Die Vorbereitungen auf die Europawahl 2024 laufen allmählich an. Das Politikjournal Rundblick befragt einige Europaabgeordnete nach ihren Einschätzungen und Erwartungen. Niklas Kleinwächter hat mit Tiemo Wölken (SPD) aus Osnabrück gesprochen.

Tiemo Wölken | Foto: Lada

Noch mehr als 100 Gesetzesinitiativen sollen bis zum Frühjahr vom EU-Parlament verhandelt werden und Tiemo Wölken will deshalb noch gar nicht an den bevorstehenden Wahlkampf denken, sondern Entscheidungen vorbereiten. Doch die ersten Ausläufer des derberen politischen Wettstreits waren kurz vor der Sommerpause auch im sonst eher ruhigen Straßburg zu spüren. Denn beim sogenannten „Renaturierungsgesetz“ habe die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP), zu der auch CDU und CSU zählen, bereits vollkommen auf Wahlkampf gesetzt und eine Fundamentalopposition ausgerechnet zu Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (ebenfalls CDU) aufgebaut, erzählt Wölken. Eine späte Rache von Manfred Weber, dem heutigen EVP-Chef, der eigentlich statt von der Leyen 2019 die Führung der wichtigen EU-Behörde übernehmen wollte? „Man sieht es an mehreren Stellen, dass die EVP-Fraktion aktiv gegen die von Ursula von der Leyen geführte Koalition vorgeht“, sagt Tiemo Wölken im Politiknerds-Podcast.

„Dass ein Stück Missgunst dabei war, könnte sein.“ Insbesondere in einem System wie der EU, das auf wiederkehrende Mehrheitsbildung ausgelegt ist, seien solche Konfrontationen herausfordernd. Allerdings habe man trotz der nun wieder aufkeimenden Querelen in den vergangenen Jahren in der EU auch vieles umsetzen können, ist Wölken wichtig zu betonen: neue Regeln für Digitalkonzerne, das Klimagesetz, und auch durch die Corona-Pandemie habe man Europa gut geleitet.

„Slapp-Klagen“ sollen Journalisten einschüchtern

Ganz besonders stolz ist der rechtspolitische Sprecher der Europa-SPD auf eine Gesetzesinitiative, die vom EU-Parlament noch in der letzten Woche vor der Sommerpause parlamentarisch mit großer Mehrheit angenommen wurde: eine Initiative zum Schutz von Journalisten und Nichtregierungsorganisationen vor sogenannten „Slapp-Klagen“. Hinter dem Akronym, das wörtlich übersetzt so viel wie „Ohrfeige“ oder „Klatsche“ heißt, steckt die Langform „strategic lawsuit against public participation“ oder zu Deutsch: strategische Klagen gegen die öffentliche Beteiligung.


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„Dabei handelt es sich um Klagen, die von mächtigen, reichen Menschen oder Unternehmen gegen Journalisten oder Nichtregierungsorganisationen geführt werden, um diese mundtot zu machen“, erklärt Wölken im Podcast-Gespräch. Dabei gehe es nicht unbedingt darum, die Klagen tatsächlich zu gewinnen, sondern die finanziellen, zeitlichen und mentalen Ressourcen der Beklagten aufzuzehren. „Wir wollen, dass die Betroffenen vor Gericht einwenden können, dass es sich um eine strategische Klage handelt, mit dem Ziel eingeschüchtert oder mundtot gemacht zu werden, weshalb diese Klage abgewiesen werden sollte.“

Wölken will Waffengleichheit herstellen

Am Ende wird die Entscheidung immer noch bei den Gerichten liegen, doch die EU will diesen Kriterien an die Hand geben, mit denen „Slapp-Klagen“ erkannt werden sollen – etwa, wenn immer wieder gegen denselben Berichtsgegenstand oder gegen ein und dieselbe Person in verschiedenen Ländern geklagt wird. „Es ist eine Gratwanderung, denn natürlich hat jeder Kläger das gute Recht, Rechtsschutz vor Gericht zu suchen, wenn er sich ungerecht behandelt fühlt. Natürlich gibt es auch Berichterstattung, die tendenziös ist oder in die Privatsphäre ungerechtfertigt eingreift, die Falschmitteilungen verbreitet.“


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Häufig seien es aber Personen oder Institutionen mit viel Geld, die insbesondere freischaffende Journalisten ohne starken Verlag im Hintergrund oder kleine Medienstartups in die Mangel nehmen wollten. Gegen diese „Waffenungleichheit“ will sich Wölken gemeinsam mit dem EU-Parlament auflehnen – auch zum Schutz der Demokratie: „Wenn über Mächtige nicht mehr berichtet wird, wenn es nur noch Youtube-Kanäle von Politikern gibt, dann fehlt kritischer Journalismus, dann fehlt das Auseinandernehmen von Argumenten und auch das Aufzeigen von Skandalen“, fürchtet der Sozialdemokrat.



Außerdem sprach Wölken im Politiknerds-Podcast über die Innovationsfähigkeit Europas, eine neue Idee zur Stärkung des Spitzenkandidaten-Prinzips bei der Europawahl, die EU-Gesetzgebung zur Künstlichen Intelligenz und seine größten Erfolge auf der Videoplattform Youtube.