Der Entwurf für eine Reform des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes (NGG) stößt auf heftige Kritik von Verbänden und Organisationen. Die rot-grüne Landesregierung hatte ihr Konzept mehreren Institutionen zur Stellungnahme übersandt. Wenn alle Erwiderungen eingegangen sind und das Kabinett erneut darüber beraten hat, soll sich der Landtag mit dem Thema befassen. Geplant sind im Entwurf aus dem Haus von Sozialminister Andreas Philippi (SPD) mehrere Verschärfungen der bisher geltenden Regeln. So soll künftig, wenn es auf eine Stelle mehrere Bewerber gibt, bei gleicher Befähigung, Eignung und Leistung die weibliche Bewerberin den Vorrang genießen. Bislang war vorgesehen, dass in solchen Fällen gleich viele Frauen und Männer zum Auswahlgespräch eingeladen werden müssen. Der neue Entwurf verlangt zudem mehr Ausschreibungen von Stellen. Sollten sich in Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, keine Frauen bewerben, soll die Gleichstellungsbeauftragte der Dienststelle eine Wiederholung der Ausschreibung verlangen können. Vorgesehen ist nach dem ersten Entwurf weiterhin, dass Einheiten mit mehr als 50 Beschäftigten sogenannte „Gleichstellungspläne“ aufstellen müssen – also in regelmäßigen Abständen ihre Strategie beschreiben müssen, wie sie die Unterrepräsentanz von Frauen ausgleichen wollen.

Die kommunalen Spitzenverbände hatten die Vorschläge als bürokratisch und unpraktikabel bezeichnet (RB vom 23. August). Inzwischen liegen weitere Stellungnahmen vor. So wendet sich die IHK Niedersachsen gegen den Plan, auch die Kammern den neuen Regeln zu unterwerfen. Mit dem Entwurf werde die Selbstverwaltung der Wirtschaft beeinträchtigt. Das gelte auch für das Recht der Vollversammlungen, eigene Leitlinien für die Personalentwicklung festzulegen. Ein „erheblicher Bürokratieaufwand“ sei zu befürchten, wenn man Gleichstellungspläne aufstellen und Gleichstellungsbeauftragte berufen müsse. In fünf Bundesländern seien daher heute schon die IHKs von den Landes-Gleichberechtigungsgesetzen ausgenommen worden. Unklar sei zudem noch, ob die geforderte Geschlechter-Parität in den Gremien auch für Vollversammlungen, Beiräte oder Ausschüsse der IHK gelten soll – also Gremien, die von den demokratisch bestimmten IHK-Versammlungen gewählt werden.

LWK-Direktor Bernd von Garmissen sieht den NGG-Entwurf kritisch. | Foto: LWK Niedersachsen/Wolfgang Ehrecke

Wie die IHK verweist auch die Landwirtschaftskammer darauf, dass man die Grundsätze des Gesetzes, die Frauenförderung, begrüße. Nötig sei die schärfere gesetzliche Vorgabe aber nicht, da man in den vergangenen Jahren schon viele Fortschritte erzielt habe. Daher sollten Selbstverwaltungskörperschaften der Wirtschaft von der Vorgabe ausgenommen werden. Das gelte umso mehr, als mit den Vorschlägen aus dem Sozialministerium neue Bürokratie drohe. Der Plan, die Gleichstellungsbeauftragte stärker als bisher an Personalmaßnahmen in der Kammer zu beteiligen und sie dafür in großem Umfang von anderen Aufgaben freizustellen, verursache erhebliche zusätzliche Kosten. Das könne bis zu 150.000 Euro jährlich an Mehraufwand bedeuten. Kammerdirektor Bernd von Garmissen schlussfolgert: „Der Entwurf ist ein eklatantes Beispiel für überbordende Bürokratie, die gerade in Zeiten des Fachkräftemangels und des demographischen Wandels für die Personalverwaltung inhaltlich, finanziell und personell eine sehr große Belastung darstellen würde.“ Die Landesvertretung der Handwerkskammern verweist darauf, dass die Gleichstellungsbeauftragten sehr viel mehr Rechte bei Personalentscheidungen der Kammern haben sollen. Dazu heißt es dann: „Uns wurde im Februar 2024 zugesichert, keine weiteren bürokratischen Maßnahmen aufzubauen. Wir setzen auf diese Zusage und bitten darum, die Kammern aus dem Anwendungsbereich zu nehmen.“

Der „Verband Deutscher Verkehrsunternehmen“ für Niedersachsen und Bremen hegt die Befürchtung, die Verkehrsunternehmen im öffentlichen Bereich könnten einen Wettbewerbsnachteil erleiden. Wenn sie künftig die Regeln des NGG anwenden müssten, würden sie schlechter gestellt als private Verkehrsunternehmen, die solchen Auflagen nicht unterliegen.