13. Juni 2023 · 
Kommunales

Bürger in Goslar warnen ihren Rat vor dem Bau einer teuren neuen Stadthalle

Erst kürzlich veröffentlichte der Verein „Mehr Demokratie e.V.“ eine Bilanz, die nicht freundlich klingt. Was die kommunalen Bürgerbegehren angeht, ist Niedersachsen höchst unterdurchschnittlich. Weniger als ein Drittel dieser Initiativen münde tatsächlich in einen Bürgerentscheid, während es bundesweit mehr als 40 Prozent sind. Die formalen Hürden seien eben zu hoch. Just in diesen Tagen aber schickt sich eine Bürgergruppe in Goslar an, ein großes Diskussionsthema der Kommunalpolitik zum Gegenstand einer breit angelegten Unterschriftensammlung zu machen.

Detlef Vollheyde und Anke Berkes überreichen Goslars Oberbürgermeisterin Urte Schwerdtner (rechts) die Positionspapiere zur Stadthalle. | Foto: privat

Die Gruppe, geleitet vom Bio-Bauern Detlef Vollheyde und von der Grünen-Ratsfrau Anke Berkes, begehrt auf gegen Pläne zum Neubau einer Stadthalle in der Nähe der historischen Kaiserpfalz – auf einem ehemaligen Gelände des Bundesgrenzschutzes, das seit einiger Zeit der Stadt gehört. Das Besondere ist nun, dass sich die Initiative nicht gegen den Bau an sich wendet, sondern nur gegen bisherige Überlegungen, einen städtischen Anteil in Höhe von rund 13,9 Millionen Euro zuzusteuern. „Das können wir uns nicht leisten, das ist für eine Stadt wie Goslar zu hoch“, sagt Vollheyde.

Man kennt Bürgerinitiativen, die sich mit Vehemenz gegen bestimmte von den kommunalen Gremien geplante Bauvorhaben wenden – gegen eine Straße, gegen den Abriss eines Baudenkmals, gegen Prestigeprojekte. Beliebt waren solche Vorstöße lange Zeit auch, wenn es um die vorgesehene Schließung eines lokalen Krankenhauses ging, wobei dieser Bereich nach einer Gesetzesreform inzwischen für Plebiszite tabu ist. In Nordhorn richtete sich ein Bürgerbegehren gegen den Neubau einer Eissporthalle, in Ostfriesland ging es um Grundschulstandorte. Das früher häufig verbreitete Vorurteil, die Urheber von Plebisziten wollten im Grunde teure und unwirtschaftliche Projekte durchsetzen, während der Rat vernünftige Positionen vertritt, bewahrheitet sich in der Praxis sehr oft nicht.

Dafür steht auch das aktuelle Beispiel in Goslar: Die Bürgerinitiative schwingt sich hier auf, die Ratspolitiker zur Sparsamkeit und Zurückhaltung zu ermahnen. Das geschieht nun zu einem Zeitpunkt, an dem weder bereits Verträge unterschrieben, Bebauungspläne geändert noch andere rechtliche Grundlagen geschaffen worden sind. „Und wir spüren bereits, dass unser Vorgehen wirkt“, sagt Vollheyde im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Die Oberbürgermeisterin Urte Schwerdtner (SPD) habe Kontakt zur Landesregierung aufgenommen und versuche, eine Landesförderung für das Projekt zu erhalten.

Die Vorgespräche sehen so aus: Der Goslarer Ehrenbürger Hans-Joachim Tessner, einst Inhaber von „Möbel-Unger“, will auf dem Gelände eine Stadthalle und ein Hotel errichten. Schon seit Jahren ziehen sich die Überlegungen hin, in jüngster Zeit scheinen die Gespräche ins Stocken geraten zu sein – zumal auch eine Preissteigerung zu Buche schlägt. Die Bürgerinitiative hat jetzt Flyer an die Haushalte verteilt und wirbt darin zunächst einmal, sich für das Bürgerbegehren einzusetzen, folglich den hohen Stadtzuschuss für die Stadthalle abzulehnen.

Ehrenbürger der Stadt Goslar: Hans-Joachim Tessner. | Foto: Stadt Goslar

Auf einer Website haben sich auch schon mehrere Unterstützer mit mehr oder weniger langen Beiträgen zu Wort gemeldet. Wenn das Bürgerbegehren dann tatsächlich starten sollte, müssten binnen sechs Monaten zehn Prozent der wahlberechtigten Goslarer, also rund 4100 Bürger, das Anliegen unterzeichnet haben. Wird dieses Quorum erreicht, so findet über die Frage ein Bürgerentscheid statt. Der kann dann nur abgewendet werden, wenn sich der Rat das Anliegen zu eigen macht.

Die Initiatoren des Bürgerbegehrens haben in Goslar bereits Flyer verteilt. | Foto: privat

In dem Flyer weist die Bürgerinitiative noch auf einige Argumente hin: Die Folgekosten eines Stadthallenbetriebes mit rund 500.000 Euro jährlich seien zu hoch. Der Parkplatz vor der Kaiserpfalz müsse bei dem Bauvorhaben wegfallen – das führe zu städtischen Mindereinnahmen von 250.000 Euro jährlich. Eingriffe in die sensible Stadtnatur seien auch zu erwarten. Vollheyde fügt noch einige Hinweise hinzu: Im Goslarer Stadtteil Hahnenklee stehe das Kurhaus leer, in Bad Harzburg sei das alte Kurhaus abgerissen worden. Das zeige, wie doch gering der Bedarf an solchen großen Versammlungsstätten in der Region sei.

Dieser Artikel erschien am 14.6.2023 in Ausgabe #108.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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