6. März 2023 · Kultur

Der Besuch im Panzermuseum kann ein Beitrag zur Realitätsfindung sein

Was hat man nicht alles getan, um die Kindererziehung zu entmilitarisieren: Spielzeug-Pistolen, wie in den sechziger und siebziger Jahren? Die sind heute tabu. Spielzeug-Soldaten, die man als kleine Armeen im Kinderzimmer auf dem Teppich aufstellen kann? Nicht erwünscht. Spielzeug-Panzer oder Spielzeug-Raketen? Das war früher mal ein übliches Geschenk, heute sollte man es sich verkneifen. Modelle von Kriegsschiffen für die älteren Jugendlichen? Verpönt.

Auf ihm darf auch geklettert werden: Der Turmtrainer von Krauss-Maffei Wegmann ist für Übungszwecke gedacht. | Foto: Wallbaum

Der Wandel in den Toy-Abteilungen der Kaufhäuser hat schon seinen Sinn. Aber jetzt das, ein krasses Kontrastbild: Im „Panzer-Museum“ in Munster (Heidekreis) laufen Kinder durch die Hallen und wollen auf die Panzer klettern. Keine Spielzeug-Panzer, nein, echte Panzer – mehrere Leopard-Modelle von der Bundeswehr, einige russische T-Panzer, vereinzelt auch Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg. Im „Panzer-Museum“ werden sie ausgestellt, einträchtig nebeneinander, hier herrscht an einem kühlen Februar-Sonntag ein großer Andrang. Auch viele Familien sind gekommen, und sie laufen durch die Hallen, als wären diese Panzer das Normalste der Welt. Sie sind es inzwischen vielleicht auch.

„Wer aber den Frieden will, der rede vom Krieg“: Am Eingang des Panzermuseums in Munster prangt Walter Benjamins Plädoyer für einen wehrhaften Pazifismus. | Foto: Wallbaum

Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ titelte vor wenigen Tagen: „Zeitenwende bei den Gewaltmaschinen“. Das trifft es eigentlich sehr gut. Denn obwohl diese Geräte Mordmaschinen sind, die alles vor ihnen liegende plattwalzen, sind sie gegenwärtig notwendig – denn zur Verteidigung gegen Angriffskrieger braucht man schwere Geräte, die eben diesen Aggressor zurückwerfen können. Das ist brutal, weil der Krieg brutal ist. Aber es ist notwendig, und deshalb sind Panzer zwar nicht plötzlich gute Geräte, während sie früher böse Geräte gewesen wären. Sie sind heute wie damals notwendige Mittel im Kampf um die Freiheit, nur ist heute das Bewusstsein dafür viel ausgeprägter als vor dem 24. Februar 2022.

Teil der Museumsbesucher hat wohl Faible für Kriegstechnik entwickelt

Nun ist nicht klar, ob das alle Besucher auch so sehen, die sich teilweise vor den Exponaten drängeln in den eisigen Hallen des „Panzer-Museums“. Da gibt es womöglich viele sich überlagernde Motive: Die einen kommen am Wochenende, weil Besuche in Ausstellungen eben eine gute Möglichkeit der Freizeitbeschäftigung und Fortbildung sind. Andere sind technikbegeistert, und Panzer sind nun mal voller Technik. Stahl, Ölgeruch, frostige Temperaturen – das ist für manche an sich schon faszinierend. Nicht ausgeschlossen ist, dass einige Besucher auch ein Faible für Kriegstechnik entwickelt haben. Das Museum lässt Raum für viele Motive derer, die hierher kommen. Die Panzer stehen im Mittelpunkt, man kann ihnen sehr nah kommen und vereinzelt sogar in das Innenleben schauen.

Links ein T-55, Standardpanzer des Warschauer Pakts. Rechts ein Turmtrainer des deutschen Rüstungsunternehmens Krauss-Maffei Wegmann (KWM). | Foto: Wallbaum

Doch wer nun erwarten würde, dass die begleitenden Informationstafeln, dezent aufgestellt, die technischen Details hervorheben oder gar anpreisen würden, der irrt. Sicher sind die nötigsten Daten auf kleinen Hinweisschildern erwähnt, aber auf den größeren Tafeln daneben geht es um historische Fakten – den Kalten Krieg, die Gründung von Bundeswehr und NVA, die Anfänge des Panzer-Einsatzes im Ersten Weltkrieg, den Waffenexport und Waffenhandel in der Gegenwart. Auf mehreren Tafeln sind kleine Bilder aufgeklebt, die Panzer im Einsatz zeigen – mit toten Soldaten. Die Bilder sind mit kleinen Aufklebern abgedeckt. Man muss diese anheben, wenn man die Fotos sehen möchte. Mit den Aufklebern ziehen diese Details das Interesse der Zuschauer förmlich an. Wer dann hingeht und das näher betrachtet, sieht oder ahnt den Schrecken, den Panzer im Einsatz allgegenwärtig entfalten. Das geschieht, ohne diese Wirklichkeit aufdringlich oder mit erhobenem Zeigefinger zu präsentieren.

