Bundestagswahl: SPD könnte zwei Drittel aller Wahlkreise gewinnen
Der Endspurt läuft, und im Lager der CDU heißt es, man spüre eine „Trendwende“ – immer mehr Anhänger, die mit dem Kanzlerkandidaten Armin Laschet erst gefremdelt hätten, würden inzwischen doch die Union wählen wollen. Sie würden eine rot-grüne Regierung, womöglich gestützt von der FDP, verhindern wollen. Bei der SPD zeigt man sich zuversichtlich, denn die Kampagne ist von Anfang bis Ende gut gelaufen, die Umfragen verheißen Gutes für die Sozialdemokraten.
Lars Klingbeil, Generalsekretär der SPD und Bundestagsabgeordneter aus dem Heidekreis, könnte mit einer Belohnung in Form eines neuen Amts rechnen. Wenn die bisherigen Umfragen sich auch beim Ergebnis am Sonntag abbilden sollten, können die Sozialdemokraten sich auf einen sensationellen Sieg auch in Niedersachsen einstellen. Mathematiker und Statistiker haben die Werte umgerechnet auf jeden der 30 niedersächsischen Wahlkreise. Bei der Bundestagswahl 2017 hatte die CDU 16 Wahlkreise erobert, die SPD 14, das Verhältnis der beiden war relativ ausgewogen.
Nach der Projektion der bisherigen Umfragen würde die CDU jetzt nur noch acht Wahlkreise gewinnen können, die SPD hingegen 22. Nicht nur der gesamte Süden des Landes wäre sozialdemokratisch dominiert, sondern auch weitere Teile im Westen – und auch im Norden. So würde der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Enak Ferlemann, seinen Heimatkreis Cuxhaven-Stade an Daniel Schneider von der SPD abtreten müssen. Ferlemann wäre allerdings über die Landesliste abgesichert.
Bundestagswahl 2021
Am 26. September 2021 ist die Bundestagswahl. Die Rundblick-Redaktion hat in den zurückliegenden Wochen zahlreiche Spitzenpolitiker getroffen und mit ihnen darüber gesprochen, wie sie Deutschland in Zukunft gestalten wollen. Unser umfangreiches Dossier zur Bundestagswahl (und zu den Stichwahlen in Niedersachsen) finden Sie hier.
Wie weit diese Liste zieht, dürfte am Wahlabend eine sehr spannende Frage sein, die jedoch erst spät beantwortet wird. Wegen des komplizierten Wahlrechts könnte es dann zu einer erheblichen Ausweitung der Zahl der Bundestagsabgeordneten kommen, wenn die CSU in Bayern ihre dortigen Wahlkreise hält und gleichzeitig laut Zweitstimmen keinen sehr hohen Anteil hat. Mit Ausgleichsmandaten müsste dann die Sitzzahl des Parlamentes so erweitert werden, dass das maßgebliche Verhältnis der Zweitstimmen wieder hergestellt wird. Inwieweit dieses System das Parlament „aufbläht“, ergibt sich aber erst ganz am Ende der Mandatsberechnung, womöglich nicht mehr am Sonntagabend.
Die CDU-Landesliste würde überraschend weit ziehen
Sollte der Effekt sehr deutlich eintreten, wäre das auch ein Segen für die Parteien in Niedersachsen. Nach statistischen Schätzungen würde die SPD dann 32 Mandate haben, also noch zehn Plätze von der Landesliste entsenden können. Der Bewerber aus Celle-Uelzen, Dirk-Ulrich Mende, könnten sich dann ebenso Hoffnungen machen wie etwa Silke Gardlo, Fraktionschefin der SPD in der hannoverschen Regionsversammlung. Die CDU könnte immerhin 21 Mandate beanspruchen, das würde auch für die beiden hannoverschen Kandidaten Maximilian Oppelt und Diana Rieck-Vogt reichen, die bei der Listenaufstellung Anfang Juni auf die Plätze 15 und 16 gesetzt wurden – und seinerzeit noch als „aussichtslos“ galten.
Die Grünen hätten 13 Plätze, könnten die Landtagsabgeordnete Susanne Menge gerade so noch ins Parlament bringen, die FDP hätte neun, die AfD acht und die Linke fünf Mandate aus Niedersachsen. In diesem Szenario könnte es auch das Linken-Urgestein Diether Dehm noch in den Bundestag schaffen. Auch er galt bei der Listenaufstellung Ende April noch als „Verlierer“.
Nach dieser Prognose, die jeweils die aktuellen Umfragedaten mathematisch verwertet, können also eigentlich alle Parteien noch halbwegs zufrieden sein. Das gilt für die CDU allerdings nur mit einer großen Einschränkung. Vier selbstbewusste CDU-Bundestagsabgeordnete müssten vermutlich aus dem Parlament ausscheiden, weil sie ihre Wahlkreise verlieren würden und auf der CDU-Landesliste nicht ausreichend abgesichert sind – das sind Andreas Mattfeldt aus Osterholz-Verden, Maik Beermann aus Schaumburg-Nienburg, Eckhard Pols aus Lüchow-Dannenberg-Lüneburg und Roy Kühne aus Northeim-Osterode.
Mitte April, als die Niedersachsen-CDU in einer Kreisvorsitzendenkonferenz ein Stimmungsbild ermittelte, dies zugunsten von Markus Söder als Kanzlerkandidat ausgefallen war und die Führungsspitze der Landes-CDU kurz darauf gleichwohl für Laschet stimmte, war die Unruhe in der Niedersachsen-CDU groß. Nicht wenige mutmaßen, bei einem ungünstigen Wahlausgang könne dieser Konflikt noch einmal thematisiert werden.