30. Nov. 2016 · 
Landwirtschaft

CDU will Bonus für „Traditionsbetriebe“ – SPD und Grüne sehen Rechtsbedenken

Sollen alteingesessene Handwerks- und Handelsunternehmen auch in kleinen und mittelgroßen Städten ihre Produktion und ihre Verkaufsflächen ausweiten können – selbst wenn dies nach den Vorgaben der Raumordnung eigentlich nicht statthaft ist? Diesen Vorschlag hat die CDU-Landtagsfraktion zum neuen Landesraumordnungsprogramm unterbreitet. Bisher genießen diese Unternehmen zwar Bestandsschutz, eine Ausdehnung ist ihnen in kleineren Kommunen aber oft untersagt, da sich solche Firmen bevorzugt in größeren Orten, den Mittel- und Oberzentren, ansiedeln und entfalten sollen. Der CDU-Vorschlag, gestern im Agrarausschuss von Frank Oesterhelweg vorgetragen, trifft aber auf Vorbehalte bei Rot-Grün: „Das verstößt gegen die Verfassung“, sagte der SPD-Abgeordnete Wiard Siebels und fügte hinzu: „Entweder man erlaubt allen Betrieben, sich auch in kleineren Orten ausweiten zu dürfen. Das will aber niemand. Dieses Recht nur den alteingesessenen Mittelständlern zu erlauben, würde aber gegen den Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz verstoßen.“ Daraufhin sagte Oesterhelweg: „Wir starten jedenfalls einen Versuch, auch wenn dieser rechtlich angreifbar sein sollte. Aber das könnte ja beim Staatsgerichtshof in Bückeburg geklärt werden.“ Siebels meinte, Auslöser für den CDU-Vorstoß sei vermutlich der konkrete Fall eines Möbelhandels im Landkreis Wesermarsch, der gern erweitern möchte, dies nach den Regeln der Raumordnung aber nicht darf. Mit der rot-grünen Mehrheit im Agrarausschuss wurde das Landesraumordnungsprogramm gestern beschlossen, es soll dann in einer der nächsten Landtagssitzungen verabschiedet werden. Damit geht ein langer Diskussionsprozess zu Ende, und das ursprüngliche Konzept wurde auch erheblich nachgebessert – auch wegen der 84 Einsprüche von Bürgern, darunter vielen Landwirten. Ein wichtiges Streitthema ist dabei der Moorschutz. Im Ursprungsentwurf war von „Moorentwicklung“ die Rede, was bei vielen Bauern den Verdacht weckte, Rot-Grün wolle im großen Stil Flächen den Landwirten entziehen und wiedervernässen. Inzwischen wurde zum einen eine „Landwirtschaftsklausel“ eingeführt – Grünlandflächen mit darunterliegenden Torfschichten dürfen also weiter bewirtschaftet werden. Außerdem gibt es einen Pakt zwischen Torfindustrie und Naturschutzbund, der sogar eine Verringerung der zu schützenden Flächen vorsieht, dafür jedoch mehr Ausgleichsflächen als Gegenleistung für den erlaubten Torfabbau. Während Siebels das als „fairen Kompromiss“ begrüßte, übt Oesterhelweg Kritik, weil er Nachteile für die Bauern sieht: „Die Flächen sind heute schon knapp, das merkt man an den Pachtpreisen. Diesen Druck nun noch zu erhöhen, lehnen wir ab.“ Außerdem rügt die CDU, dass viel Gebiete, die eigentlich vernässt werden sollten, noch nicht optimal in bearbeitet worden seien. Hier solle der Moorschutz doch zuerst ansetzen. Während Hermann Grupe (FDP) den CDU-Antrag unterstützte, befürwortete Hans-Joachim Janßen (Grüne) Siebels Argumentation. Das gilt auch für einen anderen Streitpunkt im Landesraumordnungsprogramm: Die CDU will alle Einzelhandelsobjekte, also Super- und Fachmärkte, nur noch dann genehmigungspflichtig machen, wenn sie größer als 1200 Quadratmeter sind. Bisher gilt hier eine Grenze von 800 Quadratmetern. Tendenziell seien alle Geschäftsflächen heute nicht mehr so platzsparend, sagte Oesterhelweg, und er habe schon erlebt, dass Raumordnungsbehörden – etwa beim Großraumverband Braunschweig – solchen Bauvorhaben oft Steine in den Weg legten. Janßen widersprach und meinte, er halte es schon für sinnvoll, weiterhin großflächigen Einzelhandel in kleineren Kommunen an eine Genehmigungspflicht zu binden.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #219.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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