Bauern suchen Frauen
Wenn Holger Hennies am 1. Januar die Amtsgeschäfte von seinem Vorgänger Albert Schulte to Brinke offiziell übernehmen wird, ist er der siebte Mann an der Spitze des niedersächsischen Bauernverbandes. Eine Frau gab es dort noch nie. Auch das Präsidium ist rein männlich besetzt, so war es auch schon immer. Selbst im erweiterten Vorstand des Landvolks finden sich derzeit lediglich zwei Frauen neben 20 Männern – und die gehören nicht einmal zum Landvolk, sondern sind die Verbandsspitzen der beiden niedersächsischen Landfrauenverbände.
Hat das Landvolk also ein Frauenproblem? Zum Vergleich: Der Naturschutzbund (Nabu) Niedersachsen zählt drei Frauen bei 13 Vorstandmitgliedern, der niedersächsische Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) hat vier Frauen bei 14 Vorstandsposten. Auch hier dominieren die Männer, doch bei weitem nicht so stark wie beim Bauernverband. Beide Umweltorganisationen haben zudem Geschäftsführerinnen – beim Landvolk wird auch diese hauptamtliche Funktion von einem Mann wahrgenommen.
Erst die Mischung von Männern und Frauen, Jüngeren und Älteren bringt den Erfolg.
„Ich sehe das schon kritisch, dass es im Landvolk sonst keine Frauen in den Gremien gibt“, sagt Elisabeth Brunkhorst im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Sie ist die Präsidentin des niedersächsischen Landfrauenverbands Hannover und gehört in dieser Funktion dem Landvolk-Vorstand an – genau wie Ina Janhsen, die Vorsitzende des Landfrauenverbands Weser-Ems. „Erst die Mischung von Männern und Frauen, Jüngeren und Älteren bringt den Erfolg“, betont Brunkhorst. Bei den Landfrauen hat sie zwar naturgemäß hauptsächlich mit anderen Frauen zu tun. Doch das Amt führt sie auch immer wieder in reine Männerrunden. Neben ihrem Sitz im Landvolk-Vorstand gehört sie auch dem Vorstand des Niedersächsischen Wirtschaftsforums an und ist Mitglied in der Anstaltsversammlung der Rentenbank – überall um sie herum sitzen nur Männer.
Männer ticken einfach anders
„Der Landvolk-Vorstand ist nicht problematisch, ich verstehe mich da mit allen gut“, erzählt Brunkhorst. „Aber es gibt auch Runden, da muss man als Frau schon einmal mehr aufstehen und den Rücken gerade machen und das Wort ergreifen, sonst wird man da als Vertreterin des Landfrauenverbands eher belächelt.“ Was macht die Arbeit mit den Männern aber so anders? Die Landfrauen-Präsidentin meint: „Männer ticken einfach anders, sie arbeiten anders.“ Es gebe unter Männern eine Hackordnung, und Statussymbole spielten oftmals eine größere Rolle. „Frauen müssen lernen, ihren Eigenanspruch auch mal runterzuschreiben“, meint Brunkhorst. Männer seien spontaner und probierten es dann einfach aus.
Doch sie erkennt auch an: „Das muss von unten nach oben wachsen.“ Es müssen also erst einmal Frauen gefunden werden, die sich einbringen wollen – und können. Ein Vorteil wird es sein, dass die Zahl der Betriebsleiterinnen in Niedersachsens Landwirtschaft allmählich steigt. Rund zehn Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe in Niedersachsen werden inzwischen von Frauen geführt, berichtet Ulrich Löhr im Rundblick-Gespräch. Löhr ist einer der Vize-Präsidenten des Landvolks und übernimmt die inoffizielle Funktion des „Frauenbeauftragten“. Zuversichtlich stimmt ihn, dass die tatsächliche Zahl der weiblichen Führungskräfte in der Landwirtschaft vermutlich noch viel höher liegt. „Wer weiß, wie in landwirtschaftlichen Betrieben gearbeitet wird, weiß auch, dass da deutlich mehr Frauen das Sagen haben. Die Frauen sind nämlich häufig Häuptling über das Büro.“ Wie viel an einem Tag gedüngt wird, entscheide der Landwirt täglich auf dem Feld. Aber die strategischen Entscheidungen zur Betriebsentwicklung würden im Büro getroffen – von den Frauen.
