Corona-Debatte im Landtag offenbart Risse in der Groko und der Ampel-Koalition
In einer 20-minütigen Unterrichtung hat Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) am Mittwoch im Landtag die aktuelle Corona-Lage erläutert – und dabei auf das nahende Ende der Infektionsschutzbegrenzungen am 20. März hingewiesen. Dabei ließ er Distanz zu der Festlegung erkennen, die von der Ampel-Koalition im Bundestag bisher angestrebt wird – nämlich den kompletten Wegfall aller Chancen, Kontaktbeschränkungen und andere Schutzvorkehrungen verhängen zu können. Nach dem 20. März „hätten wir keinen Feuerlöscher mehr“, meinte Weil und fügte hinzu: „Ich will ohne Umschweife sagen, dass ich eine solche Konsequenz für unvertretbar hielte.“ Ähnlich äußerten sich in dieser Sache die Fraktionschefs von SPD, CDU und Grünen, Johanne Modder, Dirk Toepffer und Julia Hamburg. Allein FDP-Fraktionschef Stefan Birkner verteidigte die von der Ampel im Bundestag festgelegte Stichtags-Regel.
In der Debatte wurden erhebliche Risse in der Koalition von SPD und CDU im Landtag erkennbar, ebenso allerdings auch zwischen den Parteien, die derzeit die Bundesregierung bilden:
Streit um die Stichtags-Regel
FDP-Fraktionschef Birkner verteidigte den bisherigen Kurs der Bundesregierung, am 20. März auf die Corona-Beschränkungen bundesweit zu verzichten. „Das ist genau der richtige Weg, denn wenn man nicht mit bestimmten Daten arbeitet, bewegt man eben auch nichts. Außerdem deckt sich der Zeitplan mit der Entwicklung der Omikron-Inzidenzen.“ Natürlich müsse sich das Land auf den Herbst und eine dann mögliche neue Welle einstellen, aber dazu könne der Bundestag auch kurzfristig handeln. Außerdem fehlten hierfür Vorschläge der Landesregierung.
Die SPD-Fraktionsvorsitzende Modder ließ keinen Zweifel daran, dass die FDP auf Bundesebene für die von ihr abgelehnte Stichtags-Regel verantwortlich sei. „Es gibt viele Menschen, die sich immer an die Auflagen gehalten haben und jetzt merken, dass weder die Infektionslage noch die Impfung entscheidend sein sollen. Diese Menschen empfinden jetzt keine Sicherheit mehr.“ Die Grünen-Fraktionschefin Hamburg setzte noch nach und formulierte Erwartungen an die Ampel-Koalition in Berlin: „Wir sollten von Berlin ein Sicherheitsnetz für die Länder einfordern.“
CDU-Fraktionschef Dirk Toepffer meinte, maßgeblich für die Stichtags-Regel sei nicht die Infektionslage, sondern „der gering ausgeprägte Wille der Bundesregierung, sich mit der Pandemiepolitik weiter auseinandersetzen zu wollen“. Er spitzte zu: „Der Kanzler schweigt, zögert und zaudert und macht das Gegenteil von Führen. Er führt nicht, er lässt geschehen.“
Streit um Corona-Politik in Schulen
Grüne und FDP richteten scharfe Angriffe auf Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD). Julia Hamburg (Grüne) meinte, es sei eine Vernebelung, wenn sich das Ministerium für 2700 angeschaffte Luftfilter in Schulen lobe, angesichts von 25.000 Klassenräumen der Jahrgänge 1 bis 6 zeige sich hier aber, dass „nicht geliefert“ worden sei. Johanne Modder (SPD) entgegnete, man dürfe von den Luftfiltern nicht zu viel erwarten. Sie kenne Fälle, in denen die angeschafften Geräte nicht im Betrieb seien, weil sie zu laut sind und den Unterricht stören. „Das liegt daran, dass die Landesregierung die Kommunen allein gelassen hat und darauf verzichtete, die Anschaffung zu koordinieren“, erwiderte daraufhin Birkner. Zwischen Modder und Toepffer kam es noch zu einer kurzen Kontroverse. Modder sagte, die CDU-Rufe nach mehr Digitalisierung in den Schulen treffe nicht den Kultusminister, sondern den für diese Frage zuständigen Wirtschaftsminister Bernd Althusmann. Toepffer erwiderte: „Dass es mit der Digitalisierung der Schulen nicht klappt, kann man nun wirklich nicht dem Wirtschaftsminister anlasten.“
Streit um Querdenker und „Corona-Diktatur“
CDU-Fraktionschef Toepffer nutzte die Gelegenheit der Corona-Aussprache, um auch Bezüge zur aktuellen Weltlage herzustellen. Die Pandemie habe „die Krise des demokratischen Systems offenbart“, und er sei erschrocken über Menschen, die von einer „Corona-Diktatur“ sprechen – denn das sei „Spott für die vielen Menschen, die in der Ukraine gerade um ihr Leben fürchten müssen“ wegen des Wirkens „der tatsächlichen Diktatoren“. Toepffer gipfelte in dem Satz: „Kein Appeasement gegenüber Querdenkern – und kein Appeasement gegenüber jeder Form von außenpolitischer Aggression!“ Der Applaus kam daraufhin nur von der CDU, der Koalitionspartner SPD nahm die Rede demonstrativ schweigend hin.
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