Die neue Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Gesa Eisengarten, wirbt für mehr Spezialisierung bei der Polizei – und für bessere Bedingungen für Berufsanfänger. Was die Mittel und Möglichkeiten der Ordnungshüter angeht, sei die Vorratsdatenspeicherung unverzichtbar, sagt die 50-Jährige beim Besuch der Redaktion des Politikjournals Rundblick.

Gesa Eisengarten, Landesvorsitzende vom Bund Deutscher Kriminalbeamter | Foto: Link

Rundblick: Frau Eisengarten, wie definieren Sie die Rolle des BDK neben den beiden mitgliederstärkeren Polizeiorganisationen, der Gewerkschaft der Polizei und der Deutschen Polizeigewerkschaft?

Eisengarten: Wir haben in Niedersachsen rund 1000 Mitglieder und sind von der Zahl her sicher die kleinste Interessenvertretung. Uns geht es speziell darum, die Bedingungen für die effiziente Bekämpfung der Kriminalität zu verbessern – und die Belange der Kriminalistinnen und Kriminalisten zu vertreten. Dabei geht es um Fortbildung, Ausstattung und Einkommen der Beschäftigten. Die beiden anderen Polizeigewerkschaften sind sehr stark dem Einsatzbereich verpflichtet, also der Schutzpolizei – die Kriminalpolizei ist bei ihnen in der Minderheit.

Rundblick: Gibt es einen Nachholbedarf in Niedersachsen?

Eisengarten: Auf jeden Fall. Was die IT-Ausstattung angeht, ist die Polizei bisher stiefmütterlich behandelt worden. Eigene Diensthandys für Polizisten? Das ist eine Wunschvorstellung, häufig genug kommen die privaten Geräte zum Einsatz. An eigene Laptops für alle Beschäftigte ist kurzfristig nicht zu denken. Sicher, es hat Fortschritte gegeben – auch für jene, die per Homeoffice ihre Ermittlungsarbeit erledigen können. Aber ausreichend ist das alles noch lange nicht. Das gehört aber zu einer effizienten Aufgabenerledigung und auch zur Attraktivität des Arbeitgebers Polizei, die gesteigert werden muss.

„Die vorsorgliche Speicherung von Verbindungsdaten ist überfällig.“

Rundblick: Zur Effektivität der Arbeit zählen bestimmt auch die rechtlichen Möglichkeiten…

Eisengarten: Das stimmt. Die vorsorgliche Speicherung von Verbindungsdaten ist überfällig. Die moderne Kriminalität kommt ohne Internet, Messenger-Dienste und Handy-Kommunikation nicht mehr aus. Da brauchen wir die Chance, Verbindungsdaten auch noch einige Zeit nach der Tat abzufragen, damit wir bis zur Löschung den Tätern auf die Spur kommen können. Viele Taten werden erst einige Zeit nach Tatbegehung bekannt – das ist sehr oft bei Kinderpornografie der Fall.  „Quick Freeze“ ist hier völlig wirkungslos. Nach unserer Ansicht sind die rechtlichen Bedingungen für eine längere Speicherung durchaus gegeben, nur die Politik auf Bundesebene macht den Weg dafür nicht frei. Hier muss dringend gehandelt werden.



Rundblick: Sie vertreten die Kriminalitätsbekämpfung und damit vor allem den Kripo-Zweig bei der Polizei. Ist dieser stark genug organisiert – oder muss nachgebessert werden?

Eisengarten: Unsere Organisation begrüßt es sehr, dass seit drei Jahren nach dem zweiten Semester eine spezialisierte Ausbildung für einen Direkteinstieg bei der Kriminalpolizei möglich ist. Das heißt also, dass Studierende an der Polizeiakademie früh diese Richtung einschlagen können und nicht die ganze Bandbreite der Polizeiarbeit absolvieren müssen – Kriminalistik statt Verkehrslehre. Bis zu 25 Prozent unseres Nachwuchses können in diese Richtung gehen. Das ist richtig so, denn bisher war es so, dass alle zunächst bei der Bereitschaftspolizei oder der Schutzpolizei eingesetzt wurden und einen langen Weg zur Kripo vor sich hatten. Aber diese Spezialisierung muss noch weiterentwickelt werden. Mir schwebt vor, dass IT-Spezialisten als Polizeibeamte eingestellt werden können – zu Konditionen, die das für sie auch attraktiv machen. Sicher sind auch IT-Fachleute als Angestellte bei uns tätig. Leider verlassen uns diese häufig sehr schnell wieder, da sie in der freien Wirtschaft viel besser verdienen können. Wenn es gelänge, sie als Beamte mit Aufstiegschancen gut zu besolden und auf diese Weise zu halten, wäre viel gewonnen.

