Beekhuis muss SPD-Fraktion verlassen – aber holt noch mal zu verbalen Gegenschlägen aus
Selten hat man die Spitze der SPD-Landtagsfraktion so angespannt erlebt wie derzeit. Eine ausgesprochen schwierige Entscheidung lastet auf den Sozialdemokraten. Die Landtagsfraktion beschloss gestern bei der Nein-Stimme des Betroffenen, den Abgeordneten Jochen Beekhuis (42) auszuschließen.
Er will nun zwar dagegen juristisch angehen vor dem Staatsgerichtshof – doch bis zu einem Urteil dort wirkt die Festlegung der Fraktion erst einmal. Das heißt: In der heute startenden Landtagssitzung müsste zwischen den Sitzreihen der SPD und dem Platz von Beekhuis schon ein Abstand geschaffen werden; er wird sichtbar ausgegrenzt.
Ein gutes halbes Jahr nach dem Bekanntwerden der Chat-Affäre um den Politiker zieht die SPD damit klare Konsequenzen, sie zeigt maximale Distanz zu ihm. Der SPD-Bezirk Weser-Ems hatte den Abgeordneten schon vor Monaten aus der Partei ausgeschlossen, allerdings liegt der Fall jetzt bei der Bundesschiedskommission, der Beschluss ist also noch nicht wirksam.
Beekhuis nutzte politische Gegner als Spielfiguren in Intrigen
Beekhuis zählt zu den Politikern, die Opfer einer Hacker-Attacke wurden – seine Facebook-Einträge wurden zu Jahresbeginn von einem Jugendlichen aus Hessen sichtbar gemacht und verbreitet. Somit wurde offenbar, dass der Politiker sich in Chat-Unterhaltungen mit vielen Personen intensiv über Parteifreunde und andere Akteure ausgetauscht hat. Enthalten sind in dieser Kommunikation negativen Äußerungen über Frauen, Homosexuelle und Übergewichtige, vor allem aber wird in der Breite der Unterhaltung ein Muster deutlich: Es geht fast ausschließlich darum, als Gegner identifizierte Personen (häufig in den Reihen der eigenen Partei) zu schaden, sie herabzuwürdigen oder sie als Spielfiguren in Intrigen zu nutzen.
Es fallen Begriffe wie „abschlachten“, an anderer Stelle wird geäußert: „Den kann man gut manipulieren, wenn man ihm das Gefühl gibt, der Größte zu sein.“ Die SPD Weser-Ems setzte eine Untersuchungskommission aus drei Juristen ein, die die Plausibilität und Echtheit der Chats überprüfen sollten. Ende Juni kam das Gremium zu dem Ergebnis, dass hier keine Manipulation vorliegt und die Unterhaltungen authentisch seien.
Beekhuis wurde aufgefordert, seine Ämter und Mandate nicht auszuüben, der Ausschluss wurde eingeleitet. Der Abgeordnete selbst wirkte öffentlich monatelang, bis zuletzt, merkwürdig gelassen und fast unbeteiligt. Er verteidigte sich nicht, entschuldigte sich nicht und nahm nur über seine Anwälte Stellung. Wenn man ihn ansprach auf die Vorfälle, tat er so, als berühre das ihn gar nicht. In den Fraktionssitzungen erschien er wie immer und suchte auffällig die Nähe zu seinen Genossen, vielen von ihnen war das unangenehm. In der gestrigen Sitzung bekannte er sich weder zu den Chats noch distanzierte er sich davon. Er sagte, ihm werde etwas vorgehalten, das er nicht kenne und von dessen Existenz er gar nichts wisse. Er habe es auch nicht prüfen können.
Anwälte zweifeln die Echtheit der Chats an
Beekhuis‘ Anwälte zweifeln die Echtheit der Chats an und verweisen darauf, dass die Kommission die zweifelsfreie Identität der Kommunikation gar nicht hätte prüfen können, denn dazu hätte man technische Untersuchungen anstellen müssen. Sein neuer Anwalt Hayo F. Moroni wird in einem aktuellen Schreiben noch drastischer: Es werde eine „von SPD-Mitgliedern genüsslich aufgegriffene, meinen Mandanten verächtlich machende Kampagne betrieben“.
Nur drei Äußerungen würden „eine wohl lästerhafte, geschmacklose und ordinäre Wortwahl“ enthalten, dies werde „einseitig aufgebauscht und hypermoralisch“ als menschenverachtende Grundhaltung von Beekhuis konstruiert. Dies lasse sich mit „den hysterischen Zeiten erklären“, schreibt Anwalt Moroni und fügt hinzu: „…wo jeder und jede, jede vermeintliche Minderheit und sonstige Gruppierung durch zum Beispiel einen Männerwitz, Frauenwitz, Ostfriesenwitz, Judenwitz, Bayernwitz, Schwulenwitz, Indianerwitz, Negerwitz und -lieder sich schon schwer beleidigt und diskriminiert fühlen und alle diese Leute dann die Witze und Lieder am Liebsten verbieten wollen“. Verstehen aber, schreibt der Anwalt, „kann man dieses alles als Normalo mit noch gesundem Menschenverstand aber nicht“.
Sind die Beekhuis-Chats echt?
Die Chat-Verläufe, die Beekhuis zugeschrieben werden, liegen dem Politikjournal Rundblick vor. Sie wirken tatsächlich schlüssig und lassen stark vermuten, dass sie nicht manipuliert worden sind. Beekhuis selbst hat „führenden Politikern der SPD im Bezirk-Weser-Ems“ in einer Stellungnahme „eine Hetzjagd“ gegen seine Person vorgeworfen.
Dabei sei ihnen „jedes Mittel recht“. Gemeint ist der Parlamentarischer Geschäftsführer Wiard Siebels. Dieser führe „seit Jahren Intrigen gegen mich“ und habe seinerseits Genossen „übelst beschimpft“. In dem SPD-internen Untersuchungsverfahren seien Zeugenaussagen, die Vorwürfe gegen Siebels enthalten hätten, ignoriert worden, behauptet Beekhuis. Die Spitze des SPD-Bezirks hat diese Vorwürfe von Beekhuis als unrichtig zurückgewiesen.