Keine Strategie, aber eine heftige Suche
Eine richtige Strategie, wie nun mehr Frauen in Landvolk-Funktionen gebracht werden könnten, hat der Bauernverband allerdings nicht. „Aber wir suchen ziemlich heftig“, sagt Löhr. Im vergangenen Jahr hatte man die Idee, Henriette Struß schnell einzubinden. Die damalige Sprecherin der Bauernbewegung „Land schafft Verbindung“ wäre ein ideales Aushängeschild des Bauernverbands gewesen – jung und weiblich, klug und telegen, den neuen Medien sehr zugetan und erfahren bei allem, was auf den Höfen so passiert. Doch Struß wollte nicht, trotz mehrerer Angebote, wie es aus Kreisen der Landvolk-Führung heißt.
„Es ist ohnehin nicht so, dass uns die Leute die Türen einrennen“, klagt der Landvolk-Vize. „Engagement, Kompetenz und Lust am Ehrenamt ist das wichtigste.“ Doch Löhr findet, dass der Gemeinsinn in der jüngeren Generation ohnehin etwas nachgelassen habe. Er erlebe auch bei Männern, dass die Prioritäten inzwischen anders gesetzt werden. Der eigene Betrieb ist wichtig – und die Familie. Da bleibt wenig Zeit für ein Ehrenamt. Frauen nähmen nach wie vor mehr Rücksicht auf die familiären Belange als die Männer, sagt Löhr. Das bedeutet also, dass auch die steigende Zahl der Betriebsleiterinnen noch nicht automatisch zu mehr Frauen in Landvolk-Funktionen führen wird.
Quote wie bei der Landwirtschaftskammer?
In einer anderen Organisation der Agrarbranche konnten die Frauen ihren Einfluss allerdings ausbauen – dank einer Frauenquote. In der Landwirtschaftskammer müssen 30 Prozent der Vorstandsposten von Frauen besetzt werden. Kammerpräsident Gerhart Schwetje habe das Vorhabe zwar unterstützt, doch bei weitem nicht alle Männer seien davon begeistert gewesen, erinnert sich Landfrauen-Präsidentin Brunkhorst. Sie hingegen ist schon überzeugt, dass das etwas gebracht hat: „Da sind nun keine Frauen, die einfach schweigen, sondern Frauen, die den Mund aufmachen. Die wären da sonst aber nicht reingekommen.“
Ist die Quote also auch ein Modell für das Landvolk? „Manchmal muss man zu seinem Glück gezwungen werden“, sagt Landvolk-Vize Löhr. Doch ein Verfechter der Quote ist er nicht. Bei den Landfrauen, wo er als Gast aus dem Landvolk im Vorstand mitarbeitet, trifft der Vorschlag auf ein geteiltes Echo. Löhr berichtet, dass die jüngere Hälfte eher dagegen sei. Man wolle nicht als Quotenfrau gelten. Die älteren Frauen, die die Blockaden der Männer bereits häufiger gespürt haben, seien hingegen eher für eine Quote.
Bei den Landfrauen geht man derweil eine andere Strategie zur Frauenförderung. Mit einem Schulungsangebot wird konkret das Ziel verfolgt, Frauen in Führungspositionen zu bringen. „Erfolg ist weiblich“ heißt das Programm, das der Verband seit rund fünf Jahren betreiben. Eine, die das Programm erfolgreich absolviert hat, ist die amtierende Landesvorsitzende Elisabeth Brunkhorst selbst. Als ihre Vorgängerin Barbara Otte-Kinast vor drei Jahren zur Landesagrarministerin ernannt wurde, musste Brunkhorst erst den Mut finden, die neue Führungsaufgabe zu übernehmen.
„Eigentlich wollte ich das nämlich gar nicht“, erzählt sie im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Doch in der Schulung, die Frauen auf Vorstandsposten und Gemeinderäte vorbereiten soll, hat sie gelernt, dass Frauen sich nicht so schnell wegducken sollten. So kann der Wandel in den Vorstandsetagen des Bauernverbands vielleicht allmählich gelingen: mit starken Frauen, die sich was trauen.
Von Niklas Kleinwächter