In einer denkwürdigen, schon historischen Pressekonferenz haben Ministerpräsident Stephan Weil, Sozialministerin Carola Reimann und die Gesundheits-Abteilungsleiterin Claudia Schröder am späten Montagnachmittag weitreichende Auflagen im Zusammenhang mit der Corona-Krise verkündet. Alle Diskotheken und Kneipen, Theater und Museen, Messen, Kinos und Freizeitparks, Sportstätten und ein Großteil von Geschäften (etwa für Möbel und Bekleidung), sowie auch alle Outlet-Center müssen von heute Morgen an schließen. Auch Spielplätze dürfen nicht mehr betreten werden. Kirchen, Moscheen und Volkshochschulen dürfen nicht öffnen, Reisebusfahrten sind zu unterbinden. Es gilt ein Versammlungsverbot – mit einer Ausnahme: Der Landtag darf, weil er als Verfassungsorgan nächste Woche den Nachtragsetat beschließen soll, in Hannover zusammenkommen. Zwar gestattet die Landesverfassung in Artikel 44, dass die Landesregierung anstelle des Landesparlaments Notverordnungen erlassen kann, wenn dies zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nötig ist und der Landtag sich wegen „höherer Gewalt“ nicht treffen kann. Es sei aber nicht beabsichtigt, sich darauf zu berufen, erklärte Weil. Der Landtag soll nächste Woche im Nachtragsetat eine höhere Summe bereitstellen, damit Geld genug zur Bekämpfung der Corona-Krise bereitsteht. Nach Ostern wollen die Ministerpräsidenten nach Weils Worten beraten, welche Wirkungen die Auflagen erzielt haben – und inwieweit sie fortgesetzt werden sollen.

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Auf die äußerst weitreichenden Schritte hatten sich die Ministerpräsidenten am Montagnachmittag per Telefonkonferenz verständigt, anschließend wurden die Ergebnisse mitgeteilt. Es gibt Ausnahmen von den Schließungen: Lebensmittelgeschäfte und Wochenmärkte, Lieferdienste, Apotheken und Drogerien, Baumärkte, Frisöre, Reinigungen, Waschsalons, Banken, Tankstellen, Poststationen und der Großhandel dürfen weiter offen haben, für sie soll sogar das Sonntagsverkaufsverbot gelockert werden. Während Kneipen schließen müssen, gilt für Restaurants und Hotels, dass Abstandsregeln zwischen den Tischen einzuhalten sind und die Besucherzahl reglementiert werden soll. Spätestens um 18 Uhr müssen Restaurants schließen. Der Besuch in Krankenhäusern und Altenheimen wird verboten, es sei denn, Eltern besuchen ihre kranken Kinder, Sterbende werden begleitet und Partner begleiten eine Schwangere bei der Geburt. Weil sagte, Einschränkungen für Behörden seien ebenfalls denkbar, bisher aber nicht festgelegt. Gerade für Gesundheitsämter gelte das aber nicht. Medizinisches Personal könne Schul- oder Kindergartenkinder in Notgruppen betreuen lassen, das funktioniere nach bisherigen Erkenntnissen gut. Reimann ergänzte, in den Krankenhäusern würden alle aufschiebbaren Operationen vertagt, damit genügend Platz für Corona-Patienten vorhanden sei. Bisher sind in Niedersachsen 390 Infizierte gemeldet, die Zahl der schweren Fälle in Kliniken sei aber noch „an einer Hand abzuzählen“.

Wieso stimmen die Meldungen zu Neuinfektionen aus den Kommunen nicht immer mit den Meldungen des Landesgesundheitsamtes überein? Am Wochenende konnte man den Eindruck gewinnen, dass es etwa in der Region Hannover zu einer Stagnation bei den Neuinfektionen mit dem Corona-Virus kam. Das legten zumindest die offiziellen Zahlen des Sozialministeriums nahe, die sich wiederum auf das Landesgesundheitsamt (NLGA) berufen. Die Region Hannover vermeldete aber tatsächlich von Freitag bis Montagmorgen eine Verdopplung der Infektionen – von 59 auf 121 Fälle. Wie kommt es zu dieser Differenz? Grund dafür ist der formale Meldeweg: Wird eine Person positiv getestet, bekommt zunächst das lokale Gesundheitsamt diesen Laborbefund gemeldet. Damit ist die Kommune dann schon informiert und verfügt über die aktuellste Zahl. Anschließend muss die Meldung dann in eine Datenbank des NLGA eingepflegt werden. Diese Datenbank fragt jedoch eine Vielzahl von Informationen ab, etwa ob es zu klinischen Symptomen gekommen ist oder ob es einen Krankenhausaufenthalt der betroffenen Person gab. Anschließend werden die Daten noch vonseiten des NLGA auf Plausibilität geprüft, bevor sie dann offiziell gezählt werden. Allein dieser Aufwand führe schon zu einer Verzögerung in der Meldekette, erläutert NLGA-Pressesprecher Holger Scharlach im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Im niedersächsischen Sozialministerium hat man sich allerdings darauf verständigt, nur die offiziellen Zahlen des NLGA zu verwenden. Zwar werde man über Pressemitteilungen der Landkreise über die aktuellen Fallzahlen informiert, sagte Oliver Grimm, Sprecher des Sozialministeriums. Es könne aber nicht sichergestellt werden, dass diese Meldung immer verlässlich abläuft. Um eine klare Regelung zu finden, hat man sich deshalb im Sozialministerium von Anfang an dazu entschlossen, nur die NLGA-Daten zu veröffentlichen.