Datenschutzbeauftragte rügt den Polizei-Messengerdienst
Mit einer neuen App hat das Innenministerium jetzt nach eigenen Angaben eine Sicherheitslücke bei der niedersächsischen Polizei geschlossen. „Niedersachsen Messenger“ (kurz: „Nimes“) heißt die Anwendung, die seit gestern dienstliche Chatgespräche in geschütztem Raum ermöglichen soll. Denn bisher nutzen viele Polizisten auch für dienstliche Gespräche den Messenger-Dienst WhatsApp. In diesem sind die Gesprächsinhalte zwar auch per Ende-zu-Ende-Verschlüsselung vor fremden Mitlesern geschützt, die private App gehört aber zum Facebook-Konzern und es ist davon auszugehen, dass mindestens die Meta-Daten auf den Servern des Konzerns gespeichert werden.
„Das aber kann nicht in unserem Interesse sein“, sagt Innenminister Boris Pistorius. Momentan läuft die Testphase bei der Bereitschaftspolizei und in den Inspektionen Hannover-Mitte und Celle, in drei Monaten sollen dann alle Polizeibehörden in Niedersachsen das Chatportal nutzen können. Eigentlich sollte die App schon im vergangenen Oktober an den Start gehen, doch das hatte sich verzögert. Hintergrund sind Pistorius zufolge die Gespräche zwischen Innenministerium, Polizei und der Landesdatenschutzbeauftragten. Doch auch jetzt sind die Differenzen offensichtlich noch nicht beigelegt. „Die Erhebung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten mit Hilfe des Polizeimessengers verstößt noch immer eklatant gegen das Datenschutzrecht“, befindet die Landesdatenschutzbeauftragte Barbara Thiel im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Sie stört sich vor allem daran, dass die App auf privaten Geräten genutzt werden soll.
App kommt zumeist aufs Privat-Handy
Normalerweise ist der Digitalfunk das Mittel der Wahl, wenn es um die Kommunikation unter den Beamten geht. Doch der hat oft Grenzen. „Wenn zum Beispiel jemand vermisst wird oder ein flüchtiger Tatverdächtiger gesucht, dann muss das Foto ausgedruckt und an alle Streifenwagen verteilt werden“, sagt ein junger Polizist. Mit dem geschützten Messenger dagegen könne man das Foto an alle Beamten in kurzer Zeit und mit wenig Aufwand schicken. Dabei ist das Bild doppelt gesichert. Denn es kann nicht bloß nicht mitgelesen werden, das Foto kann auch nicht aus der App herausgelöst und mit einem anderen Messengerdienst weiterverschickt oder auf dem Handy gespeichert werden. „Die App läuft komplett abgeschottet vom Betriebssystem, dem Speicher und anderen Apps auf dem Smartphone“, erklärt Alfred Soetbeer, Referatsleiter Technik im Innenministerium. Zudem würden Chatgespräche auf dem Smartphone nach sieben Tagen automatisch gelöscht, in der Computerversion der App nach 28 Tagen.
Da von den rund 20.000 Polizisten in Niedersachsen nur ein Bruchteil Diensthandys hat, muss die App bei den meisten auf dem privaten Handy installiert werden. Offiziell ist den Beamten die Nutzung freigestellt, doch wer auch auf dem kurzen Dienstweg erreichbar sein oder wichtige Informationen wie Standorte oder Fahndungsfotos zeitnah erhalten möchte, wird um eine Installation nicht herumkommen.
Das bewertet die Gewerkschaft der Polizei im Hinblick auf Dienst- und Ruhezeiten kritisch. „Der Minister sagt zwar, dass von keinem Polizisten erwartet werde, „Nimes“-Nachrichten in der Freizeit zu lesen, aber wir wissen doch alle, wie es ist: Eine Nachricht ploppt auf, und dann schaut man doch aufs Handy“, sagt der GdP-Landesvorsitzende Dietmar Schilff. Auch für die Datenschutzbeauftragte ist die Nutzung der App auf privaten Handys ein Problem: „Wenn der Nutzer das auf dem privaten Mobiltelefon vorhandene Betriebssystem nicht fortlaufend durch Updates zur Virenabwehr aktualisiert, wird Tür und Tor für eine Infizierung der App mit Schadsoftware geöffnet.“ Würde die App wie in Bayern nur auf Diensthandys installiert, hätte die Polizei dagegen eine Handhabe.
Der Innenminister widerspricht dieser Forderung: „Dadurch, dass wir die App für die sichere Verwendung auf Privathandys konstruiert haben, entsprechen wir dem vielfach geäußerten Wunsch der Polizisten, die einen solchen Kommunikationskanal brauchen.“
„Nimes“ ist eine Abwandlung des Messengers „Stashcat“, die das Madsack-Tochterunternehmen Heinekingmedia entwickelt hat. Betrieben und gewartet wird es allerdings künftig von IT. Niedersachsen. Dafür zahlt die Polizei dem IT-Dienstleister künftig jährlich rund 40.000 Euro. Was die Weiterentwicklung von „Stashcat“ zu „Nimes“ insgesamt gekostet hat, ist noch nicht bekannt.