16. Aug. 2023 · 
Justiz

Bauernland in Bauernhand? Da wird eine Sparkasse ausgesprochen kreativ

Ein Urteil, das schon ein paar Monate alt ist, wurde öffentlich kaum beachtet – dabei ist darin politischer Sprengstoff enthalten. Das Amtsgericht Wennigsen hat es im April für rechtmäßig erklärt, dass ein Grundstücksverkauf in der Region Hannover nicht zustande kommen konnte. Es ging um 30.000 Quadratmeter Agrarland, die landwirtschaftlich genutzt wurden. Zuvor hatte der Grundstücksverkehrsausschuss der Region Hannover, der solche Eigentümerwechsel absegnen muss, seine Zustimmung verweigert. Der Käufer zog vor Gericht, und er verlor. Die nächste Instanz, die den Fall wieder hätte aufrufen sollen, wurde dann nicht mehr bemüht.

Pittoresker Bau, ungewöhnliches Agieren: Die Sparkasse Hildesheim-Goslar-Peine – ein Landwirt? | Foto: Wallbaum

Das klingt alltäglich, ist es aber wegen der Beteiligten nicht. Als Käufer der Agrarfläche war die „SAG Agrargesellschaft“ aufgetreten, die von sich behauptet, ein landwirtschaftliches Unternehmen zu sein. Daran indes gibt es Zweifel. Denn die SAG ist eine hundertprozentige Tochter der SGVG-Grundstücksverwaltungsgesellschaft, und diese wiederum gehört der Sparkasse Hildesheim-Goslar-Peine, der drittgrößten Sparkasse in Niedersachsen. Da schickt sich also eine Sparkasse an, über ein Tochterunternehmen die Landwirtschaft zu betreiben?

Vorgesehen war in dem geplanten Kaufvertrag, dass der ursprüngliche Landwirt, der die 30.000 Hektar veräußern wollte, die Fläche hinterher wieder pachtet und wie bisher bewirtschaftet. Was viele Bauern und auch den Grundstücksverkehrsausschuss an diesem Vorgang störte, waren die näheren Umstände des Erwerbers. Nach dem Reichssiedlungsgesetz aus der Weimarer Zeit und dem Grundstücksverkehrsgesetz von 1961, das später in vielen Teilen immer wieder reformiert wurde, gelten für landwirtschaftliche Flächen besondere Bedingungen. Bauernland soll möglichst an Bauern verkauft werden und nicht an Nicht-Landwirte. Denn die Spekulation mit Grund und Boden soll vermieden werden – und es soll verhindert werden, dass die Landwirte auf Flächen wirtschaften, die nicht im Eigentum von Bauern sind.

Im Gesetz steht die merkwürdig klingende Formulierung von der „ungesunden Verteilung von Grund und Boden“. Diese ist dann erreicht, wenn ein Verkauf nicht der „Verbesserung der Agrarstruktur entspricht“ – und das kann der Fall sein, sobald ein Nicht-Landwirt das Eigentum übernimmt. In diesem besonderen Fall kam hinzu, dass ein anderer Kaufinteressent, der zweifelsfrei Landwirt ist, in Erscheinung getreten war. Eine Alternative war also vorhanden, sie kommt nun wohl zum Zuge.

Der Vorgang, den das Amtsgericht Wennigsen im April beschäftigte, berührt einige grundsätzliche Probleme. Vor allem aus den neuen Bundesländern ist bekannt, dass dort im großen Stil Investoren unterwegs sind und Ackerland gekauft haben, vor allem in den Zeiten, als für das Geld auf der Bank noch Negativzinsen fällig wurden. Das geht immer dann relativ einfach, wenn sich Nicht-Landwirte in Kapitalgesellschaften einkaufen, die zunächst von Landwirten gegründet worden waren – denn die Fläche wechselt dann gar nicht den Besitzer, sondern nur der Besitzer wandelt sich.

