Christian Berg, Professor für Nachhaltigkeit an der TU Clausthal und Mitglied im deutschen Präsidium des „Club of Rome“, hat ein eindrucksvolles Buch mit dem Titel „Ist Nachhaltigkeit utopisch?“ geschrieben. Die Arbeiten an dem Werk, das abweichend von den Erwartungen, die der Titel wecken könnte, sehr analytisch und wenig belehrend geschrieben wurde, sind von Berg bereits vor Ausbruch der Corona-Krise abgeschlossen worden. Die Fragestellung jedoch, die um die Änderung der Wirtschaftsweise mit dem Ziel von mehr Umwelt- und Klimaschutz kreist, ist aktueller denn je. Berg beschreibt anhand von politischen Philosophien und systemtheoretischen Wirkungsweisen die Barrieren, die gegen ein nachhaltigeres Wirtschaften bestehen. Das reicht von der Macht der Bürokratie, die umso weniger veränderlich wird, je gefestigter sie ist, über internationale Organisationen, die von den mächtigsten Staaten dominiert werden und am Status quo beharren, bis zu volkswirtschaftlichen Defiziten. Warum beispielsweise die sind negativen Folgen der Industrie für die Ökologie immer noch nicht Bestandteil der Kostenrechnung geworden? Warum wird das Wachstum angepriesen und jede Tätigkeit, die auf das Herstellen neuer Produkte ausgerichtet ist, höher bewertet als eine kontemplative Tätigkeit? Die Wurzeln liegen, das beschreibt Berg, in der Ideengeschichte, die seit den Zeiten der alten Griechen so ausgerichtet ist – weil sich Platons Sicht gegenüber der von Aristoteles durchsetzte. Seither habe man weniger das große Ganze im Blick als vielmehr Detailfragen. Die instrumentelle Vernunft und die Zweck-Mittel-Relation seien außerdem im Kapitalismus zu dominant geworden. Der Vorrang des kurzfristigen gegenüber dem langfristigen Ergebnis, der verbreitete Konsumzwang und die Neigung der Wissenschaft zu Vorsicht und Zurückhaltung leisten ihren Beitrag zu den Problemen. Hinzu komme, dass die öffentliche Debatte immer um singuläre, vereinfachte Fragestellungen kreise, weil sie die Komplexität der Lage nicht erfassen können. Berg gibt gleichwohl nicht auf, für eine neue „Utopie der Nachhaltigkeit“ zu werben.
Christian Berg: Ist Nachhaltigkeit utopisch? Wie wir Barrieren überwinden und zukunftsfähig handeln, Oekom-Verlag, München 2020, 457 Seiten, 32 Euro, ISBN 978-3-96238-185-1.