Ausbildungsplätze: Angebot und Nachfrage sind nur auf dem Papier gleich
Die Chancen auf einen Job in Niedersachsen werden immer besser. Den Abwärtstrend der Arbeitslosenzahlen verdeutlicht ausgerechnet die neue Statistik der Bundesagentur für Arbeit für Juli, dem Monat, in dem saisonbedingt besonders viele Menschen arbeitslos gemeldet sind. Die ehemaligen Schüler und Lehrlinge, die auf den Beginn ihrer Ausbildung, Studium oder ersten Arbeit warten, hoben die Arbeitslosenzahlen in der Altersgruppe 15 bis 24 Jahre nur um 1,3 Prozent an. Damit sind 5752 Unter-25-Jährige mehr arbeitslos gemeldet als im Vormonat. Im Vergleich zum Vorjahr dagegen sank ihre Zahl aber um 1451 Gemeldete. Bremsend wirkte dagegen, dass immer mehr anerkannte Flüchtlinge auf den Arbeitsmarkt drängen. Ihre Zahl erhöhte sich um 3,8 Prozent im Vergleich zum Juni auf 59.225 Gemeldete. Insgesamt stieg die Zahl der Arbeitslosen im Juli um 0,3 Prozent auf 250.008.
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Betrachtet man nur die nackten Zahlen, so könnte in diesem Jahr jeder Bewerber eine Ausbildungsstelle bekommen und hätte sogar noch ein bisschen Auswahl. 16.598 junge Niedersachsen waren im Juli noch auf der Suche nach einer Lehrstelle, 17.894 Ausbildungsplätze wurden angeboten. Doch in der Realität werden auch in diesem Jahr einige Bewerber leer ausgehen und Azubis in manchen Betrieben fehlen. Das hat mehrere Ursachen. Zum einen sind es die Anforderungen, die die Unternehmen und Behörden an die Bewerber stellen. Oft bleiben Lehrstellen unbesetzt, weil kein Bewerber die erforderlichen schulischen oder persönlichen Qualifikationen mitbringt. Bärbel Höltzen-Schoh, Leiterin der Arbeitsagentur-Regionaldirektion Niedersachsen/Bremen, appelliert deshalb an die Ausbildungsbetriebe, ihre Anforderungen ein wenig nach unten zu schrauben: „Geben Sie auch Bewerbern mit schwächeren Zeugnissen eine Chance.“
Auf der anderen Seite liegt es jedoch auch oft an den Bewerbern, weshalb Ausbildungsplätze unbesetzt bleiben. Vor zwei Wochen hat Höltzen-Schoh die Arbeitsmarktzahlen des vergangenen Halbjahres vorgestellt. Darunter war eine Tabelle mit den gefragtesten Ausbildungsplätzen und den am häufigsten ausgeschriebenen Lehrstellen. Ganz weit vorn rangierte auf beiden Listen der Einzelhandelskaufmann. Doch die Nachfrage ist sehr ungleich verteilt. „Während einige Unternehmen sich vor Anfragen kaum retten können, bekommen andere nicht eine einzige Bewerbungsmappe auf den Tisch“, sagte Höltzen-Schoh.
Die Flüchtlinge, in die die Wirtschaft noch vor zwei Jahren große Hoffnungen gesetzt hatte, werden die offenen Stellen auch nicht besetzen können, obwohl sich immer mehr arbeitslos melden. Denn oft scheitert eine Einstellung an den Sprachkenntnissen. „Man kann niemanden einstellen, der nicht einmal die Sicherheitshinweise lesen kann“, sagt Höltzen-Schoh. Viele Flüchtlinge stünden dem Arbeitsmarkt deshalb erst in gut zwei Jahren zur Verfügung, weil sie zuvor Sprachkurse absolvieren müssten. Dazu kommt, dass viele junge Flüchtlinge nicht die Lückenfüller in unbeliebten Ausbildungsplätzen sein wollen. „Sie wollen eigentlich sofort Geld verdienen, um davon auch etwas nach Hause schicken zu können“, sagte Höltzen-Schoh. Eine dreijährige Lehre mit nur wenig Gehalt dagegen wecke bei ihnen nur wenig Verständnis. Auch, wenn sie eine Investition in die Zukunft ist.Dieser Artikel erschien in Ausgabe #129.