Auch im Westen der Republik strecken Investoren ihre Fühler nach Agrarflächen aus, ein Bekleidungsunternehmen soll im Raum Bremen, Wesermarsch und Cuxhaven sehr aktiv in dieser Weise agieren. In den westdeutschen Bundesländern sind die Wege meistens etwas schwieriger, weil die Flächen kleiner sind, mehr Landwirte in der Gemarkung leben und die Grundstücksverkehrsausschüsse de facto eine größere Bedeutung haben. Die Sparkasse Hildesheim-Goslar-Peine legt nun großen Wert darauf, nicht als „böser Bube“ an den Pranger gestellt zu werden. Denn die Flächen im Eigentum der SAG würden „langfristig gehalten, nachhaltig bewirtschaftet oder verpachtet und bei Bedarf an Landwirte übertragen, die von Baulandentwicklungen betroffen sind“, erklärt das Kreditinstitut auf Rundblick-Anfrage.

2020 habe man die SAG gegründet, die Firma kaufe Produktionsmittel ein, stelle Agrarförderanträge und vermarkte auch die erwirtschafteten Produkte. Die Landwirte, die dort tätig sind, hätten die Rolle von Lohnunternehmern. Nun betont die Sparkasse, dass die Initiative für diesen Weg von den Landwirten selbst ausgegangen sei. An der Spitze der SAG steht seit Jahren der Geschäftsführer Christian A. Grell, ein Ingenieur, der – wie er sagt – „einen breit angelegten Lebenslauf“ hat und sich in der Baulandentwicklung und Landwirtschaft gut auskenne. Ist er also auch ein Bauer?

Was vielen Landwirten, etwa auch Landvolk-Vertretern, an der SAG merkwürdig vorkam, waren die Größenverhältnisse. Die Sparkasse erklärt, sie wolle in der Region ein größeres Gewerbegebiet entwickeln und brauche Ausgleichsflächen für die Landwirtschaft – außerdem für den Naturschutz. Dass die Böden in der Hildesheimer Börde sehr gut sind, erhöhe den Druck und den Bedarf an neuen Flächen. Viele Bauern wollten sich nicht mit Geld entschädigen lassen, sie forderten Ersatzland. Aber ist diese Argumentation schlüssig? Die SAG schweigt auf Nachfrage zum Ausmaß ihrer Flächen.

Wie gut informierte Quellen vermuten, könnte das Unternehmen allerdings inzwischen annähernd 400 Hektar an Agrarfläche in Niedersachsen besitzen und noch dazu eine Fläche in ähnlicher Größenordnung, etwas geringer allerdings, in Sachsen-Anhalt. Lediglich weniger als 50 Hektar jedoch würden von der SAG selbst bewirtschaftet, also weniger als zehn Prozent. Damit ist der Besitz offenbar üppig und über größere Flächen verteilt, sodass bei den Kritikern der SAG die Vermutung entsteht, der Zweck der Gesellschaft könne im Erwerb und der Weiterverpachtung von Feldern und Äckern liegen, nicht aber in der eigenen Bewirtschaftung – aber nur die ließe es zu, die SAG als „Landwirt“ anzuerkennen. Wird also die bäuerliche Kompetenz und Zielrichtung der SAG nur vorgetäuscht, um vor den Grundstücksverkehrsausschüssen als „Landwirt“ akzeptiert zu werden? Zumindest das Amtsgericht Wennigsen hat dem nun einen Riegel vorgeschoben. Die SAG selbst verweist allerdings darauf, dass sie bereits mit sehr vielen anderen Bauern „partnerschaftlich und erfolgreich“ zusammenarbeite.

Derweil hat die Tätigkeit der Sparkasse Hildesheim-Goslar-Peine und ihrer Tochterunternehmen nicht nur die Landwirte aufgeschreckt. Im Landtag ist dieses Thema in den vergangenen Jahren immer mal wieder in einem größeren Zusammenhang diskutiert worden. Das Landvolk und auch die „Niedersächsische Land-Gesellschaft“ (NLG), die Flächen bevorraten und entwickeln soll, betrachten das Vordringen von Investoren beim Erwerb von Feldern und Äckern mit Sorge. Die Verschärfung der Vorgaben, bessere Kontrollen der Kaufverträge und ein besserer Überblick über die Pachtverträge sollen Abhilfe schaffen, heißt es. Ob der Trend indes aufgehalten werden kann, dass landwirtschaftliche Flächen von Nicht-Landwirten übernommen werden, ist fraglich – denn am Ende ist das alles immer auch eine Frage der Preise. Und die steigen tendenziell.

Dieser Artikel erschien am 17.8.2023 in Ausgabe #138.
Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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