Der Niedersachse des Monats Juli…
…kommt gebürtig gar nicht aus Niedersachsen, sondern aus Westfalen, gehört mittlerweile aber schon seit vielen Jahrzehnten zum „festen Inventar“ der niedersächsischen Landespolitik. Er ist 65 Jahre alt, gilt als guter Jurist und pragmatischer Kopf. Als solcher hat er gegenwärtig eine besondere Aufgabe, um die ihn viele nicht beneiden: Als Vorsitzender der Schiedskommission des SPD-Unterbezirks der Region Hannover ist er zuständig für das Ausschlussverfahren gegen das prominenteste Mitglied des Unterbezirks, den früheren Kanzler Gerhard Schröder. Der Niedersachse des Monats heißt…
…Heiger Scholz, ist im Hauptberuf Staatssekretär im niedersächsischen Sozialministerium und gehört seit einigen Jahren zu den einflussreichsten Akteuren in der Landespolitik. Dabei sitzt er in vielen Bereichen an den Schalthebeln der Macht – und ist damit de facto wichtiger als viele, die im Rang als Minister über ihm stehen. Als im Frühjahr 2020 die Corona-Pandemie ausbrach, wurde Scholz zum Chef des Krisenstabes berufen, also zum obersten Koordinator der Schutzvorkehrungen und Hilfsmaßnahmen.
Da der durch und durch pragmatische, wenig von diplomatischer Zurückhaltung geprägte Scholz in manchen Pressekonferenzen dazu neigte, aus seinem Herzen keine Mördergrube zu machen, galten nicht alle seine Auftritte dort als gelungen. Aber unbestreitbar war Scholz gerade gegenüber den Kommunen eine anerkannte Autorität – kein Wunder, war er doch mehrere Jahre lang als Hauptgeschäftsführer des Niedersächsischen Städtetages einer der wichtigsten Kommunalvertreter im Land. Das Kommunale ist auch seine Prägung, nach dem Jura-Studium in Göttingen und mehreren Stationen war er erst bei der SPD-Kreistagsfraktion im Landkreis Hannover tätig, später dann als Stadtdirektor in Seelze – und danach als Hauptgeschäftsführer des Städtetages.
Unterm Strich kann man sagen, dass der von Scholz geleitete Krisenstab im Großen und Ganzen segensreich für Niedersachsen gewirkt hat – auch wenn die Staatskanzlei nach einigen Monaten ungeduldig wurde und der Eindruck entstand, die Regierungszentrale des Ministerpräsidenten habe den vom Sozialministerium geführten Krisenstab de facto entmachtet. Dem Ansehen von Scholz hat das nicht geschadet, wie er überhaupt als jemand gilt, der in schwierigen Phasen den Überblick behält und sich nicht leicht von Aufgeregtheiten beirren lässt. Das gilt etwa auch für die Debatten um das neue Krankenhausgesetz, das nun erstmals einen Weg weist, wie die Kliniken in den kommenden Jahren fusionieren und gestärkt werden können.
Scholz entscheidet mit anderen Juristen über Schröders Parteiausschluss
Scholz hat die Fähigkeit, in kniffligen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren und – auch gegen populistische Stimmungen – auf die juristischen Fakten und die realen Möglichkeiten zu verweisen. Das wird er auch in einem Amt gebrauchen, das sonst nie große öffentliche Wirksamkeit entfaltet. Scholz ist ehrenamtlich, übrigens neben Europa-Ministerin Birgit Honé, einer anderen erfahrenen Juristin, Vorsitzender der Schiedskommission des SPD-Unterbezirks der Region Hannover, und das ist der Heimatverband von Altkanzler Gerhard Schröder. Alle von deutschen SPD-Gremien gestellten Anträge, Schröder aus der SPD auszuschließen – es sind 17 an der Zahl –, werden von diesem Gremium beraten und entschieden.
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Da man bei Scholz sicher sein kann, dass er keinen Einwand ungeprüft lassen oder vorschnell vom Tisch wischen wird, hat die SPD in dieser Situation einen klugen und unabhängigen Sachwalter an zentraler Stelle. Die Redaktion des Politikjournals Rundblick verleiht Heiger Scholz den Titel „Niedersachse des Monats“, da der 65-Jährige, ein überzeugter Katholik und Ehemann einer protestantischen Pastorin, sich einmal mehr als eine „Allzweckwaffe“ erwiesen hat. Glückwunsch dazu! Sollte der Sozialdemokrat nach der Landtagswahl altersbedingt in den Ruhestand gehen, wäre das für die Landespolitik ein großer Verlust.
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