Was nicht passt, wird passend gemacht: Das alte Heimwerker-Motto kommt durch den demografischen Wandel zu neuer Bedeutung. Zehn Jahre nach Gründung der Fachkräfteallianz Hannover wollen Arbeitsmarktexperten den Kampf gegen das sogenannte „Mismatch“ verstärken. Während in manchen Branchen und Regionen massiv Arbeitskräfte abgebaut werden, wird der Fachkräftemangel andernorts immer dramatischer. „Unsere große Herausforderung ist es, das passend zu machen“, sagte Markus Müller vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) bei einer Expertenrunde in Hannover. Die historisch hohe Nettozuwanderung habe zwar bislang dazu geführt, dass sich die düsteren Prognosen zum Arbeitskräftemangel nicht bewahrheitet haben. Doch der Referatsleiter für Grundsatzfragen der Arbeitskräftesicherung und -qualifizierung warnte davor, nur auf Kopfzahlen zu schauen. „Wir können noch so viele Menschen in diesem Land haben: Wenn die nicht in der Lage sind, die Jobs zu machen, nützt das alles nichts“, sagte Müller und fügte hinzu: „Das allergrößte Potenzial für die nächsten Jahre bieten uns die Menschen, die schon hier sind.“
„Wir können heute nicht mehr davon ausgehen, dass man irgendwann mal eine Ausbildung gemacht hat und dann lebenslang in diesem Bereich bleibt.“
Allein in der Landeshauptstadt zählt die Bundesagentur für Arbeit (BA) derzeit fast 50.000 Arbeitslose, denen rund 10.000 gemeldete offene Arbeitsstellen gegenüberstehen. „Warum passt das nicht zusammen?“, fragte die hannoversche Agenturchefin Heike Döpke und löste das Rätsel sogleich auf: Grund dafür sei vor allem der hohe Anteil an Ungelernten sowohl bei Jugendlichen als auch bei Erwachsenen. Außerdem befänden sich viele Branchen in einem tiefgehenden Wandel. „Wir können heute nicht mehr davon ausgehen, dass man irgendwann mal eine Ausbildung gemacht hat und dann lebenslang in diesem Bereich bleibt“, sagte Döpke. Als weiteren Faktor nannte sie Versorgungslücken bei der Kindesbetreuung und der Altenpflege, die einer höheren Erwerbsquote insbesondere von Frauen im Wege stünden. „Da besteht ein Riesenpotenzial für den Arbeitsmarkt“, betonte die BA-Geschäftsführerin. Nicht selten müssten jedoch gerade Erzieherinnen und Pflegerinnen ihre Arbeitsstunden reduzieren, weil sie sich mangels entsprechender Angebote selbst um Kinder oder Angehörige kümmern müssen.

Den „Teilzeit-Teufelskreis“ durchbrechen und die Erwerbsquote bei Frauen steigern – so lautet auch das Ziel von Sozial-Staatssekretärin Christine Arbogast. „Integration durch Arbeit funktioniert nicht nur bei Zugewanderten, sondern hat auch einen hohen Stellenwert für alle, die bereits in diesem Land leben“, sagte die „Exil-Schwäbin“ und frühere Sozialdezernentin von Braunschweig. Damit nicht noch mehr Menschen dauerhaft dem Arbeitsmarkt verloren gehen, will sie vor allem den Bereich Weiterbildung und Qualifizierung stärken. „Matching ist auf allen Ebenen gefragt“, betonte Arbogast und ergänzte: „Wir müssen gerade junge Leute schnell dahin bringen, wo es ihnen gut geht und wo sie ihr volles Potenzial entfalten können.“ Die Arbeitsmarktexperten waren sich einig: Jugendliche und junge Erwachsene müssen gezielt angesprochen werden. „Social Media allein reicht nicht“, sagte BA-Geschäftsführerin Döpke und plädierte stattdessen für mehr Berufsorientierungsformate zum Mitmachen. Als Vorbild nannte sie hier die Ideen-Expo, die zu den großen Standortvorteilen der Region Hannover zähle. „Das sind die Wege die wir gehen müssen – es muss aber nicht immer so groß sein“, sagte die Agenturchefin.

„Wir müssen heute mehr tun als nur zu hoffen, dass genug Bewerber bei uns landen“, bestätigte Enercity-Arbeitsdirektor Dirk Schulte. Das Energieunternehmen zählt mit mittlerweile 3400 Beschäftigten zu den größten Arbeitgebern der Landeshauptstadt, allein im vergangenen Jahr wurden 400 neue Mitarbeiter eingestellt. Bei Stellenanzeigen könnten aber auch die Enercity-Personaler nicht mehr die Strategie „Post & Pray“ fahren (Anzeige schalten und beten). Arbeitgeber müssten sich heutzutage beim Recruiting richtig ins Zeug legen. „Alleine das Entgelt reicht nicht mehr, man muss ein attraktiver Arbeitgeber sein. Menschen, die sich für uns entscheiden, wollen nicht mehr so geführt werden wie im letzten Jahrhundert“, berichtete der Personalvorstand. Wichtig sei auch, dass sich Unternehmen vernetzen, um Menschen bei Werksschließungen oder Kapazitätsabbau nahtlos „von Beschäftigung in Beschäftigung“ zu bringen. Schulte nannte hier als Vorbild das bundesweite Unternehmerbündnis „Allianz der Chancen“, warb aber auch für die Gründung von neuen Zusammenschlüssen: „Es muss dafür jedoch einen geben, der sich da am Anfang den Hut aufsetzt. Und wenn man will, dass das koordiniert wird, muss man jemanden dafür bezahlen.“