In den Regierungsfraktionen des Landtags herrscht große Aufregung. Weil der Bundestag mit der Mehrheit von SPD, Grünen und FDP mit Gültigkeit von Donnerstag die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ aufgehoben hat, hängen nun auf einmal die Kommunalvertretungen in Niedersachsen in der Luft. „Sie dürfen ab sofort nicht mehr ihre Sitzungen hybrid abhalten“, erklärte Christian Wefelmeier, Leiter des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes (GBD) im Landtag, am Donnerstag im Landtags-Innenausschuss.

Alle Teilnehmern müssten in Präsenz dabei sein, Video-Zuschaltungen seien unzulässig. Auf Drängen von SPD und CDU, aber auch mit Billigung von Grünen und FDP soll nun in aller Eile eine Änderung der Kommunalverfassung vorbereitet werden, die dann am 13. Dezember im Landtag beschlossen werden soll und Hybrid-Sitzungen womöglich ganz unabhängig von Krisen-Bedingungen erlaubt. Zumindest ein Übergangszeitraum wie bisher soll wieder hergestellt werden. Das Okay dazu hat der Innenausschuss gestern erteilt. Für CDU-Generalsekretär Sebastian Lechner geht dieser Schritt aber nicht weit genug. „Ich fordere eine Sondersitzung des Landtags, damit das Land ganz schnell eine eigene epidemische Notlage für Niedersachsen erklärt – und die Ausnahmebestimmungen unabhängig von der veränderten Rechtslage auf Bundesebene wieder angewandt werden können“, sagte Lechner im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Wenn Schnelligkeit geboten sei, dann hier.
"Ich fordere eine Sondersitzung des Landtags, damit das Land ganz schnell eine eigene epidemische Notlage für Niedersachsen erklärt."
Sebastian Lechner
Tatsächlich waren mehrere Sonder-Bestimmungen, die in der Notlage der grassierenden Pandemie wichtig sind, an die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ im Bundesinfektionsschutzgesetz geknüpft. Die Ampel-Koalition im Bundestag hatte diese Rechtsgrundlage geändert – und damit aber auch, wie erst jetzt vielen Landtagsabgeordneten bewusst wurde, die Basis für niedersächsische Sondervorschriften gekappt. Die Möglichkeit zu hybriden Sitzungen der kommunalen Gremien (Räte, Kreistage, Ausschüsse) ist ebenso betroffen wie die Chance zu hybriden Personalratssitzungen. Dazu gehört auch das Recht der Kommunen, den Hauptausschuss anstelle des Rates entscheiden zu lassen – und den Rahmen der Liquiditätskredite ausweiten zu dürfen. Zu den jetzt nicht mehr erlaubten Ausnahmen zählt auch die Möglichkeit, Beamte ohne Gesundheitsüberprüfung zu versetzen – sofern die Ärzte, die sie eigentlich untersuchen müssten, wegen der Corona-Pandemie anderweitig gefordert sind. Oder die Möglichkeit, Aufgaben der kommunalen Gesundheitsämter (etwa in der Nachverfolgung der Kontakte) von den Kreisen und kreisfreien Städten auf das Land zu delegieren, sofern die Kommunen damit überlastet sind. Der „Voralarm“ im Katastrophenschutzgesetz, der frühzeitige Vorbereitungen im Krisenfall erlaubt, darf ohne die epidemische Notlage ebenfalls nicht mehr erklärt werden. Lechner unterstützt daher die Forderung des Hauptgeschäftsführers des Landkreistages, Prof. Hubert Meyer, eine eigene Grundlage für all diese nötigen, jetzt aber nicht mehr erlaubten Schritte zu schaffen: „Das Land muss eine eigene epidemische Notlage feststellen.“ Dies würde nur gehen, wenn der Landtag das auf Antrag der Landesregierung beschließt – und Lechner meint, die Zeit bis zur nächsten regulären Landtagssitzung am 13. Dezember sei zu lang. „Wir brauchen eine Sondersitzung“, betont Lechner. „Das Sozial- und das Innenministerium in Hannover haben die Situation nicht auf dem Schirm gehabt, daher sind wir jetzt in dieser Lage“, fügt der CDU-Mann hinzu.
„Wir hätten uns die Eile ersparen können, wenn alles früher vorbereitet gewesen wäre.“
Marco Genthe
Im Innenausschuss führte diese Lage am Donnerstag zu einer etwas hektisch wirkenden Debatte. „Wir hätten uns die Eile ersparen können, wenn alles früher vorbereitet gewesen wäre“, meinte Marco Genthe (FDP). Ulrich Watermann (SPD) bat, die Beteiligung der Kommunalverbände an der geplanten Änderung mehrerer Gesetze, die etwa die Hybrid-Sitzungen unabhängig von der Pandemie möglich machen sollen, möglichst schnell und konzentriert durchzuziehen. Auf Nachfrage der FDP erklärte der GBD-Vertreter, die hybriden Sitzungen seien ab sofort zwar nicht zulässig, es gelte aber auch die Ansage „Wo kein Kläger ist, da ist auch kein Richter.“ So herrschte in der Sitzung des Innenausschusses weitgehende Einigkeit darüber, den fast dreiwöchigen Zeitraum bis zur nächsten regulären Landtagssitzung hinzunehmen – selbst dann, wenn einzelne Kommunen wegen drastisch steigender Corona-Zahlen ihre Gremien zusammenrufen und Beschlüsse fassen lassen müssen. Lechner sieht es anders und verweist auf die Gefahr, dass Sitzungen mit Hybrid-Beteiligungen zu rechtsunwirksamen Beschlüssen führen könnten.