10. Juni 2020 · 
Inneres

Bürgerentscheid in Lüneburg: Gewerbegebiet statt Flugplatz?

In der Hansestadt Lüneburg steht am kommenden Sonntag ein Bürgerentscheid bevor, dessen Bedeutung über die eigentliche Frage weit hinaus geht. Es geht darum, ob der Flugplatz in der Stadt, der einst von der Wehrmacht im „Dritten Reich“ geschaffen wurde, aufgegeben und in ein Gewerbegebiet umgewandelt wird. Der Oberbürgermeister Ulrich Mädge (SPD) befürwortet diese Idee – der Rat ist ihm gefolgt und hat 2014 einen entsprechenden Beschluss gefasst, den Pachtvertrag mit einem Luftsportverein nicht zu verlängern. Doch daraufhin meldeten sich in diesem Verein Kritiker, sammelten Unterschriften und erzwangen einen Bürgerentscheid. Ganz viele Argumente führen die Befürworter an: Kleinflugzeuge könnten die Stadt und ihre touristischen Ziele gut erreichen, außerdem sei von Vorteil, dass dort Rettungs- und beispielsweise Feuerlöschflugzeuge starten und landen könnten. Der Luftsportverein, der hier 48 Luftfahrzeuge stationiert hat, brauche diesen Standort. Nicht zuletzt seien die großen Freiflächen, die als Luftschneisen nötig sind, bioklimatisch wertvoll für das Stadtklima. Hier sei ein Biotop für Vögel und Insekten entstanden.

Merkwürdigen Methoden bei Unterschriftensammlung?

Doch diese Darstellung erntet nun nicht nur in der Sache Kritik. Auch an der Form der Auseinandersetzung reiben sich viele in der Stadt. Es sind gegenwärtig die AfD, Teile der Linken und Teile der FDP, die sich auf die Seite der Flugplatz-Befürworter gestellt haben. Im Rat standen SPD, CDU und Grüne bisher zu dem damaligen Ratsbeschluss. Erzählt wird, dass zwischen der Stadtverwaltung und dem Luftsportverein vor Jahren zunächst Einvernehmen geherrscht habe: Der Verein sollte umziehen, der Vorstand soll einverstanden gewesen sein, der Feuerwehr-Flugdienst würde ins 30 Kilometer entfernte Uelzen ausweichen. Vorgesehen war, dass das Gelände bis Oktober dieses Jahres geräumt werden soll. Doch dann schwenkte der Verein um, wollte den Platz erhalten und sah als Chance das Plebiszit. https://www.youtube.com/watch?v=4lXeBr8TLeM Nun gibt es Berichte, dass die Sammlung der Unterschriften (in der ersten Stufe mussten knapp 6000 zustande kommen) mit merkwürdigen Methoden geschehen sei. So seien Menschen vor Supermärkten regelrecht gedrängt worden, sich zu beteiligen. Die Organisatoren weisen das als unzutreffende Anschuldigung zurück. Oberbürgermeister Ulrich Mädge berichtet auf Rundblick-Anfrage, dass er eine „emotionalisierte Stimmung“ in Lüneburg feststelle. So sei er persönlich attackiert worden, da es ihm angeblich nur um Eigeninteressen gehe. Der OB wohnt im angrenzenden Stadtteil.

Gefährdung durch Unfälle sei nicht auszuschließen

Mädge argumentiert auch mit der Sicherheit: Der Flugplatz werde vornehmlich von älteren Hobby-Fliegern genutzt, ringsum lebten 24.000 Menschen in Wohngebieten, es gebe zehn Kindergärten und Schulen. Eine Bundeswehrkaserne mit einem Munitionslager liege nebenan. Da Flugunfälle häufig bei Starts und Landungen geschähen, sei eine Gefährdung an diesem Ort nicht auszuschließen. Die Frage beim Bürgerentscheid lautet nun, ob der Pachtvertrag mit dem Luftverkehrsverein um weitere 15 Jahre verlängert werden soll. https://www.youtube.com/watch?v=iDmtc7F7tNg Erfolgreich wäre das Plebiszit dann, wenn mehr als die die Hälfte der Abstimmenden mit Ja votieren – und diese Ja-Stimmen mindestens 20 Prozent der wahlberechtigten Lüneburger ausmachen. Es müssten also mindestens 11.846 Ja-Stimmen abgegeben werden. 6000 Briefwahl-Unterlagen wurden bisher angefordert, 4500 sind schon zurückgeschickt worden. Außerdem öffnen am Sonntag auch die Wahllokale für jene, die direkt abstimmen wollen. Sollte der Bürgerentscheid erfolgreich sein, deutet sich der nächste Konflikt bereits an. Die Höhe der Pacht wäre dann nämlich nicht festgeschrieben. Bisher beträgt diese 15.000 Euro im Jahr – sie müsste wohl, wenn der Vertrag um 15 Jahre verlängert werden soll, nach den aktuellen Bodenrichtwerten angehoben werden.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #109.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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