Eine Technik – zwei Meinungen. Am Digitalradio DAB plus scheiden sich immer noch die Geister. Während die öffentlich-rechtlichen Sender aus unterschiedlichen Gründen weiter auf diese Technologie setzen, bleiben die Privatsender in Niedersachsen skeptisch. Das wurde Ende November auch bei einer Anhörung im Medienausschuss des Landtags deutlich. Über das Thema sprach Martin Brüning mit Kai Fischer, Vorsitzender der Geschäftsführung des Radiosenders Antenne Niedersachsen und Vorstandsmitglied im Vaunet, dem Verband privater Medien.

„DAB plus ist nicht digital in dem Sinne, wofür der Begriff Digital heute zusammenfassend steht“, sagt Kai Fischer. – Foto: brat82

Rundblick: Herr Fischer, alle sprechen von der Digitalisierung, aber mit dem Digitalradio DAB plus geht es seit Jahren nicht richtig voran. Woran liegt es?

Fischer: Die Zukunft des Mediums Radio ist in einer konvergenten Welt ohne jeden Zweifel digital. Aber nicht überall, wo digital draufsteht, ist auch tatsächlich digital drin. DAB plus ist nicht digital in dem Sinne, wofür der Begriff Digital heute zusammenfassend steht. Wenn über die Zukunft von Radio gesprochen wird, reicht der Blick auf die im Kern mittlerweile 30 Jahre alte lineare Technologie DAB plus nicht aus. Zu den Anforderungen an ein digitales Radio gehört heutzutage die Möglichkeit der Individualisierbarkeit, der Adressierbarkeit, der unmittelbaren Interaktivität, das Einbinden von Videos und noch mehr. All das ist mit DAB plus nicht möglich, diesen Mehrwert bietet die Technik schlicht und einfach nicht. Man darf deshalb bei der Digitalisierung nicht auf die falsche Karte setzen, ansonsten wird die Zukunft des Hörfunks verspielt.

Rundblick: Zumal der Einstieg in die DAB-plus-Verbreitung Millionen kostet. Können sich die Privaten den zusätzlichen Verbreitungsweg überhaupt leisten?

Fischer: Es gibt ein großes Ungleichgewicht im dualen System. Den Programmen der ARD und des Deutschlandradios stehen für die Jahre 2017 bis 2025 rund 600 Millionen Euro für die technische Verbreitung über DAB plus zur Verfügung. Diese 600 Millionen Euro werden über die Haushaltsabgabe des Rundfunkbeitrages finanziert. Die privaten Sender hingegen müssen die Mittel in nahezu vergleichbarer Höhe aus den Einnahmen aus dem Werbemarkt stemmen. Das ist ein Markteingriff von gewaltigem Ausmaß – zu Lasten der Privaten. Hinzu kommt, dass die landesweiten privaten Hörfunkanbieter in Niedersachsen und die Landesmedienanstalt erst vor wenigen Monaten getrennt voneinander die komplette UKW-Sender- und Antennen-Infrastruktur gekauft haben. Dafür wurde ein Millionenbetrag investiert, auch weil die Verbreitung über UKW noch auf lange Zeit die Grundlage für die privaten Sender sein wird, um die erforderlichen Investitionen in die tatsächliche echte Digitalisierung des privaten Hörfunks stemmen zu können.

Schon heute hört fast die Hälfte der 14- bis 29-jährigen Radio über das Internet. DAB plus spielt bei der Nutzung in dieser Zielgruppe keine Rolle.

Rundblick: Die öffentlich-rechtlichen Sender sehen das Potenzial bei den UKW-Frequenzen dagegen ausgeschöpft.

Fischer: Gut ist zunächst, dass auch die ARD-Anstalten wie der NDR ganz klar sagen „Finger weg von UKW“. Da sitzen wir für alle Medienpolitiker wahrnehmbar in einem Boot. Mit Blick auf DAB plus befürchten wir, dass die ARD-Anstalten DAB plus zur Erweiterung ihres Portfolios mit neuen zusätzlichen Angeboten nutzen werden. Hinzu kommt, dass Programme des NDR in einigen Regionen über UKW gleich zwei-, drei- oder gar viermal gehört werden können – ein und dasselbe Programm also vier UKW-Frequenzen belegt. Wenn sich öffentlich-rechtliche Sender wie Deutschlandradio oder N-Joy also eine optimale landesweite Versorgung wünschen, können wir nur sagen: Im UKW-Netz ist dafür noch reichlich Platz. Wir stehen für eine Frequenz-Optimierung der ARD, die ja auch gewaltig Kosten sparen würde, gerne beratend zur Verfügung.

Rundblick: Aber wären mit DAB plus nicht noch mehr Sender möglich und damit eine größere Vielfalt im Hörfunkmarkt?

Fischer: Die große Vielfalt im niedersächsischen Hörfunkmarkt lässt sich mit DAB plus nicht wirtschaftlich vertretbar abbilden. In Niedersachsen senden 13 nicht kommerzielle Lokalrundfunkanbieter – sogenannte Bürgerradios, sechs private lokale beziehungsweise regionale Hörfunkprogramme und mit Antenne Niedersachsen, Radio ffn, Radio 21 und Klassikradio vier landesweit lizensierte private Hörfunkprogramme. Alle privaten Programmanbieter agieren selbstständig und wirtschaftlich unabhängig voneinander. Diese in Deutschland einmalige private Hörfunkvielfalt wird sich in der bisherigen Art und Weise in DAB plus weder technisch noch wirtschaftlich abbilden lassen. Darüber hinaus werden die landesweiten Hörfunkprogramme tagtäglich in großer Häufigkeit regionalisiert. Antenne Niedersachsen regionalisiert jeden Tag in zwölf Gebieten rund 50-mal am Tag. Bei Radio 21 sind es sogar 23 Gebiete. Diese lokale Nähe ist mit DAB plus technisch und wirtschaftlich so nicht ohne weiteres möglich. Wer für die Einführung von DAB plus plädiert ist gegen die private programmliche und regionale Vielfalt im niedersächsischen Hörfunkmarkt und der damit verbundenen großen Nähe zum Hörer.


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Rundblick: Rechnen Sie damit, dass sich die Technik trotz der beschriebenen Nachteile durchsetzen könnte?

Fischer: Bestenfalls wird DAB plus ein kostenintensives Nischendasein führen mit einer Nutzung von unter 20 Prozent im Bundesdurchschnitt. Schon heute hört fast die Hälfte der 14- bis 29-jährigen Radio über das Internet. DAB plus spielt bei der Nutzung in dieser Zielgruppe keine Rolle. Deshalb ist es auch keine „Brücken-Technologie“, wie die öffentlich-rechtlichen Sender behaupten, sondern eine „Umweg-Technologie“. Eine auch angesichts der sehr guten UKW-Qualität und der starken Transformation der Hörer in die Nutzung von Radio über online unnötige und zudem sehr teure Umweg-Technologie, in die die privaten Veranstalter in Niedersachsen nicht investieren wollen und können.