13. Sept. 2021 · 
Parteien

Das sind die Gewinner und Verlierer der Oberbürgermeister-Wahlen

SPD-Kandidat Thorsten Kornblum liegt bei der Oberbürgermeisterwahl in Braunschweig vorne.

SPD-Bewerber führt in Braunschweig: Das Rennen in Braunschweig, der zweitgrößten Stadt des Landes, war von Anfang an von besonderer Bedeutung. Lange war über eine weitere Amtszeit des populären Oberbürgermeisters Ulrich Markurth (SPD) spekuliert worden. Als der 64-Jährige dann im Februar seinen Verzicht verkündete, fiel die Kandidatur an den Rechts- und Ordnungsdezernenten Thorsten Kornblum (39), der aber erst seit gut einem Jahr in der Stadtverwaltung arbeitet. Der gebürtige Emsländer, ein Jurist, hatte sich einen guten Ruf als Büroleiter von Innenminister Boris Pistorius in Hannover erworben. Die CDU entschied sich für einen Seiteneinsteiger, den studierten Landwirt und Agrarunternehmer Kaspar Haller (38) aus der Region – derzeit beruflich tätig auf der Domäne Schickelsheim in Königslutter. Die dritte Bewerberin mit Aussichten, Tatjana Schneider von den Grünen, arbeitet als Architektin und Professorin an der TU Braunschweig. Die Auseinandersetzung wurde zum Ende vor allem ein Zweikampf zwischen dem zwar auswärtigen, aber verwaltungs- und politikerfahrenen Kornblum gegen den Seiteneinsteiger Haller, der vor allem die Veränderung predigte und damit seinen Ruf als Erneuerer unterstreichen wollte. Im ersten Durchgang erreichte Kornblum rund 38 Prozent, Haller 26,5 Prozent, beide messen sich in der Stichwahl. Schneider kam auf 22,8 Prozent.

Kämpfen in der Stichwahl um den Einzug ins Haus der Region: Steffen Krach und Christina Karasch.
Foto: Anne Hufnagl; Joachim Lührs, Getty Images

SPD in der Region Hannover auf Platz 1: Die Region Hannover mit mehr als 1,1 Millionen Menschen ist der mit Abstand größte Landkreis in Niedersachsen, wegen des besonderen gesetzlichen Aufgabenrahmens heißt er offiziell nicht Landkreis, sondern Region. Obwohl es dieses Gebilde schon seit knapp 20 Jahren gibt, fremdeln viele Bewohner damit und wissen nicht recht, was „die Region“ eigentlich ist. Nach 15 Jahren im Amt trat der Jurist Hauke Jagau (SPD) nicht erneut an, die Sozialdemokraten nominierten für seine Nachfolge den Berliner Wissenschafts-Staatssekretär Steffen Krach (42), der als Lehrer-Sohn in Hannover aufgewachsen ist, nach der Studentenzeit in Göttingen und Berlin aber die Heimat verlassen hatte – und nun zurückkehren will. Er präsentierte eine pfiffige Wahlkampagne, trat redegewandt auf und wurde teilweise sogar als neue Lichtgestalt der niedersächsischen Sozialdemokraten beschrieben. Die CDU bot die Umweltdezernentin der Region, Christine Karasch (52) auf, eine Volljuristin, die in Hessen und NRW gewirkt hat, bevor sie vor drei Jahren zur Region kam. Sie wurde als eher „dröge“, aber sehr kompetent beschrieben. Die Grünen-Bewerberin Frauke Patzke (50), Volljuristin und Referatsleiterin im Wissenschaftsministerium, fiel schon im Wahlkampf hinter die beiden anderen zurück. Krach, der 37 Prozent erhielt, muss sich in der Stichwahl gegen Karasch, die knapp 30 Prozent erhielt, messen. Patzke landete mit rund 20 Prozent auf Rang drei.

Oldenburg bekommt eine Oberbürgermeisterin: Katharina Pötter (links) oder Annette Niermann.

SPD bleibt in Oldenburg vorn: Spannend war die OB-Wahl in Oldenburg vor allem deshalb, weil seit Einführung der Direktwahlen 1996 noch jedes Mal der amtierende Oberbürgermeister in der folgenden Wahl nicht bestätigt worden war – häufig deshalb, weil die für ihre Konfliktbereitschaft und Streitlust bekannte kommunalpolitische Szene in der Stadt so ihre Unzufriedenheit mit dem Rathaus ausdrückte. Diesmal bewarb sich Amtsinhaber Jürgen Krogmann (57), ehemaliger Landtagsabgeordneter und Journalist, um die Wiederwahl – und verschaffte sich eine gute Ausgangsposition. Dabei hat er sich durch eine betont selbstbewusste Amtsführung auch in den eigenen Reihen nicht nur Freunde geschaffen. Die CDU hatte einen früheren Verlagsmanager aufgestellt, Ulrich Gathmann (62), der seine Parteilosigkeit betont, die Grünen den Wirtschaftswissenschaftler und Autor Daniel Fuhrhop (54), der seit drei Jahren an der Uni Oldenburg arbeitet – und der im Wahlkampf vor allem schwungvoll auftrat. In der Stichwahl treten Krogmann, der rund 41 Prozent erreichte, gegen Fuhrhop (29 Prozent) an, CDU-Mann Gathmann kam mit rund 18 Prozent auf Rang drei.

