Die nächste Phase in der Corona-Bekämpfung startet auch in Niedersachsen: Von kommenden Montag an werden verstärkt Menschen über 60 geimpft, außerdem solche mit verschiedenen Vorerkrankungen wie Asthma, Autoimmunerkrankungen oder auch Herzinsuffizienz. Eine Woche später, ab 17. Mai, kommt dann die nächste Gruppe dazu – Mitarbeiter im Lebensmittelhandel, Abgeordnete und Tätige bei Regierungen, Verwaltungen, Gerichten, Presse und Hilfsorganisationen. Hier gilt allerdings die Einschränkung, dass die Betreffenden „in relevanter Position tätig“ sein sollen. Das ist in der Praxis ein dehnbarer Rechtsbegriff, und Sozialministerin Daniela Behrens richtete am Donnerstag die dringende Bitte an alle Leiter der Verwaltungen, Behörden und Dienststellen, mit der Auswahl der „relevanten“ Gruppen verantwortungsbewusst umzugehen. Es müsse um Menschen mit vielen Kontakten zu anderen Menschen gehen, die jetzt vorrangig an der Reihe sein können. Maßgeblich ist dann aber eine Bescheinigung des Arbeitgebers. In der Praxis läuft es so, dass die Impfwilligen sich beim Impfzentrum oder Hausarzt melden und um einen Impftermin bitten, kurz vor der Impfung muss die Bescheinigung dann vorgelegt werden. „Wir überprüfen das nicht und stellen es auch nicht in Frage“, betonte Behrens. Wichtig sei es deshalb, dass die Institutionen und Behörden selbst realistisch einschätzen, inwieweit bei ihnen Mitarbeiter beschäftigt sind, die jetzt bevorzugt geimpft werden sollten.
In der Impfreihenfolge sind danach weitere Stufen vorgesehen: Am 31. Mai kommen Hochschullehrer hinzu (die Lehrer an den Schulen sind schon berücksichtigt), Wahlhelfer (vor allem mit Blick auf die Kommunal- und die Bundestagswahl im September) und Mitarbeiter in Einrichtungen der kritischen Infrastruktur (Energieversorgung, Apotheken, Bestattungswesen, Ver- und Entsorgung). Am 7. Juni starten die Betriebsärzte, dann soll also in allen größeren Unternehmen und Behörden der Arzt vor Ort die Impfungen anbieten. Im Vorgriff darauf hat die Landesregierung für ein schon am 10. Mai startendes Modellprojekt einige Betriebe ausgewählt, die mit insgesamt rund 11.700 Dosen für eine erste Impfkampagne ausgestattet werden – Volkswagen in Wolfsburg, die Salzgitter AG in Salzgitter, Rossmann-Mitarbeiter und Rewe-Mitarbeiter, außerdem die Firma Sartorius in Göttingen. Zur Begründung sagte Behrens, dass etwa Wolfsburg und Salzgitter, aber auch die Region Hannover bisher zu Hochinzidenz-Kommunen gehören. Sartorius sei wichtig, weil die Produktion für den Biontech-Impfstoff entscheidend sei. Dem Vorbild anderer Bundesländer, die Impfung mit dem Astrazeneca-Impfstoff für alle Impfwilligen ab sofort freizugeben, will Behrens nicht folgen. Es gebe nämlich nur einen sehr knappen Bestand an Astrazeneca in Niedersachsen, man könne also keineswegs davon sprechen, dass viel von diesem Material auf Halde liege und zu verfallen drohe.
Der Wirbel um die Inzidenzen: Wo die Sieben-Tage-Inzidenz stabil unter 100 liegt, sollen Öffnungen vom 10. Mai an wieder möglich werden – allerdings nur unter strengen Bedingungen regelmäßiger Testungen, strikter Abstandsregeln und bei Beachtung der Hygienevorschriften. Das sieht die neue Landes-Verordnung so vor. Gaststätten, Einzelhandel und Pensionen könnten davon profitieren. In der Praxis kann das aber zu Verwerfungen führen. Maßstab ist nämlich die Inzidenz in dem jeweiligen Landkreis oder der kreisfreien Stadt. Wird dort die Grenze von 100 überschritten, so greift das Rechtsregime des Bundes, die Lockerungspläne und -bedingungen der Landesverordnung greifen dann nicht. Das kann an der Grenze zweier Kreise erhebliche Konsequenzen haben. Der Naturpark rund um Deister und Süntel, der sich über die Kreise Schaumburg, Hameln, Holzminden und die Region Hannover erstreckt, könnte sich als buntscheckiges Bild zeigen – während Ausflugslokale in der Region Hannover geschlossen bleiben müssen, könnten sie womöglich wenige hundert Meter weiter im Nachbarkreis öffnen dürfen. Noch drastischer könnte es auf den ostfriesischen Inseln kommen – die unterschiedlichen Landkreisen zugeordnet sind (Leer, Wittmund und Friesland). Während auf allen Inseln selbst die Inzidenz sehr niedrig ist, hängt es am Ende von den Werten in denen jeweils zugeordneten Landkreis ab, ob die Herbergen Gäste bewirten dürfen oder nicht. Das Argument, dass eine Insel mit ihrer fehlenden Landgrenze kaum eine Übertragung der Ansteckung ermöglicht, zählt nicht – denn Sonder-Bestimmungen bei der Ermittlung der Inzidenzen gibt es nicht. Damit ist der Zuschnitt der Kreisgrenzen, der in Niedersachsen in einem Nebeneinander von großen und kleinen Einheiten besteht, maßgeblich für die Chance, an den jetzt geplanten Öffnungen teilhaben zu können oder nicht.