27. Apr. 2022 · 
Gesundheit

AOK-Chef Peter: Krankenkassen müssen an die Impfdaten der Versicherten heran

Foto: GettyImages/metamorworks

Niedersachsens Wissenschaftsminister Björn Thümler (CDU) sieht die Politik gefordert, schnell Schlussfolgerungen aus den vergangenen gut zwei Jahren der Corona-Pandemie zu ziehen. „Die Langzeitwirkungen werden uns noch lange beschäftigen. Und wir sind gefordert, noch stärker als bisher über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen“, sagte Thümler bei einem „Bürgergespräch“ seines Ministeriums mit verschiedenen Wissenschaftlern und Verbandsvertretern. Der Blick nur auf nationale oder europäische Zuständigkeiten führe nicht weiter – und es sei dringend geboten, auch von anderen Staaten zu lernen. Übertriebener Datenschutz hindere an einer effektiven Virusbekämpfung.

Ausdrücklich unterstützte Thümler die Forderung des Vorstandsvorsitzenden der AOK Niedersachsen, Jürgen Peter. Dieser hatte in der Veranstaltung dazu aufgerufen, die Gesundheitsdaten offensiv zur Analyse der Pandemie und zur Vorbereitung des Abwehrkampfes zu nutzen. „Deutschland liegt hier im Vergleich zu anderen Ländern, beispielsweise Israel oder Dänemark, weit zurück“, sagte Peter.

Elektronische Patientenakte: USA als (skrupelloses) Vorbild?

Der AOK-Vorstandsvorsitzende berichtete, dass in Deutschland die Kassen keinen Zugriff auf die Impfdaten hätten. Diese würden anonym erhoben und an das Robert-Koch-Institut übermittelt. Man habe versucht, von dort Informationen zu erhalten – aber das sei nicht in dem gewünschten Maß möglich gewesen. So hätten die Kassen zwar Angaben über die Krankheitsverläufe der Versicherten, der Vorerkrankungen und Therapien, Rückschlüsse auf den Impfstatus der Betroffenen aber seien nicht möglich. Deutschland nehme es mit dem Datenschutz sehr genau, und schon vor der Pandemie habe er auf die Defizite hingewiesen – auch mit Vergleich zu den USA, die beim Thema „elektronische Patientenakte“ weit weniger Skrupel hätten.

Laut Peter könnte es von großem Vorteil sein, wenn die Krankheitsdaten der Versicherten mit den Impfdaten verbunden würden. Dann könne man analysieren, welche Gruppe bei einer nächsten Pandemie vermutlich welches Risiko habe, ob der Impfstatus oder die Vorerkrankungen ausschlaggebender für Krankheitsverläufe sind und wie am besten unter bestimmten Bedingungen gegengesteuert werden könne. Peter bedauerte, dass es nicht zu einer Impfpflicht gekommen ist – obwohl man anerkennen müsse, dass der Impfstatus der Bevölkerung in Deutschland anerkennenswert hoch sei („Wir sind auf dem Weg zur Herdenimmunität.“).

Impfdaten sollen auf die Versicherten-Karte

Seine Wunschvorstellung wäre, dass bei einer nächsten Impfwelle beispielsweise im Herbst die Impfdaten auf den Krankenversicherten-Karten registriert werden bei den Arztpraxen, mobilen Impfteams und Apotheken. Auf diese Weise könnten Daten verknüpft werden, die später eine bessere Analyse des Pandemiegeschehens möglich machten. „Das lässt sich eigentlich über eine einfache Verordnung regeln“, sagt Peter.

Die Gesundheitswissenschaftlerin Jutta Lindert aus Emden betonte, dass die Corona-Pandemie die Gesellschaft sehr ungleich getroffen habe: Jugendliche, Ältere und Menschen mit psychischen Vorbelastungen seien viel stärker belastet als andere. Die Göttinger Sozialwissenschaftlerin Sarah Herbst meinte, das Problem sei oft die fehlerhafte Kommunikation gewesen. Viele Gruppen seien enttäuscht von der Politik, weil sie sich von den Politikern nicht richtig angesprochen fühlten. Nach der Pandemie werde es Änderungen geben – Homeoffice beispielsweise werde immer wichtiger für viele Arbeitnehmer, wobei sich die meisten bis zu drei Tage im Büro und zwei Tage in Heimarbeit wünschten.

Angstforscher: Bald wird die Vernunft wieder dominant

Der Göttinger Angstforscher Barwin Bandelow wies darauf hin, dass der Umgang mit der Pandemie immer wieder von irrationalen Angstzuständen der Menschen geprägt werde. Bei den meisten Menschen seien diese nur von kurzer Dauer und ließen dann wieder die Vernunft dominant werden. Es gebe aber auch andere Fälle, in denen aus Angstzuständen die Leugnung des Virus folge – nicht selten verknüpft mit einer Verschwörungstheorie.

Klaus Wallbaum
AutorKlaus Wallbaum

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