Das Deutsche Panzermuseum Munster bearbeitet die Geschichte der deutschen Panzer von ihren Ursprüngen im 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart. | Foto: Wallbaum

Museumsleiter Ralf Raths erklärt, warum das so ist. „Wir wollen die Gewalt zeigen, die von Panzern ausgeht. Auf unseren Tafeln ist es wortwörtlich die versteckte Gewalt. Man muss nicht auf großen Bildern das Blut, das Sterben und die Gewalt ausbreiten oder hervorheben. Manchmal ist es viel eindrucksvoller, mit kleinen Hinweisen zu arbeiten.“ Raths und seine Kollegen haben diese Schautafeln erst vor einigen Monaten entworfen, sie zeigen diese erst seit dem 1. Februar.

„Wir wollten eine kritische Perspektive einnehmen und die Mythen, die rund um die Panzer erzählt werden, dekonstruieren.“

Vorher gab es gar keine erklärenden oder einordnenden Hinweise, da standen neben den Panzern nur die schlichten Typenbezeichnungen. Was hat Raths nun bewogen, die Konzeption zu ändern? „Wir wollten eine kritische Perspektive einnehmen und die Mythen, die rund um die Panzer erzählt werden, dekonstruieren.“ Dass vom Betrieb dieser Geräte Gewalt ausgeht, gehöre ebenso zu den Botschaften wie die Entzauberung mancher Erzählungen von der angeblich siegreichen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg durch eine überlegene Kriegstechnik. 

Ralf Raths leitet das Deutsche Panzermuseum Munster. | Foto: DPM/Bastian Schimpf

Nun macht sich der Leiter des Museums keine Illusionen: „Die meisten Besucher, die zu uns kommen, sind Maschinen-Fans.“ Da schwinge Begeisterung für Technik mit – weniger für Militärtechnik („Die würden genauso angetan sein von großen Traktoren“). Es sei dann der Job der Museumsbetreuer, auf die besondere Bedeutung der Panzer hinzuweisen, sie also in einen historischen Kontext zu packen. Sonst waren es jährlich immer um die 100.000 Besucher, 2022 waren es 109.000 – und die Tendenz sei steigend.

Putins Angriffskrieg hat die Sichtweise der Besucher verändert

Was bewegt die Leute, wenn sie sich die Ausstellung ansehen, hat Putins Angriffskrieg die Sichtweise verändert? „Ja“, meint Raths und erklärt: „Die Menschen wollen tatsächlich das Kriegsgeschehen in den Griff bekommen. Sie wollen die Panzer sehen, sie anfassen. Das ist für viele ein Weg, das schwer Fassbare dieses Kriegs zu begreifen. Sie tun das im Schutzraum des Museums. Denn hier, bei uns, sind die Panzer in einer Halle, sie sind hier ungefährlich.“



Eine „neue Nachdenklichkeit“ stellt Raths bei vielen Besuchern fest. Sie gingen ernsthaft an das Thema heran, seien auch dankbar für die kritischen Hinweise auf die Gefahren dieser Technik. Wie richtig die Museumsleitung mit ihrem Ansatz liegt, zeigt eine Umfrage bei den Besuchern. 5000 hatten ihre Meinung geäußert, und 98 Prozent davon hätten die neue Konzeption begrüßt.

Auch Friedensmissionen müssen gepanzert sein: In Munster sind auch ein geschützter Mercedes-Sonderwagen und ein Minenräumpanzer vom Typ „Keiler“ zu sehen, die unter anderem beim UN-Einsatz in Somalia und bei SFOR zum Einsatz kamen. | Foto: Wallbaum
Dieser Artikel erschien am 7.3.2023 in Ausgabe #042.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

Artikel teilen

Teilen via Facebook
Teilen via LinkedIn
Teilen via X
Teilen via E-Mail