CDU-Bewerberin bleibt in Osnabrück Favoritin: Die vergangenen Jahre in der Osnabrücker Kommunalpolitik waren geprägt von einem Gegeneinander zwischen dem Rat einerseits und dem Oberbürgermeister Wolfgang Griesert (CDU) auf der anderen. Griesert trat jetzt nicht mehr an, und die CDU präsentierte die Ordnungs- und Sozialdezernentin Katharina Pötter (42), die vor zwei Jahren in die Stadtspitze aufgerückt war und vorher ehrenamtlich im Rat gearbeitet hatte. Die Juristin Pötter, die einst in der Landesschulverwaltung tätig war, gilt landesweit als eine der stärksten Politikerinnen der CDU – ihr werden eine hohe Sachkenntnis, eine faire und überparteiliche Amtsführung und ein hohes taktisches Geschick nachgesagt. Die SPD schickte den Landtagsabgeordneten Frank Henning (54) ins Rennen, einen ehemaligen Finanzbeamten, die Grünen präsentierten Annette Niermann (53), ehemalige Start-up-Unternehmerin und jetzt Bürgermeisterin von Bad Iburg. Pötter erreichte knapp 36 Prozent, sie tritt in der Stichwahl gegen Niermann mit 26 Prozent an – Henning landete mit 24 Prozent abgeschlagen auf dem dritten Platz.

Dennis Weilmann (links), Iris Bothe und Frank Richter sind bei der Oberbürgermeisterwahl in Wolfsburg angetreten. In der Stichwahl stehen sich am 26. September nur noch die beiden Herren gegenüber. Fotos: privat

Achtungsergebnis für CDU-Bewerber in Wolfsburg: Für Klaus Mohrs (69), Oberbürgermeister von Wolfsburg mit SPD-Parteibuch, ist mit dieser Wahl endgültig Schluss. Eigentlich hätte eine OB-Wahl in der Stadt schon 2019 angestanden, aber der Rat beschloss, eine Sonderbestimmung der Gemeindeordnung zu nutzen und die Wahl herauszuschieben – mit der Begründung, man rede mit Nachbarlandkreisen über eine Fusion. Ob es wirklich solche ernsthaften Gespräche gegeben hat, wird mittlerweile bezweifelt. Klar war jetzt aber, dass eine weitere Verschiebung der 2018 wegen der Fusionsgespräche vertagten OB-Neuwahl nicht mehr möglich war. SPD und FDP stellten Iris Bothe (54) auf, Stadträtin für Jugend und Bildung, die allerdings im Wahlkampf eher blass blieb. Die CDU nominierte die Nummer zwei im Rathaus, den ersten Stadtrat Dennis Weilmann (46), zuständig für Wirtschaft und Kultur. Weilmann, ein Volljurist, war früher auch im Justizministerium in Hannover tätig. Auch er zählt zu den kommunalpolitischen Schwergewichten der CDU in Niedersachsen. Als Kandidat der Grünen wurde der Fraktionssprecher der Partei im Stadtrat, Frank Richter, ins Rennen geschickt. Weilmann erreichte 43 Prozent und damit rund zehn Punkte mehr als die SPD-Bewerberin Bothe, beide kommen damit in die Stichwahl.

Kein klares Bild bei vielen Oberbürgermeisterwahlen

Frank Klingebiel bleibt Oberbürgermeister von Salzgitter.

