19. Feb. 2023 · 
Umwelt

BUND betont: Schnellere Windkraft-Planung ist gut, aber nur bei mehr Ausgleichsflächen

Der BUND in Niedersachsen, ein großer Natur- und Umweltschutzverband, begrüßt die Planungsbeschleunigung für den Bau neuer Windkraftanlagen. Dass die Verfahren schneller und einfacher werden sollen, könne wegen des übergeordneten Zieles auch von den Naturschützern nur begrüßt werden, sagt die BUND-Landesvorsitzende Susanne Gerstner dem Politikjournal Rundblick: „Der Ausbau der Windkraft dient der Abkehr von den fossilen Energieträgern, die die Klimakrise begünstigen. Daher ist das an sich ein wichtiges Ziel.“

BUND-Landesvorsitzende Susanne Gerstner wünscht sich mehr Photovoltaik-Anlagen auf Hausdächern. | Foto: Niklas Kleinwächter

Sie fügt aber hinzu, dass im Gegenzug auch das zweite große Ziel besonders gefördert werden müsse, nämlich der Schutz der natürlichen Artenvielfalt. Dies werde allerdings in den aktuellen Gesetzesänderungen auf Bundes- und auf europäischer Ebene vernachlässigt, indem beispielsweise auf Artenschutzprüfungen verzichtet werden soll. Der BUND fordert einen „Turbo“ bei der Entwicklung eines Netzes an Lebensräumen, um dem nach wie vor ungebremsten Artensterben entgegenzuwirken und stabile Populationen der heimischen Arten zu entwickeln. Diese seien Grundvoraussetzung dafür, dass unvermeidbare Eingriffe durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien aufgefangen werden könnten. Daher müssten in der Landesplanung und Raumordnung neben wertvollen Schutzgebieten auch Biotopverbundflächen, die bestehende Schutzgebiete ergänzen und miteinander vernetzen, verbindlich gesichert und geschützt werden. „Hier muss der Natur- und Artenschutz klaren Vorrang haben. Es muss sichergestellt werden, dass auf diesen Flächen keine Eingriffe stattfinden, also auch keine Windkraftanlagen gebaut werden können. Denn Windkraftanlagen können Vogel- und Fledermausarten, die dort leben, gefährden.“

Gerstner bezieht sich auf die geplanten Vorgaben der Landesregierung für ein „Windenergie-Beschleunigungsgesetz“ in Niedersachsen. Darin soll festgeschrieben werden, wieviel Prozent der jeweiligen Kreisfläche für den Bau neuer Windkraftanlagen ausgewiesen werden muss. Der bisher von Umweltminister Christian Meyer (Grüne) vorbereitete Vorschlag wird gegenwärtig mit den Kommunen erörtert, er soll dann später in ein Landesgesetz fließen. In den Regionalen Raumordnungsprogrammen (RROP) werden dann „Vorrangflächen für Windkraft“ definiert – das sind dann Flächen, auf denen später dann Anträge zum Bau einer Windkraftanlage bevorzugt gebaut werden können und auch sollen. Allerdings sei nach den bisherigen gesetzlichen Grundlagen nicht vorgesehen, dass auch diejenigen Gebiete klar definiert werden, auf denen im Gegenzug dann neue Windräder auf keinen Fall entstehen sollen. „Eine solche Ergänzung von Ausschlussflächen brauchen wir aber“, fügt Gerstner hinzu. Sie argumentiert so: Dass Windkraftanlagen in Naturschutzgebieten und Natura-2000-Gebieten tabu sein müssen, sei ja klar. Um aber gerade für kollisionsgefährdete Vogel- und Fledermausarten wie Seeadler oder Rotmilan sichere Lebensräume in der ansonsten intensiv genutzten Landschaft zu schaffen, müssen über die Schutzgebiete hinaus weitere Lebensräume einbezogen werden, also die sogenannten „Biotopverbünde“ entstehen. Im niedersächsischen Naturschutzgesetz sei vorgegeben, dass 15 Prozent der Fläche in Niedersachsen für solche Biotopverbünde nötig seien, die Ziele der EU gehen noch darüber hinaus. „Wir bleiben derzeit in Niedersachsen aber deutlich unter diesen 15 Prozent“, erklärt Gerstner. Zusätzlich müssten die im novellierten Bundesnaturschutzgesetz vorgesehenen Artenhilfsprogramme schnell vorangebracht werden.

Die Konzeption der BUND-Chefin sieht nun so aus, dass einerseits diese Lebensraum-Vernetzungen definiert, im Landesraumordnungsprogramm und in den Regionalen Raumordnungsprogrammen verbindlich festgelegt werden. Im nächsten Schritt müsse dann auch vorgeschrieben werden, dass diese Flächen für neue Windräder absolutes Tabu sind – sich der Ausbau der Windkraft also auf die Windkraft-Vorrangflächen konzentrieren soll. Wichtig sei daneben eine frühzeitige und wirksamere Klärung der Frage, ob ein bestimmtes, für den Windkraft-Ausbau vorgesehenes Gebiet auch tatsächlich für diesen Zweck genutzt werden kann. „Wenn im Nahbereich kollisionsgefährdete Arten wie Rotmilan oder Seeadler brüten, scheidet die Fläche für neue Windräder aus, da das Tötungs- oder Verletzungsrisiko dann als signifikant erhöht gilt. Allerdings liegen in Niedersachsen zu wenige oder stark veraltete Daten über das Vorkommen der Arten vor – oft sind die Daten für die Vorhabensträger dann auch nicht verfügbar gewesen“, erklärt Gerstner. Deshalb komme es sehr stark darauf an, die Kartierung der Flächen schnell und gründlich vorzunehmen, sie regelmäßig zu überprüfen und zu aktualisieren. Dabei könnten neben der Fachbehörde ehrenamtliche Naturschutzschützer einbezogen werden und die Daten auf digitalen Plattformen zusammengeführt werden.

Kritik an zu viel Freiflächen-Photovoltaik: Die BUND-Vorsitzende bemängelt, dass bei der von der Landesregierung geplanten Offensive für mehr Solaranlagen die sogenannten Freiflächen-PV-Systeme bevorzugt werden. Diese seien billiger und oft einfacher zu errichten – sie würden aber Flächen versiegeln und könnten je nach Standort die Natur beeinträchtigen - im Gegensatz zu Photovoltaik-Anlagen auf Hausdächern. „Deshalb muss vorrangig der PV-Ausbau auf den Hausdächern und versiegelten Flächen verstärkt werden“, sagt Gerstner.

Keine Beschleunigung von Straßenneubauten: Sehr kritisch steht Gerstner den Forderungen vor allem aus den Reihen der CDU und der FDP gegenüber, die Planung und den Bau auch von Straßen und anderen Infrastruktureinrichtungen zu beschleunigen. „Planungsbeschleunigungen sind nur vertretbar für Projekte, die den Klimawandel aufhalten sollen“, sagt Gerstner. Damit meint sie neben Windkraftanlagen und anderen Projekten der Erneuerbaren Energien auch den naturverträglichen Ausbau von Schienenwegen oder auch die Sanierung maroder Straßenbrücken.

Dieser Artikel erschien am 20.2.2023 in Ausgabe #031.

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