26. Nov. 2019 · 
Finanzen

Beitragsfreie Pflegekammer, Geld für Bauern und den Wald: Koalition gibt 100 Millionen mehr aus

Die Koalition von SPD und CDU hat den Haushaltsentwurf der Landesregierung noch einmal nachgebessert – und Mehrausgaben von rund 100 Millionen Euro beschlossen. Das war möglich, weil die Zinsausgaben im Etatentwurf zu hoch angesetzt waren, weil wegen der geschwächten Konjunktur keine Konjunkturrücklage fällig wird und weil die globale Minderausgabe, die alle Ministerien bis Ende 2020 abliefern müssen, noch einmal um 37 Millionen Euro erhöht wird. [caption id="attachment_45597" align="alignnone" width="780"] Foto: SPD Nds-., CDU-Fraktion Nds.[/caption] Wie die Fraktionschefs Johanne Modder (SPD) und Dirk Toepffer (CDU) vor Journalisten erläuterten, betrifft der spektakulärste Schritt die 80.000 Pflegekräfte in Niedersachsen. Ihre Pflichtmitgliedschaft bei der seit zwei Jahren existenten Pflegekammer bleibt, sie sollen aber keine Beiträge mehr bezahlen – und demnächst die bisher gezahlten Beiträge erstattet bekommen. https://www.facebook.com/spd.fraktion.niedersachsen/posts/2719316134828215 Die Evaluation der Kammer wird aber wie geplant verlaufen, sodass die Überprüfung ihrer Aufgaben, Mittel und personellen Ausstattung noch bevorsteht. Modder sagte, sie bitte die Pflegekräfte um Geduld, denn die Rückabwicklung der Beitragszahlung könne einige Zeit dauern. Toepffer ergänzte, die Koalition habe über verschiedene Modelle der Reform diskutiert, sei aber zum Ergebnis gelangt, dass jeder Kompromiss zur Beitragsgestaltung, etwa unterschieden nach Vollzeit- und Teilzeitkräften, „die Schlagkraft der Kammer geschwächt“ hätte. Daher komme nun ein klarer Schnitt.
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Für die Beitragsfreiheit schreibt das Land sechs Millionen Euro in den Landesetat, für die Folgejahre soll das fortgesetzt werden. Zusätzlich fließen 2,5 Millionen für die Sachmittel der Polizei, elf Staatsanwälte zur Bekämpfung der Clan- und Hasskriminalität werden geschaffen, 2,1 Millionen werden für neue Schutzhelme der Polizisten ausgegeben, 3 Millionen für die Feuerwehr- und Katastrophenschutzfahrzeuge und 1,5 Millionen für die Sanierung von Haftanstalten. Mehr als 18 Millionen Euro fließen in die Wiederaufforstung des Waldes, davon 7,5 Millionen in die landeseigenen Flächen, 2,2 Millionen kommen zur Verstärkung der Gülle-Lagerkapazitäten hinzu. Für ein „Agrarinvestitionsprogramm“ stellt das Land 14,3 Millionen Euro bereit – und die genauen Inhalte hängen davon ab, inwieweit diese zu einem auf Bundesebene diskutierten Agrar-Förderprogramm passen. Hier könne es auch um die Behandlung von Gülle gehen oder um die Unterstützung von Stallumbauten. 7,5 Millionen fließen in ein besseres Budget in den Berufsschulen, 2 Millionen in die Erwachsenenbildung und 3,5 Millionen in die Förderung der Batteriezellproduktion in Salzgitter. Schulsozialarbeit und multiprofessionelle Teams werden mit je 1,2 Millionen Euro gestützt, die Wohlfahrtspflege erhält 1,5 Millionen zusätzlich und das Programm „Daseinsvorsorge im ländlichen Raum“ 3,8 Millionen. Die Soziokultur-Einrichtungen werden mit weiteren 2,5 Millionen gefördert.

Breites Bündnis für mehr Unterstützung der jüdischen Gemeinden

Die Beschlüsse zur Pflegekammer, die in den Klausurtagungen beider Fraktionen gründlich diskutiert wurden, fielen am Ende einstimmig. Auch sonst zeigten sich Modder und Toepffer, aber ebenso ihrer Haushaltsexperten Frauke Heiligenstadt und Ulf Thiele zufrieden – die Atmosphäre sei entspannter als bisher gewesen. Vereinbart wurde daneben noch eine gemeinsame Initiative von SPD, CDU, Grünen und FDP, die Mittel für die jüdischen Gemeinden um 2 Millionen Euro aufzustocken. Die Reaktion der Opposition und einiger Verbände auf die Etatbeschlüsse ist von Skepsis geprägt. Christian Grascha (FDP) sagte mit Blick auf die Pflegekammer, die Koalition wolle sich „mit Geld etwas Ruhe erkaufen“. Stefan Wenzel (Grüne) sieht im Votum zur Pflegekammer hingegen „den einzigen Lichtblick“ in diesen Beschlüssen – ansonsten fehlten ausreichende Festlegungen für den Klimaschutz und die Windenergie-Förderung. Die GEW-Landesvorsitzende Laura Pooth meinte, die „dramatische Unterfinanzierung der Bildung“ bleibe – trotz „einiger positiver Punkte“. Der DGB-Landesbezirk teilte mit, er vermisse eine „Nachbesserung beim Weihnachtsgeld für Beamte“. So müssten aus seiner Sicht auch die Pensionäre einbezogen werden, was bisher nicht geplant ist. Ähnlich argumentiert auch Alexander Zimbehl vom Niedersächsischen Beamtenbund (NBB): Dass die Versorgungsempfänger kein Weihnachtsgeld erhalten sollten, werde „zu massivem Unmut in den Reihen des NBB führen“. Im Übrigen könne das geplante Weihnachtsgeld für Beamte ab A9 von 300 Euro „nur ein Einstieg sein“, und es sei „halbherzig, dass die Koalition hier nicht mehr tut“. Der Verdi-Landesleiter Detlef Ahting lobte das Einlenken bei der Pflegekammer: „Der Druck hat gewirkt“. Nach den Zwangsbeiträgen solle nun auch die Pflichtmitgliedschaft fallen, meint Ahting.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #210.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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