Keine Überraschungen in Salzgitter, Hildesheim und Hameln: Der OB von Salzgitter, Frank Klingebiel (57), kann seine 15 Jahre währende Amtszeit fortsetzen – er gewann souverän im ersten Wahlgang mit rund 54 Prozent, obwohl er aus einer Stadt kommt, in der seine CDU normalerweise nicht vorn liegt. Die Sozialdemokraten und Grünen hatten den 56-jährigen Professor für Kommunikationswissenschaften und früheren Journalisten Harald Rau aufgestellt, der auf 25 Prozent kam. In Hildesheim war der amtierende OB Ingo Meyer (52) diesmal nicht mehr von der CDU unterstützt worden, die ihn 2013 bei seiner ersten Wahl neben der SPD noch getragen hatte. Diesmal versicherte sich Meyer des Zuspruchs einer breiten Mehrheit der lokalen Parteien sicher sein, nicht aber der Hilfe der CDU. Sie stellte mit Dennis Münter (44), Geschäftsführer des Kreissportbunds Hildesheim, einen eigenen Kandidaten auf. Doch der Amtsbonus von Meyer wirkte klar, er schaffte souverän die Wiederwahl mit 58 Prozent, Münter erreichte 23 Prozent. In Hameln kann der 47-jährige Jurist Claudio Griese (CDU) auch in den nächsten fünf Jahren OB bleiben. Der Rechtsanwalt, der schon seit acht Jahren an der Spitze der Verwaltung im Rathaus steht, siegte souverän mit 51,7 Prozent über seinen sozialdemokratischen Herausforderer Robert Wycislo (38), Gewerkschaftssekretär (19,6 Prozent), und den Grünen-Bewerber Sven Kornfeld (39), ausgebildeter Lokführer und Grünen-Lokalpolitiker, der 13,6 Prozent bekam.

Spannung in Delmenhorst, Lüneburg, Goslar und Göttingen: In Lüneburg wurde die Kommunalpolitik lange von dem populären Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD) geprägt. Er trat jetzt aus Altersgründen nicht mehr an. Die Wahl endete in einem Debakel für die SPD – und in einem großen Erfolg für die Grünen-Bewerberin Claudia Kalisch, derzeit Samtgemeindebürgermeisterin in Amelinghausen. Sie erreichte im ersten Wahlgang mit 33,7 Prozent das beste Ergebnis, und messen muss sie sich in der Stichwahl mit dem Einzelbewerber Heiko Meyer, der einst für die SPD im Rat war, sich dann aber mit seinen Genossen überworfen und die Partei verlassen hatte. Meyer erreichte 22,7 Prozent. Die Bewerberin der CDU, die Landesbeauftragte Monika Scherf, landete bei 18,4 Prozent, die SPD-Kandidatin Pia Steinrücke, Jugenddezernentin in Lüneburg, bei nur 17,9 Prozent.

In Delmenhorst, wo OB Axel Jahnz (SPD) nicht mehr angetreten war, ist die auch von den Grünen gestützte CDU-Bewerberin und Wirtschaftswissenschaftlerin Petra Gerlach klar in Führung. Sie kam auf 44,7 Prozent. Die SPD-Kandidatin Funda Gür, derzeit tätig in der Hamburger Landesregierung, landete bei 20,5 Prozent. Beide stehen sich in der Stichwahl gegenüber.

In Göttingen trat OB Rolf-Georg Köhler nicht mehr an, die SPD nominierte die Sozialdezernentin Petra Broistedt, die CDU den Rechtsanwalt Eshan Kangarani. Die Grünen stellten Doreen Fragel auf, die Geschäftsführerin der Energieagentur. Alle drei Bewerber lagen dicht beieinander, Broistedt kommt mit 33 Prozent in die Stichwahl, ebenso wie Fragel, die nur wenige Stimmen mehr als der CDU-Kandidat bekommen hatte.

In Goslar endet die OB-Wahl mit einem deutlichen Dämpfer für den Amtsinhaber Oliver Junk von der CDU. Er, der vorher in Franken tätig war und CSU-Mitglied war, führt die Stadtverwaltung seit zehn Jahren. Jetzt kam er nur noch auf rund 32 Prozent, seine Gegenkandidatin Urte Schwerdtner (SPD), Juristin und Vize-Direktorin im Amtsgericht Goslar, kam mit 49 Prozent dicht an die 50-Prozent-Marke heran und hatte diese bei Redaktionsschluss noch nicht überschritten. Damit wird zwischen beiden eine Stichwahl nötig, in die Schwerdtner als klare Favoritin geht.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #159.
Christian Wilhelm Link
AutorChristian Wilhelm Link

Artikel teilen

Teilen via Facebook
Teilen via LinkedIn
Teilen via X
Teilen via E-Mail
Alle aktuellen MeldungenAktuelle Beiträge
Nach der Steuerschätzung: Heere spricht von einer „sehr ernsten Lage“ der Landesfinanzen
19. Mai 2025 · Klaus Wallbaum3min
Innenministerin Daniela Behrens und Verfassungsschutzpräsident Dirk Pejrilstellen den Verfassungsschutzbericht für 2023 vor.  | Foto: Kleinwächter
Sind Klima-Aktivisten keine Verfassungsfeinde? Grüne preschen mit Reformvorschlag vor
18. Mai 2025 · Klaus Wallbaum3min
Vor dem großen Tag des Wechsels herrscht in der Koalition eine durchaus große Nervosität
19. Mai 2025 · Klaus Wallbaum3min