Evrim Camuz | Foto: Plenar-TV/Screenshot: Link

In einer von der CDU beantragten „aktuellen Plenardebatte“ zu einer Änderung des Polizeigesetzes (NPOG) sind Risse in der rot-grünen Koalition deutlich geworden. Es geht um die Frage, ob die Einführung einer „elektronischen Fußfessel“ bei Fällen von häuslicher Gewalt im NPOG vorgezogen werden soll – also noch vor der angekündigten umfassenden Reform des Polizeigesetzes. Die CDU befürwortet diesen Weg und verweist darauf, dass ja schon ein eigener CDU-Entwurf vorliege, der von der rot-grünen Koalition nach Bedarf in Details noch ergänzt werden könne. Während nun aber Innenministerin Daniela Behrens (SPD) die Aufteilung der NPOG-Änderung mit dem Ziel einer Beschleunigung der Fußfessel ablehnt, sagte die Grünen-Sprecherin Evrim Camuz in der Landtagsdebatte: „Wir sind interessiert, die Fußfessel einzuführen und dies bei der NPOG-Reform vor die Klammer zu ziehen.“ Daraufhin ertönte kräftiger Applaus für die Grünen-Politikerin von der CDU und von den Grünen. Bei der SPD wurde die Camuz-Aussage mit eisigem Schweigen quittiert.

Birgit Butter | Foto: CDU

Der offensichtliche Dissens in der rot-grünen Koalition führte dazu, dass die Stimmung in der Landtagsdebatte sehr gereizt wurde. Zum Auftakt hatte die CDU-Abgeordnete Birgit Butter aus Stade erklärt, dass es im vergangenen Jahr 32.500 Fälle von häuslicher Gewalt in Niedersachsen gegeben habe, das seien neun Prozent mehr im Vergleich zu 2023 gewesen. Die CDU wolle in diesem Punkt „nicht auf die angekündigte große Polizeirechtsnovelle warten, die vielleicht im Sommer kommt – oder auch erst im Herbst“. Innenministerin Daniela Behrens dürfe jetzt nicht das Thema „häusliche Gewalt“ als Faustpfand behalten, damit sie die Zustimmung der Grünen zu den anderen komplizierten datenschutzrechtlichen Reformen im NPOG erhalten kann. „Wenn es so wäre, wäre das ein Schlag ins Gesicht aller Opfer der häuslichen Gewalt“, betonte Butter. Der AfD-Abgeordnete Stefan Marzischewski ergänzte, das Nicht-Handeln von Behrens sei eine „Verhöhnung der Opfer“. Im Innenausschuss hätten alle Fraktionen ein Vorziehen der Fußfessel-Regel verabredet, doch die Ministerin halte sich nicht daran.

Der SPD-Abgeordnete Sebastian Zinke meinte, das Thema eigne sich nicht für aktuelle Plenardebatten, die Neuregelung eines Gesetzentwurfes sei auch aufwendiger als von der CDU angedeutet. Auch die Grünen-Abgeordnete Camuz meinte, die von der CDU vorgeschlagene Nachbesserung des CDU-Gesetzentwurfes im Sinne von Rot-Grün werde von den Koalitionsfraktionen nicht angestrebt, auch wenn dies eine beschleunigte Beschlussfassung ermöglichen würde. Warum die Koalition das nicht wolle, sagte Camuz indes nicht. Innenministerin Behrens beschwerte sich über das Niveau der Debatte und hielt der CDU vor, sie habe dem Innenministerium eine Mitverantwortung für die häusliche Gewalt vorgeworfen – eine Behauptung, die später von Butter vehement zurückgewiesen wurde. Behrens meinte, die CDU solle bei diesem Thema „mehr Demut zeigen“, denn sie habe auf Bundesebene eine Ergänzung des Gewaltschutzgesetzes mit der Fußfessel-Regel abgelehnt. Die CDU wies die Kritik zurück und meinte, eine Regel im Gewaltschutzgesetz könne eine Ergänzung des Polizeirechts nicht ergänzen – denn das Polizeirecht gelte für die Gefahrenabwehr, also den unmittelbaren Einsatz in einem Notfall. Das Gewaltschutzgesetz beziehe sich auf mögliche Antragstellungen durch die Opfer häuslicher Gewalt.