Niedersachsens Datenschutzbeauftragter Denis Lehmkemper holt sich Unterstützung für die Beantwortung wichtiger Fragen rund um den Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI). Ab August soll ein Expertenkreis von elf Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft, Kommunen sowie kritischer Öffentlichkeit in mehreren Runden diskutieren, wie die Grundsätze des Datenschutzes beim Einsatz von KI gewahrt werden können. Am 14. August geht es los mit der Frage, wie das Training von KI-Systemen mit personenbezogenen Daten rechtssicher ausgestaltet werden kann. Bei zwei weiteren Treffen im Oktober und im Januar werden der Grundsatz der Datenminimierung und Speicherbegrenzung sowie der Grundsatz der Richtigkeit beleuchtet. So soll etwa erörtert werden, wer dafür verantwortlich ist, dass personenbezogene Informationen, die eine KI ausgibt, auch wahr sind, oder wie sichergestellt werden kann, dass personenbezogene Daten aus dem Wissensschatz einer KI wieder verschwinden beziehungsweise falsche Informationen berichtigt werden. „Wir betreten damit gerade völliges Neuland“, räumt Lehmkemper ein. Zwar sei die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der EU technologieneutral formuliert worden. Doch die Möglichkeiten, die sich in jüngster Zeit durch die großen Sprünge beim KI-Einsatz wie beispielsweise durch Chat-GPT aufgetan haben, seien schlichtweg von der DSGVO nicht erfasst worden, meint der Jurist, der seit dem vergangenen Jahr die oberste Datenschutzbehörde des Landes leitet. „Datenschutzrechtlich befinden wir uns da gerade in einem Graubereich. Wir wollen aber den Anwendern aus Unternehmen und Verwaltung die Hand reichen und gemeinsam herausfinden, wie es gehen kann.“

Denis Lehmkemper will klären, wie Unternehmen und Verwaltung KI einsetzen können. | Foto: Daniel George

Die deutschen Datenschutzbehörden gehen derzeit sehr unterschiedliche Wege, um auf die Herausforderung der KI zu reagieren. Hamburgs Datenschutzbeauftragter etwa hat kürzlich ein Papier veröffentlicht, das in seinem Haus intern erarbeitet worden ist – und von Experten anschließend harsch kritisiert wurde. Lehmkemper will nun bewusst einen anderen Weg gehen und frühzeitig Expertise von außerhalb hinzuziehen. Aus der akademischen Welt werden beispielsweise Prof. Anne Paschke von der TU Braunschweig und Prof. Ricardo Usbeck von der Leuphana Universität Lüneburg sowie ein Vertreter der Uni Osnabrück im Expertenkreis mitwirken. Neben Benedikt Hüppe von den Unternehmerverbänden Niedersachsen (UVN) wird die Wirtschafts- und Anwenderperspektive von Franziska Weindauer (Tüv-AI-Lab), von Larisa Wewetzer und Sarah Osterburg (Ottobock Healthcare), von Franz Andert (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) sowie von einem Vertreter der juristischen KI-Beratungsplattform QNC vorgetragen. Eine KI-kritische Perspektive sollen Peter Leppelt von der Beratungsgesellschaft praemandatum und der sogenannte „Doktor DSGVO“ Klaus Meffert einbringen. Von den Kommunalen Spitzenverbänden, vertreten durch Stefan Domanske, erhofft sich Lehmkemper vor allem wichtige Fragen aus der Sicht der öffentlichen Verwaltung. Um die Probleme vorab richtig zu beschreiben, hat die Datenschutzbehörde zudem bei Kammern, Gewerkschaften und Kirchen per Fragebogen erhoben, wo es Sorgen und Nöte oder einfach nur Klärungsbedarfe gibt.

Am Ende der drei jeweils vierstündigen Arbeitstreffen soll ein Ergebnispapier herauskommen, das den Stand der Diskussionen wiedergeben soll. Lehmkemper hofft auf Hilfestellungen für Unternehmen und Verwaltungen, die im Konsens geeint wurden. Aber auch strittige Punkte sollen notfalls in ihrer Widersprüchlichkeit abgebildet werden. Niedersachsens Datenschutzbeauftragter erwartet auch, dass das Ergebnis der Expertenrunden dem Landtag helfen kann. Das Parlament sollte seiner Ansicht nach Rechtsnormen ausgestalten, die den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Landes- und der kommunalen Verwaltung regelt. Dabei geht es zum Beispiel um die Möglichkeit, schriftliche Stellungnahmen zu Gesetzesvorhaben von Künstlicher Intelligenz zusammenfassen und in Beziehung zueinander setzen zu lassen. Auch das Verfassen von Musterbriefen oder der Einsatz von KI zum Finden der richtigen Förderwerkzeuge ist bereits in der Erprobung. Bei all dem, was derzeit ausprobiert wird, sei seine Behörde noch nicht einbezogen, sagt Lehmkemper. Er macht aber deutlich, dass er gerne auch frühzeitig gefragt werden würde, damit man gemeinsam an Lösungen arbeiten kann. Lehmkemper kann sich zudem auch vorstellen, dass von den Experten Impulse ausgehen, die eine Nachbesserung an der DSGVO nahelegen. Da diese aber nur auf EU-Ebene geändert werden kann, könnte lediglich ein Appell vom Land an den Bund und vom Bund schließlich an die EU-Institutionen weitergegeben werden. „Wir sind sehr weit weg davon, das selbst zu entscheiden. Aber es ist wichtig, diese Impulse zu geben“, sagt Lehmkemper dem Politikjournal Rundblick. (nkw)