16. Okt. 2025 · 
TagesKolumne

Boris Pistorius hat recht

Die Bundeswehr sei doch keine Lotterie, spotten die Grünen über das angedachte Losverfahren. Doch Pistorius hält den Kurs. Recht so, sagt die TagesKolumne.

Es soll zum Knall gekommen sein in der Sitzung der SPD-Bundestagsfraktion am vergangenen Dienstag. Die „Bild“ berichtet das – und die Kollegen haben meistens gute Quellen. Im Zentrum eines heftigen Streits sollen zwei Mitglieder der niedersächsischen SPD-Landesgruppe gestanden haben, Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (Wahlkreis Hannover-Stadt II) und SPD-Fraktionsvize Siemtje Möller (Wahlkreis Friesland, die Heimat des Ministerpräsidenten). Es ging um die Wehrpflicht. Genauer: Um die Frage, was man tun soll, wenn der Appell zur „Freiwilligkeit“ nicht genügend junge Leute mobilisiert, Soldat werden zu wollen. Rund 60.000 zusätzliche Soldaten hat die Bundeswehr nämlich nötig.

Boris Pistorius. | Foto: Link

Siemtje Möller soll zu denen gehört haben, die mit dem Koalitionspartner CDU/CSU verhandelt haben. Das Ergebnis lautet: Wenn die Freiwilligen nicht reichen, soll aus den jungen Männern eines Jahrgangs eben ausgelost werden, wer noch „gezogen wird“. „Die Bundeswehr ist doch keine Lotterie“, spotteten daraufhin die Grünen. In der Fraktionssitzung der SPD soll Pistorius dann losgepoltert haben, und zwar sehr heftig. Er sei nicht eingebunden gewesen in die Gespräche, die unter anderem Möller führte. Wer will, mag darin auch eine Kritik an SPD-Bundestagsfraktionschef Matthias Miersch (Wahlkreis Hannover-Land II) erkennen – denn der hatte das Resultat der Gespräche mit der Union, von dem sich Pistorius überrascht zeigte, abgenickt. Ein Wutausbruch von Pistorius, eine schweigende Möller, die vorzeitig den Raum verlassen haben soll, und nach außen der Eindruck eines Koalitionsstreits, der in Wahrheit ein SPD-Streit ist.

Siemtje Möller | Foto: Bundeswehr/Tom Twardy

Hand aufs Herz: In Niedersachsen und vor allem in Hannover kennt man Pistorius und weiß, dass er auch mal aus der Haut fahren kann. Früher, als Landes-Innenminister, hat er mit seinem Temperament oft eigene Versäumnisse zu überdecken versucht. Hier aber liegt die Sache doch wohl so, dass Pistorius recht hat. Es ging ihm nur vordergründig um die Frage, wie im Fall der Fälle die fehlenden Soldaten „gezogen“ werden – über eine Musterung, die jeder junge Mann über sich ergehen lassen muss, oder über ein Los, das im Ergebnis den Aufwand für die Musterung vermindert. Natürlich stimmt es, dass eine Pflicht-Musterung ein erheblicher finanzieller Kraftakt ist, angefangen vom Aufbau von Kreiswehrersatzämtern bis hin zur Anstellung von Ärzten, von denen es in Deutschland jetzt schon viel zu wenige gibt. Auch der finanzielle Aspekt mag bei einigen Musterungs-Gegnern in der SPD eine Rolle spielen.

Die eigentlichen Auslöser des Gefühlsausbruchs von Pistorius aber dürften die Genossen gewesen sein, die den ganzen Aufwand für die Verteidigung für übertrieben halten, von der Wehrpflicht nie viel gehalten haben, die Rüstungsindustrie überaus skeptisch beurteilen und immer noch nicht glauben wollen, dass von Putin die wahre Bedrohung der Demokratie ausgeht. Von diesen Genossen gibt es sehr viele, gegen sie hat Pistorius schon vor drei Wochen auf dem hannoverschen SPD-Bezirksparteitag einen flammenden Appell gerichtet. Diese Parteifreunde wird der Minister jetzt vor Augen gehabt haben, als er in der SPD-Fraktionssitzung seinem Zorn freien Raum ließ.

Per Los zum Wehrdienst? Es wird nun Zeit für die Regierung und für die Koalition in Berlin, endlich den Ernst der Lage zu erkennen und die ganze Kraft in die Stärkung unserer Abwehrbereitschaft zu stecken. Wenn der Cyber-Krieg der Russen und Chinesen erst in eine neue Phase eskaliert, kann es rasch zu spät sein. Daher von dieser Stelle ein Gruß an Pistorius: Weiter so, Boris! Der Weg ist richtig!

Das Politikjournal Rundblick befasst sich heute mit diesen Themen:

  • Neues aus der Wissenschaft: Die Konferenz der Hochschulminister hat getagt – und sich mit der Frage beschäftigt, wie die vielen Milliarden Euro des Bundes am besten in die Sanierung der Universitäten fließen können.


  • Neues vom Finanzminister: Gerald Heere kämpft für strengere Regeln für das Abkassieren in Gaststätten. Im Bundesrat wird er dazu am Freitag persönlich sprechen.


  • Neues von der Elternarbeit: Eine Studie klärt auf, warum sich manche Eltern in der Schule ihrer Kinder engagieren, andere hingegen nicht.


  • Neues aus Politik und Verwaltung: Personalien zu Olaf Lies, Christian Budde und Marcus Cording.

Verteidigungsminister Boris Pistorius hat gestern Kampfjets der Bundeswehr für Nato-Schutzflüge nach Polen geschickt. Vielleicht beeindruckt das ja jene, die Deutschland immer noch für eine unangreifbare Insel der Friedfertigkeit halten.

Ich wünsche Ihnen einen entspannten Tag,

Klaus Wallbaum

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #182.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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