Cannabis-Legalisierung löst sich in Rauch auf
Die wenigen Demonstranten vor dem Landtag fielen kaum auf. Nicht einmal ein Dutzend Anhänger von Grüner Jugend und Piratenpartei hatten sich vor dem Parlament postiert. Ein Teilnehmer hatte sich als überdimensionaler Joint verkleidet. Zwischen den Bühnen der Fete de la Musique in Hannover und einer DGB-Kundgebung, bei der unter anderem die Wiedereinführung des Weihnachtsgeldes im öffentlichen Dienst gefordert wurde, konnte man die Demonstranten aber glatt übersehen. Ein Abgeordneter wunderte sich über die Piraten vor dem Landtag. „Ich wusste gar nicht, dass es die noch gibt“, staunte er.
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Die Diskussion über eine Legalisierung von Cannabis gibt es derweil auch noch, und das bereits seit vielen Jahren. Die gemeinsame Forderung bringt jetzt zwei Fraktionen zusammen, die zaghaft versuchen, erste Gemeinsamkeiten auszuloten: Grüne und FDP. „Wir streben die Entkriminalisierung an, weil wir sehen, dass die Prohibitions- und Kriminalisierungspolitik gegenüber Cannabis gescheitert ist“, sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Stefan Birkner im Landtag. Strafrechtliche Sanktionen müssten aufgrund des Eingriffs in die Grundrechte gerechtfertigt werden.
Birkner hält den Eingriff nicht für verhältnismäßig. Er wolle das Gefährdungs- und Suchtpotenzial nicht negieren, sagte Birkner, aber es sei mit anderen legal erwerbbaren Drogen durchaus vergleichbar. Justizministerin Barbara Havliza beteiligte sich wie die gesamte Landesregierung nicht an der Debatte, verfolgte Birkners Rede aber aufmerksam. Schöpfte sie vielleicht Verdacht? „Frau Havliza, Sie brauchen mich gar nicht so anzuschauen: Ich gehöre nicht zu denjenigen, die das konsumieren“, sagte Birkner in Richtung der Regierungsbank. Es lasse sich allerdings nicht leugnen, dass es eine gesellschaftliche Akzeptanz für das Rauschmittel gebe.
Piel verweist auf Kanada
„Gekifft wird sowieso, ob wir das wollen, oder nicht“, so sagte es die Grünen-Fraktionsvorsitzende Anja Piel in ihrer Rede, nachdem sie zum Rednerpult gehumpelt war. Ausgerechnet direkt vor der gemeinsamen Pressekonferenz mit der FDP zum Cannabis-Antrag vor gut einer Woche hatte sie sich vor dem Raum mit den wartenden Journalisten einen Bänderriss zugezogen. „Der Konsum von Cannabis ist gesellschaftliche Realität. Daran ändert das Verbot überhaupt nichts“, sagte Piel und beklagte, dass es für Jugendliche oftmals einfacher sei an einen Joint als eine Flasche Alkohol zu kommen.
Piel erhofft sich, dass der Schwarzmarkt durch eine Legalisierung eingedämmt wird und hat damit dasselbe Ziel wie der kanadische Premierminister Justin Trudeau. „Bislang ist es für Jugendliche viel zu einfach gewesen, Marihuana zu bekommen – und für Kriminelle, die Gewinne einzustecken. Das wird sich nun ändern“, hatte Trudeau nach der Entscheidung des kanadischen Parlaments am Mittwoch getwittert.
Gekifft wird sowieso, ob wir das wollen, oder nicht.
Anja Piel, Fraktionsvorsitzende der Grünen
Doch SPD und CDU ließen sich nicht einmal von Zitaten des charmanten und eloquenten kanadischen Premiers umstimmen. Kein Wunder: Justin Trudeau ist Literaturwissenschaftler und Christos Pantazis ist Arzt. „Cannabis ist mitnichten eine harmlose Substanz“, machte der SPD-Landtagsabgeordnete deutlich und verwies auf die Langzeitschäden. „Es ist inzwischen wissenschaftlich fundiert belegt, dass abhängig von Alter, Dosierung und individueller Disposition unterschiedliche akute Folgeschäden durch den Konsum von Cannabis auftreten können.“ Ein kontrollierte modellhafte Freigabe zu Genusszwecken sei deshalb kritisch zu hinterfragen. Auf die Nachfrage von Birkner, warum denn dann die Restriktionen nicht auch für hochprozentige Alkoholika gelten würden, antwortete Pantazis: „Müssen wir, wenn wir Fehler gemacht haben, einen weiteren begehen?“
Wie viel darf ein 18-Jähriger denn pro Woche kiffen? Was haben Sie denn da vor?
Christian Fühner, CDU-Abgeordneter
Für den CDU-Politiker Christian Fühner ist das Modellprojekt von Grünen und FDP nicht zu Ende gedacht. „Wie viel darf ein 18-Jähriger denn pro Woche kiffen? Was haben Sie denn da vor?“, fragte Fühner. Gerade mit Blick auf junge Menschen habe man eine Verantwortung. Psychiater, Drogenbeauftrage und Elternverbände sähen eine Legalisierung von Cannabis kritisch und hätten große Sorgen. Hinzu käme, dass Apotheken auf den Verkauf von Cannabis gar nicht ausgelegt seien.
Auch die AfD hat keine Sympathie für den Antrag. Der Abgeordnete Stefan Bothe meinte, Grüne und FDP fielen den Eltern in den Rücken, die ihre Kinder von Drogen fern halten wollten. „Es ist blanker Hohn und gesellschaftspolitischer Wahnsinn, dass der Antrag unter dem Titel ‚Jugendliche schützen‘ steht“, so Bothe. Sobald etwas legalisiert sei, erwecke es den Anschein der Harmlosigkeit. Sinnvoller sei es, die Ausstattung von Polizei und Strafverfolgungsbehörden zu verbessern.
Die Debatte machte deutlich, dass auch in dieser Legislaturperiode nicht mit einer Legalisierung von Cannabis in Niedersachsen zu rechnen ist. Für Stefan Birkner ist das dennoch nicht das Ende der Gras-Geschichte. „In fünf bis zehn Jahren werden wir auch in Niedersachsen so weit sein“, zeigte sich der FDP-Fraktionsvorsitzende überzeugt. Man sehe die Entwicklungen in anderen Staaten. „Die Zeit wird das bringen.“ (MB.)