„Bittere Ergebnisse“ – so nennt Wirtschaftsminister Olaf Lies das Fazit der Anwälte der Wirtschaftskanzlei PwC, die das Vergabeverfahren rund um den Fall Neoskop geprüft haben. Die Agentur Neoskop hatte im vergangenen Jahr für fast 200.000 Euro den Auftrag erhalten, eine neue Internetseite für das Standortmarketing zu erstellen. In dem Verfahren hatte es schwere Mängel gegeben. Heute wurden in Hannover die Ergebnisse der knapp 33.000 Euro teuren PwC-Prüfung präsentiert. Und es deuten sich bereits neue dunkle Wolken am Vergabehimmel im niedersächsischen Wirtschaftsministerium ab.

Olaf Lies (2.v.l.) bei der Vorstellung des PwC-Berichts zum Fall Neoskop – Foto: MB.

Die Vorfälle rund um die Neoskop-Vergabe bezeichnete der Wirtschaftsminister als „absolut inakzeptabel“. Die Vergabe sei geprägt von Fehlern. „Das ist bitter für unser Haus, und vor dem Haus steht der Minister“, sagte Lies. Der Rechtsanwalt Friedrich Ludwig Hausmann von der Kanzlei PwC sprach von schwerwiegenden vergaberechtlichen Mängeln. Erster entscheidender Fehler sei die starke Beteiligung von Neoskop im Vorfeld des Verfahrens gewesen. „Dadurch hatte die Agentur einen zeitlichen und informativen Vorsprung, der für die anderen Unternehmen nicht umfassend ausgeglichen wurde“, sagte Hausmann. Er sprach von einem „wesentlichen Vergabefehler, der eigentlich hätte vermieden werden müssen“. Es sei denkbar, dass andere Anbieter Schadenersatzansprüche geltend machten.

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Hausmann kritisierte auch das anschließende „optimierte Vermarktungskonzept“. Dabei hatte die Agentur weitere 26.000 Euro und der Internetkonzern Google 58.000 Euro erhalten, um die Website in der Suchmaschine entsprechend zu platzieren. „Das war nicht einfach eine Ausweitung des vorhandenen Auftrags“, so Hausmann. Auch hier hätte es wohl ein wettbewerbliches Verfahren geben müssen. Ergebnis des rund 84.000 Euro teuren optimierten Vermarktungskonzepts sind monatlich rund 14.000 Besucher auf der Internetseite.

Das Wirtschaftsministerium zieht aus den Vergabepannen nun Konsequenzen. Bis Ende kommender Woche soll es eine zentrale Vergabestelle im Wirtschaftsministerium geben. Lies verspricht sich von diesem Referat Z6 mit vier Mitarbeitern, dass Fehler in Vergabeverfahren in Zukunft besser vermieden werden können. Dazu müsse es auch eine Begleitung von Schulungen und Qualifizierungen geben. Ob es bisher systematische Vergabe-Schulungen von Mitarbeitern gegeben hat, konnten weder Lies noch Hausmann beantworten. „Jetzt muss man handeln und dafür sorgen, dass Fehler dieser Art nicht mehr auftreten können“, sagte Lies.

Man könne ähnliche Fälle mit einer solchen Vergabestelle in Zukunft besser in den Griff bekommen, meinte auch PwC-Anwalt Hausmann, weil es dann auch den Vorteil der Routine gebe. Sinnvoll sei auch, punktuell fachlichen und rechtlichen Sachverstand extern einzuholen. „Wir empfehlen zudem ein Handbuch, in dem interne Vergaberichtlinien und die wesentlichen Schritte dargestellt sind, sowie regelmäßige Schulungen im Ministerium.“ Zugleich sollte es auch eine Rotation der Mitarbeiter und ein Vier-Augen-Prinzip geben.

Bei der ebenfalls in die Schlagzeilen geratenen 7-Städte-Tour für Elektromobilität befürchtet der Wirtschaftsminister weitere Unregelmäßigkeiten. „Die erste Übersicht, die ich kenne, wirft viele Fragen nach der Rechtmäßigkeit einzelner Vergaben auf“, sagte Lies. Die Vorgänge hätten aufgrund einer deutlich größeren Komplexität nicht wie im Fall Neoskop bereits von externen Prüfern bearbeitet werden können. „Es gibt eine Vielzahl an Vorgängen. Es geht um 90 Zahlungen an 48 verschiedene Empfänger.“

Das Chicago-Vergabeverfahren wird modifiziert – Foto: Oleg Podzorov

Das Vergabeverfahren für die Repräsentanz Niedersachsens in Chicago soll noch einmal modifiziert und die Ausschreibungsfrist verlängert werden. Dabei geht es nach der einjährigen Probephase darum, einen Betreiber zu finden. Umstritten sei, ob es sich bei der Vorgabe des Wohnortes Chicago um eine zu starke vergaberechtliche Wettbewerbseinschränkung handelt. Lies will das jetzt ändern um den Eindruck zu verhindern, dass am Ende „ein Schatten auf der Entscheidung“ liege. Die Chicago-Vergabe war in die Kritik geraten, weil der Auftrag für eine einjährige Modellphase direkt an ein Tochterunternehmen der Deutschen Messe AG gegangen war.

Und so reagierten die Fraktionen: 

Die rund 33.000 Euro für das Gutachten seien rausgeschmissenes Geld und zudem ein Schlag ins Gesicht der Mitarbeiter im Vergabereferat des Wirtschaftsministeriums, meint der CDU-Landtagsabgeordnete Uwe Schünemann. „Statt neue Erkenntnisse zu präsentieren, versucht der Wirtschaftsminister die schwerwiegenden Fehler, die in seinem unmittelbaren Umfeld begangen wurden, von sich wegzuschieben. Die so genannte Aufklärung dient allein dem Zweck, die eigene Haut zu retten.“ Die zentrale Vergabestelle sei ein reines Placebo. FDP-Fraktionsvize Jörg Bode sieht die Vorwürfe im Fall Neoskop noch nicht restlos aufgeklärt. Die Frage nach den Ursachen für das mehrfache Fehlverhalten habe PwC nicht klären können. „Entweder waren Minister Lies und sein Umfeld völlig ahnungslos, was Vergabevorschriften angeht, oder es gab eine bewusste Gefälligkeit für ein mit der SPD verbundenes Unternehmen. Beides wäre schlimm“, so Bode.

Der SPD-Wirtschaftspolitiker Gerd Will lobte hingegen, Lies setze „Maßstäbe bei der Aufarbeitung problematischer Vergaben in seinem Haus“. Mit absoluter Transparenz und konsequenten Maßnahmen habe er im Gegensatz zu seinen Amtsvorgängern von der FDP schnell und nachhaltig reagiert. „Olaf Lies übernimmt Verantwortung und handelt entschlossen“, meint Will. „Wir kritisieren die vorliegenden fahrlässigen Verstöße gegen das Vergaberecht und erkennen zugleich die vorgestellten Maßnahmen zur Aufklärung und Verbesserung der Verfahren an“, ergänzte Gerald Heere, designierter Obmann der Grünen-Fraktion im Vergabe-Untersuchungsausschuss.  „Wenn Fehler gemacht werden, muss man das auch zugeben können und die notwendigen Schlüsse daraus ziehen. Beides tut der Wirtschaftsminister.“ (MB.)