten für rund 120.000 Euro um 15 Zentimeter verbreitert werden. Dafür werden jedoch die Überholspuren in der Gegenrichtung schmaler. „Das wird zur Folge haben, dass der Verkehr in Richtung Hamburg erst recht nur auf zwei Spuren fließt“, sagt Zinke. Auch Geistefeldt sieht darin keine große Entlastung. „15 Zentimeter machen nicht viel aus, das nehmen Autofahrer kaum wahr.“