CDU ist empört: Bundestagswahlkreise im Südosten sollen Übergewicht erhalten
Aus der CDU-Bundestagsfraktion gibt es massive Kritik an den Plänen für eine Reform der Bundestagswahlkreise. Die Aufgabe ist relativ einfach, die Umsetzung höchstproblematisch. Zur nächsten Bundestagswahl 2025 soll die Zahl der Wahlkreise von bisher 299 auf 280 schrumpfen. Das heißt dann zwingend, dass es in Niedersachsen nur noch 28 und nicht mehr 30 Wahlkreise geben soll. Doch das aktuelle Konzept dafür ist aus Sicht des Vorsitzenden der CDU-Landesgruppe Niedersachsen, Mathias Middelberg (Osnabrück), enttäuschend: „Die Vorschläge setzen nicht dort an, wo die Defizite mit Blick auf die Entwicklung der Wohnbevölkerung am größten sind“, sagt Middelberg im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Tätig werden müsse man „im Osten und im Südosten des Landes – sowie in der Lüneburger Heide“. Dies geschehe aber nicht – stattdessen empfiehlt das Innenministerium aktuell, zwei eher im Westen gelegene Wahlkreise zu opfern: Osterholz/Verden (bisher vertreten durch Andreas Mattfeldt von der CDU) und Diepholz/Nienburg (bisher vertreten durch Axel Knoerig von der CDU).
Die Diskussion hat eine Vorgeschichte. Ende August hatte eine unabhängige Expertenkommission, in der auch Landeswahlleiterin Ulrike Sachs mitwirkt, einen Plan entwickelt, welche beiden niedersächsischen Wahlkreise gestrichen werden sollten. Schon damals war Osterholz/Verden dabei, daneben aber auch noch Cloppenburg/Vechta. Daraufhin hatte es einen Aufschrei bei der CDU gegeben, denn der Wahlkreis Cloppenburg/Vechta ist sozusagen das Kerngebiet der Christdemokraten, eine Hochburg nicht nur landes-, sondern bundesweit. Gegenwärtig wird der Wahlkreis im Bundestag durch die Oldenburger CDU-Landesvorsitzende Silvia Breher vertreten. Der Protest vor allem aus der CDU fruchtete, begründet wurde er auch mit der Tatsache, dass es sich beim Oldenburger Münsterland um ein historisches Gebiet handelt, das über ganz lange Zeit eine einheitliche Vertretung gehabt hätte. Als das niedersächsische Innenministerium dann Ende September eine überarbeitete Variante präsentierte, war darin Cloppenburg/Vechta weiter als eigener Wahlkreis garantiert. Stattdessen wurde zur Auflösung jetzt Diepholz/Nienburg empfohlen. Middelberg schreibt jetzt in seiner Stellungnahme, das Votum für Cloppenburg/Vechta sei zwar zu begrüßen. Doch die Fehlerhaftigkeit des Konzeptes an sich werde nicht beseitigt. Das begründet der CDU-Politiker umfangreich.
Nach Middelbergs Darstellung liegen fünf der sieben Wahlkreise, in denen die Wohnbevölkerung jetzt schon deutlich mit mehr als minus 15 Prozentpunkten unter dem Durchschnitt liegt, im Osten Niedersachsens: Stadt Hannover 1, Hameln/Holzminden, Helmstedt/Wolfsburg, Lüchow-Dannenberg/Lüneburg und Braunschweig. Die beiden anderen dieser Wahlkreise mit deutlich unterdurchschnittlicher Bevölkerung seien Rotenburg/Heidekreis und Friesland/Wilhelmshaven. Für diese sieben Wahlkreise gilt, dass sie von sozialdemokratischen Wahlkreissiegern im Bundestag vertreten werden, wobei ein Mandat inzwischen zurückgegeben wurde (Falko Mohrs für Helmstedt/Wolfsburg). Da Yasmin Fahimi DGB-Chefin wurde, ist auch einer der beiden Wahlkreise aus der Landeshauptstadt Hannover nicht mehr im Bundestag mit Direktmandat vertreten. Der Wahlkreis mit der stärksten Unterschreitung der Durchschnittsbevölkerung (minus 23,1 Prozent) ist Rotenburg/Heidekreis, der von SPD-Chef Lars Klingbeil im Bundestag direkt vertreten wird. Middelberg weist nun darauf hin, dass alle diese problematischen Wahlkreise in dem Reformvorschlag des niedersächsischen Innenministeriums Bestandsschutz genießen, während ausgewichen wird auf weiter westlich liegende Wahlkreise, deren Bevölkerungszahlen viel näher am Durchschnittswert liegen.
Middelberg hat auch berechnet, welche Wahlkreise den geringsten Anteil an Menschen unter 18 Jahren haben – also perspektivisch in naher Zukunft weniger Einwohner haben werden. Die ersten drei sind nun Goslar/Northeim, Friesland/Wilhelmshaven und Hameln/Holzminden – auch allesamt Wahlkreise mit SPD-Wahlsiegern. Der CDU-Landesgruppenvorsitzende erklärt, warum eigentlich der Wahlkreis Rotenburg/Heidekreis mit dem Abgeordneten Lars Klingbeil aufgelöst werden müsste. Er habe nicht nur die mit Abstand größte Abweichung der Bevölkerungszahl vom Durchschnitt. Auch die sechs ihn umgebenden Wahlkreise lägen mit ihren Zahlen klar unter dem Mittelwert. Daher liege in dem Bereich die Fusion mehrerer Wahlkreise nah. „Vor diesem Hintergrund drängt sich die Auflösung von Rotenburg/Heidekreis geradezu auf.“
Außerdem hat der CDU-Politiker geprüft, wie sich die Lage darstellt, wenn die vom Innenministerium aktuell vorgeschlagene Variante (Auflösung von Osterholz/Verden und Diepholz/Nienburg) umgesetzt würde. Dann würden vier Wahlkreise im Osten geschützt, obwohl sie allesamt den Bevölkerungsdurchschnitt um mehr als 15 Prozent unterschreiten. Im Westen lägen dann hingegen fünf Wahlkreise, die zwischen 7,3 und 13,5 Prozent über dem Bevölkerungsdurchschnitt rangieren. „Damit wäre das Land faktisch geteilt zwischen Wahlbürgern im Osten, deren Stimmen überdurchschnittlichen Einfluss haben, und solche im Westen, die drastisch geringeren Einfluss hätten“, sagt Middelberg mit Blick auf die Direktmandate und schlussfolgert: „Der Westen des Landes wäre eklatant schwächer im Bundestag vertreten als der Osten.“
Dieser Artikel erschien am 14.11.2022 in der Ausgabe #201.
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