
Bis Ende März, so wird in Hannover erwartet, dürfte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ein lange erwartetes Urteil fällen. Dann könnte höchstrichterlich feststehen, dass Niedersachsen über viele Jahre die Landesbeamten zu schlecht bezahlt hat und Nachzahlungen leisten muss. Es geht um das „Abstandsgebot“ zur Grundsicherung, das bei den unteren Einkommensgruppen mindestens 15 Prozent betragen muss. Nun dringt der Niedersächsische Beamtenbund (NBB) darauf, dass sich die Landesregierung möglichst frühzeitig auf eine herbe Niederlage in Karlsruhe einstellen soll – und schon im Vorgriff eine Auffanglösung entwickeln soll. Beim NBB-Neujahrsempfang mit mehreren Mitgliedern der Landesregierung sprachen der NBB-Vorsitzende Alexander Zimbehl und sein Vize Peter Specke das Thema nur kurz an. Sie wollten die festliche Stimmung nicht trüben.
Dass die höchsten Richter in Karlsruhe die niedersächsische Besoldung rückwirkend für verfassungswidrig erklärten, scheint mittlerweile sehr wahrscheinlich. Denn 2020 hatten Urteile zu Berlin und Nordrhein-Westfalen schon in diese Richtung gewiesen. So dürfte festgestellt werden, dass in wenigstens einigen Jahren seit 2005 das „Abstandsgebot“ zur Grundsicherung unterschritten worden ist. Zwar ist das dann konkret bezogen auf einen relativ überschaubaren Kreis von wenigen tausend Beschäftigten, die in den niedrigen Besoldungsgruppen A5 bis A9 tätig sind. Da aber das Beamtenrecht auf Mindestabstände zwischen den einzelnen Besoldungsgruppen aufbaut, würde eine Aufstockung im unteren Bereich automatisch auch eine in allen anderen Gruppen nach sich ziehen. Ein Nachzahlungsanspruch für die Vergangenheit könnte im Urteil zudem verknüpft werden mit der Auflage, für die Zukunft die Besoldung anzupassen. Das wird zusätzlich erschwert durch die Regelung des neuen Bürgergeldes, mit der das Grundsicherungsniveau aufgestockt worden ist. Das komplexe Thema kann rasch Mehrausgaben des Landes in Millionen- oder gar Milliardenhöhe nach sich ziehen.
Die alte Große Koalition hatte noch kurz vor der Landtagswahl ein Rettungssystem beschlossen, wonach mit variablen „Familienergänzungszuschlägen“ die unteren Beamteneinkommen aufgebessert werden sollen. Der Nachteil ist aber, dass in der Folge die Gehaltshöhen für Beamte zwischen A5 und A9, die zwei Kinder haben, gleich wären – der Abstand zwischen den Besoldungsstufen also verletzt wäre. Die Landtagsjuristen hatten im September 2022 darin „verfassungsrechtliche Probleme“ gesehen. Bei der Beschlussfassung im Landtag lehnte die FDP deshalb den Plan ab, und auch der heutige Finanzminister Gerald Heere (Grüne) erklärte, er könne „einen verfassungswidrigen Vorschlag nicht mittragen“. Wie es heißt, dringt der NBB jetzt die Landesregierung, pauschale Einmalzahlungen für alle rund 140.000 Landesbeamten vorzusehen. Das wäre einfacher, wird argumentiert, als nach einem Karlsruher Urteil alle rund 100.000 Beamten, die für die Vergangenheit Widerspruch gegen ihren Besoldungsbescheid eingelegt hatten, nach einer aufwendigen Einzelprüfung einen nachträglichen individuellen Erstattungsanspruch zu gewähren. Allerdings wäre die vom NBB vorgeschlagene Lösung für das Land wohl auch teurer.

Kultusministerin Julia Hamburg sagte beim NBB-Empfang, eine Politik für den öffentlichen Dienst dürfe nicht allein bei der Alimentationsfrage ansetzen. „Wir müssen nicht nur die Bezahlung, sondern auch die Arbeitszufriedenheit verbessern.“ Dabei gehe es um flexible Arbeitszeitmodelle und Coworking-Spaces, aber auch um bessere Fort- und Weiterbildung. Auch mit Jobticket, Fahrradleasing und einem besseren Gesundheitsmanagement könne man einiges erreichen. Wie Zimbehl sagte auch Hamburg, Übergriffe auf Beamte, Feuerwehrleute und Rettungskräfte wie in der Silvesternacht dürften „nicht akzeptiert werden“, hier müsse der Staat „klare Kante zeigen“.
Ulrich Silberbach, Bundesvorsitzender des Deutschen Beamtenbundes (DBB), erklärte, die gesunkene Schwelle vor Gewaltanwendung werde schon seit Jahren bemerkt – vor allem am Wochenende in den Fußballstadien: „Ich würde Wasserwerfer einsetzen und überall dort, wo in den Stadien Gruppen mit Pyrotechnik agieren, den Wasserstrahl draufhalten“, sagte Silberbach. Die Leute müssten kapieren, dass der Gebrauch dieser Mittel schnell in einer Körperverletzung enden könne.