14. Apr. 2021 · 
Soziales

Heidekreis entscheidet über Krankenhaus-Standort

Die Blicke sind an diesem Wochenende auf den Heidekreis gerichtet – und zwar aus allen Teilen des Landes. Wenn nämlich die Bürger dort darüber abstimmen, ob die bisherigen Entscheidungen des Kreistages zum Neubau eines zentralen Klinikums in Bad Fallingbostel gestoppt werden sollen, kann das landesweit schicksalhaft werden. Es droht nämlich die Wiederholung eines Vorgangs, der vor Jahren in Ostfriesland für Aufsehen sorgte: Die dortige Auflösung von drei alten Krankenhäusern zugunsten eines modernen, neuen und großen auf der grünen Wiese erhitzte die Gemüter so sehr, dass auch ein Bürgerentscheid angesetzt wurde. Zwar war die große Mehrheit der Abstimmenden 2017 dafür, in der kreisfreien Stadt Emden aber plädierte eine Mehrheit mit Nein – und damit waren die Planungen gestoppt. Man wartete die vorgeschriebene zweijährige Frist ab, wiederholte die Abstimmung und gewann dann eine Mehrheit. Mit enormer zeitlicher Verzögerung konnte das Vorhaben daraufhin starten. Es ging gerade noch einmal gut.

CDU tritt nicht einheitlich auf

Die juristischen Winkelzüge von Ostfriesland drohen jetzt immerhin nicht, weil es nicht in zwei benachbarten Gebietskörperschaften, sondern nur im Heidekreis eine Abstimmung gibt. Das Ergebnis dürfte damit klar sein. Auslöser ist der Antrag einer Bürgerinitiative aus dem Norden des Kreises, wozu Soltau, Munster, Schneverdingen und Bispingen zählen, der die bisherigen Pläne für eine Klinik in Fallingbostel klar ablehnt. Er plädiert stattdessen für einen alternativen Standort in Dorfmark etwas weiter nördlich, acht Kilometer von dem jetzt geplanten Standort Fallingbostel entfernt. Wenn am Sonntag, 18. April, mindestens 20 Prozent der wahlberechtigten Bürger des Landkreises mit „Ja“ stimmen, das sind rund 24.000 Stimmen, hätte der Vorstoß Erfolg – allerdings nur, wenn nicht gleichzeitig noch mehr Menschen mit „Nein“ votiert haben. Der Ausgang ist nun völlig offen. Zwar stehen SPD, CDU und Grüne für Fallingbostel, ihre führenden Politiker machen auch kräftig Stimmung für ein „Nein“.

Aber während die SPD geschlossen auftritt und sogar SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil dafür plädiert hat, tritt die CDU nicht einheitlich auf. Klingbeil stammt aus Munster, also dem Nordkreis, und will das Bundestagsmandat verteidigen, umso erstaunlicher ist seine Festlegung. In der CDU ist die Landtagsabgeordnete Gudrun Pieper klar für Fallingbostel, während ihr Fraktionskollege Karl-Ludwig von Danwitz seine Sympathien für Dorfmark erklärt. Vor Jahren, als von Danwitz eine stärkere Kooperation der beiden alten Kliniken befürwortet hatte, kostete ihn das die Wiederaufstellung für den Landtag, schon damals war das Thema hoch emotional. Für einen Sieg der „Nein“-Gruppe spricht, dass die Planungen schon weit fortgeschritten sind und der Eindruck entsteht, mehr Repräsentanten des Kreises würden sich hier engagieren. Sogar Großflächenplakate sind zu sehen, gezielte Wanderungen werden als Protestformen angeboten. Für den Sieg der anscheinend etwas schwächer organisierten „Ja“-Gruppe spricht, dass im Nordkreis mehr Einwohner leben als im Südkreis.

Das stärkste Argument der „Nein“-Gruppe lautet, dass der Architektenwettbewerb bereits läuft, alle Vorbereitungen abgeschlossen sind und eine Landesförderung von 130 Millionen Euro daran geknüpft ist. Im Strukturfonds des Landes stehen 360 Millionen Euro bereit, die Anträge machen aber ein Volumen von 1,3 Milliarden Euro aus. Wenn aber die bisherigen Pläne im Heidekreis gestoppt werden, könnten andere Antragsteller mit gutem Recht eine bevorzugte Behandlung beanspruchen. In einem Interview vor wenigen Tagen hat auch Sozialministerin Daniela Behrens (SPD) diese Befürchtung nicht ausgeräumt. Sie forderte einen „breiten Konsens“ im Landkreis und beschrieb als Gefahr, das für die beiden alten defizitären Kliniken der Kreis jährlich einen Zuschuss von zehn Millionen Euro aufbringen muss. Eine Neuordnung sei also dringend.

Beobachter meinen, dass viele Akteure im Norden auch deshalb von solchen Hinweisen unbeeindruckt blieben, weil es ihnen gar nicht so sehr um die Klinik gehe, sondern um einen alten Kampf gegen die immer noch nicht verwundene Kreisreform vor mehr als 40 Jahren. Soltau habe nicht verschmerzt, den Kreissitz damals verloren zu haben. Wenn es übrigens nach den Plänen der Großen Koalition im Landtag geht, sind Bürgerentscheide wie dieser im Heidekreis künftig nicht mehr erlaubt: Der Entwurf einer Änderung der Kommunalverfassung sieht vor, dass Plebiszite zu Krankenhausstandorten nicht mehr gestattet sein sollen.

Dieser Artikel erschien in Ausgabe #070.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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