Foto: Gartz

Rundblick: Ist die Besoldung der Polizisten ein Problem?

Eisengarten: Polizeibeamte starten mit A9. Für viele junge Menschen wird es schon eine entscheidende Frage sein, ob sie im Blick auf Ausbildung und Anforderungen als Beispiel mit 2500 oder 2800 Euro brutto im Monat auskommen wollen. Perspektivisch, denke ich, wäre zum beruflichen Start einer Polizistin oder eines Polizisten die Besoldungsstufe A10 nach kurzer Bewährungszeit schon angemessen.



Rundblick: In der Politik wird darüber gestritten, ob es die „Clankriminalität“ als solche gibt – und ob sie einer besonderen polizeilichen und juristischen Betrachtung bedarf. Was denken Sie?

Eisengarten: Das BKA definiert Clankriminalität als ethnisch abgeschottete Subkulturen, die in der Regel patriarchalisch-hierarchisch organisiert sind und einer eigenen Werteordnung folgen. Es ist klar, dass niemand stigmatisiert werden darf wegen seiner Herkunft oder seines Namens. Auf der anderen Seite darf die Politik die Augen nicht vor solchen Strukturen verschließen, sondern muss sie gezielt aufklären lassen. Spezialisierte Dienststellen bei Polizei und Justiz für diesen Zweck sind richtig und sinnvoll – übrigens selbst dann, wenn die Anzahl von Fällen überschaubar bleibt. Denn das, was offen angezeigt und verfolgt wird, ist ja nur ein Bruchteil. Der größte Teil befindet sich ja leider im Dunkelfeld und wird gar nicht bekannt. Im Übrigen brauchen wir auch Vernetzungen über die Grenzen der Bundesländer hinaus. Das stößt bisher noch an Hindernisse, da die Kooperation sich erst allmählich entwickelt.

„Wir sind der Ansicht, dass eine Freigabe von Cannabis nicht zum Austrocknen der illegalen Märkte führt.“

Rundblick: Was halten Sie von der Cannabis-Legalisierung?

Eisengarten: Das ist ein sehr komplexes Thema und nicht schnell zu beantworten. Man muss hier zwischen dem Begriff Legalisierung und Entkriminalisierung unterscheiden. Der Begriff Entkriminalisierung umfasst die Forderung nach Straffreiheit hinsichtlich des Besitzes und Erwerbs eines bestimmten Betäubungsmittels zum Eigenverbrauch. Nach deutschem Recht ist der Konsum von Drogen für sich genommen bereits schon jetzt straflos, und bei geringen Mengen zum Eigenverbrauch findet Bestrafung in der Realität schon lange nicht mehr statt. Strafbar hingegen sind konsumvorbereitende Handlungen. Der BDK hat zu den Bestrebungen der Bundesregierung zur kontrollierten Abgabe von Cannabis ein umfangreiches Positionspapier veröffentlicht. Wir meinen, dass der Anbau, Handel und Konsum von solchen Substanzen in Deutschland auch weiterhin im Einklang mit dem internationalen Recht stehen muss. Eine Entkriminalisierung beim Umgang mit Cannabis oder Maßnahmen zur Verhütung des Konsums, so wie in anderen europäischen Ländern praktiziert, sind eher mit dem aktuellen Recht vereinbar. Wir sind der Ansicht, dass eine Freigabe nicht zum Austrocknen der illegalen Märkte führt, da die Nachfrage nach Cannabis mit hohem Wirkstoffgehalt stetig ansteigt. Auch vermissen wir einen effektiven general- und spezialpräventiven Jugendschutz bei den Überlegungen der Bundesregierung. Da scheint man die dadurch unvermeidbar entstehenden Kosten einsparen zu wollen.