Innenminister Boris Pistorius (SPD) hat am Montag in einer lange gärenden Frage Fakten geschaffen, das Kabinett billigte eine wichtige Personalentscheidung: Axel Brockmann (53), bislang Referatsleiter für Kriminalitätsbekämpfung im Innenministerium, wird neuer Landespolizeipräsident. Damit ist er künftig der höchste zivile Polizist in Niedersachsen. Sein Vorgänger Uwe Binias (61) ist ebenfalls gestern in den einstweiligen Ruhestand verabschiedet worden. So sehr die Auswahl von Brockmann bei der Polizei, in der Ministerialverwaltung und im Landtag auf Zustimmung stößt, so kritikwürdig ist allerdings der Umgang mit Binias. Die Entlassung in den einstweiligen Ruhestand ist normalerweise vorgesehen für Fälle, in denen das Vertrauen zwischen der Landesregierung und dem politischen Beamten gestört ist. Nun hatte Binias zwar wenige Tage vor der Landtagswahl mit seiner bisherigen Partei, der CDU, öffentlich gebrochen, ebenso mit der FDP. Nicht ungewöhnlich wäre es gewesen, dass beide Parteien ihm anschließend, nach der Bildung der neuen Landesregierung, das Vertrauen entzogen hätten. Es geschah aber das Gegenteil. Sowohl Uwe Schünemann (CDU) als auch Jan-Christoph Oetjen (FDP) versicherten gegenüber dem Politikjournal Rundblick, dass sie ausdrücklich weiter mit ihm zusammenarbeiten wollen. Dass gegenüber SPD und Grünen eine Vertrauensstörung bestünde, stand ohnehin nie in Rede. Damit fehlte und fehlt bis heute die sachliche Begründung für den einstweiligen Ruhestand von Binias.

Versorgungsabschlag von 8,4 Prozent

Es waren schon im vergangenen Herbst Mutmaßungen laut geworden, Binias habe seine Angriffe auf die CDU im Oktober 2017 nur gestartet, um einen Vorwand für eine Entlassung zu liefern. Mit dem einstweiligen Ruhestand sichert er sich nämlich die maximal möglichen Versorgungsbezüge: Drei Jahre lang bekommt er ein Übergangsgeld von 71,75 Prozent seiner B6-Bezüge (9106 Euro monatlich brutto), danach könnte er in den normalen Ruhestand wechseln. Hätte er den üblichen Weg für Beamte gewählt, die auf eigenen Wunsch gehen wollen, so hätte er als Schwerbehinderter einen Versorgungsabschlag von 8,4 Prozent hinnehmen müssen. Das hätte dauerhaft einen finanziellen Nachteil für ihn von rund 550 Euro monatlich bedeutet, berechnete der Beamtenbund im vergangenen Herbst. Der Beamtenbund riet ihm damals, selbst einen Antrag auf vorzeitiges Ausscheiden aus dem Dienst zu stellen – um Vermutungen zu entkräften, er habe mit Minister Pistorius „einen Deal“ geschlossen. Bei der hohen Besoldungsstufe dürften ihm die damit verbundenen Einbußen „nicht weh tun“. Diesem Hinweis folgte Binias seinerzeit nicht, das Kabinett billigt jetzt mit dem Ja zum einstweiligen Ruhestand einen Weg, dessen nähere Begründung fragwürdig ist. Als vor 17 Jahren dem damaligen Verfassungsschutzpräsidenten Rolf-Peter Minnier ein ähnliches Versorgungsgeschenk überreicht worden war, hatte es im Landtag einen Sturm der Entrüstung gegeben.

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Unterdessen ist Brockmanns Benennung die Krönung einer interessanten Polizeikarriere. Brockmann stammt aus Wunstorf (Region Hannover), studierte an der Fachhochschule für Verwaltung und an der Polizeiführungsakademie, war Dezernatsleiter im Landeskriminalamt, Referent im Innenministerium und dann Abteilungsleiter beim LKA. 2011 berief ihn Innenminister Uwe Schünemann zum hannoverschen Polizeipräsidenten. Nach dem Regierungswechsel 2013 machte der neue Minister Pistorius diese Entscheidung rückgängig, Brockmann kehrte auf seinen alten Posten im Ministerium zurück, das Vertrauensverhältnis der beiden litt aber nicht darunter. 2014 kandidierte Brockmann als CDU-Bewerber für das Amt des Regionspräsidenten in Hannover, unterlag aber in der Stichwahl gegen Hauke Jagau (SPD). In den vergangenen Monaten war immer wieder spekuliert worden, Brockmann könne Nachfolger von LKA-Präsident Uwe Kolmey werden. Pistorius jedoch hatte für ihn höhere Pläne, nun rückt er ganz an die Spitze der Polizei.

Ring leitet Amt kommissarisch

Wer nun neuer LKA-Präsident wird, ließ Pistorius gestern offen. Nach Kolmeys Abschied in zwei Wochen wird zunächst LKA-Vizepräsident Thomas Ring das Amt kommissarisch leiten. Spekuliert wird, dass irgendwann der Braunschweiger Polizeipräsident Michael Pientka neuer LKA-Präsident werden könnte, im Gegenzug könnte Ring dann auf Pientkas bisherige Stelle befördert werden. Eilig scheint es der Innenminister mit dieser Veränderung aber nicht zu haben.