Am 20. April steht beim AfD-Landesparteitag in Unterlüß (Kreis Celle) ein Machtwechsel bevor, der bei näherem Hinsehen gar keiner ist. Der seit knapp zwei Jahren amtierende Landesvorsitzende Frank Rinck, Bundestagsabgeordneter und Landwirt aus Uelzen, dürfte nicht erneut antreten. An seiner Stelle kandidiert der Vize-Landesvorsitzende Ansgar Schledde, ein Bauunternehmer und Landtagsabgeordneter aus der Grafschaft Bentheim. Schledde war bisher schon Vize-Landesvorsitzender, und er gehört zu der Strömung in der Partei, für die auch Rinck steht.

Nun tritt man Rinck nicht zu nah, wenn man ihn als „Schledde-Mann“ bezeichnet. Als dieses „Schledde-Lager“ im Mai 2022 seine Kandidaten bei der Landesvorstandswahl durchsetzte, damals übrigens ohne erkennbare Gegenwehr des anderen innerparteilichen Lagers, hatte der Unternehmer Schledde schon seinen Ruf als der „erfolgreiche Strippenzieher im Hintergrund“ gefestigt. Mehrfach zuvor hatte er bei AfD-internen Kräftemessen Aufmerksamkeit erzielt – etwa vor der Nominierung der Bundestagsliste zur Wahl 2021 oder bei verschiedenen Landesvorstandswahlen. Spannung versprachen diese Treffen stets deshalb, da es stets Mitglieder-Parteitage waren, zu denen alle landesweit rund 3000 AfD-Mitglieder anreisen konnten. Das Delegiertenprinzip wurde erst später eingeführt und wird nun beim Landesparteitag am Wochenende in Unterlüß angewandt.
Für diese Mitglieder-Parteitage kam es auf eine gute Mobilisierung an. Wie erfolgreich das Schledde-Lager bei solchen Anlässen agierte, zeigte sich zunächst im Dezember 2020 und im Juli 2021, als die AfD ihre Bundestagsliste das erste Mal und dann wegen Formfehlern noch einmal aufstellte. In beiden Fällen waren die Anhänger des Schledde-Lagers dominant. Dass der 46-jährige Bau- und Immobilienunternehmer aus Schüttorf (Kreis Grafschaft Bentheim) damals schon die zentrale Figur war, blieb damals noch unauffällig – zumal er sich lange Zeit selbst im Hintergrund hielt und auch später noch Stellvertreter-Funktionen bevorzugte (so bisher im Landesvorstand und auch in der Landtagsfraktion).

Schledde wird eine große Fähigkeit zur Motivation seiner Anhänger zugesprochen, außerdem ein hohes organisatorisches Geschick. Dank seines Wirkens hatten sich viele Mitglieder auf den Weg zu den Versammlungen gemacht – es waren dann mehr als bei den innerparteilichen Gegnern vom selbsternannten „patriotischen Lager“ rund um die früheren Bundestagsabgeordneten Jens Kestner und Armin-Paul Hampel. Diese „Patrioten“ pflegten offen Kontakte zum „Flügel“ um Björn Höcke. Die Schledde-Leute hielten zu Höcke stets Distanz.
Mittlerweile ist das Schledde-Lager im Landesverband in der klaren Mehrheit, und das schon seit Jahren. Der Bauunternehmer Schledde tritt betont pragmatisch auf und hat noch eine andere große Fähigkeit – er gibt sich viel Mühe, bei hochkochenden Konflikten frühzeitig hinter den Kulissen zu vermitteln und einen Ausgleich herbeizuführen. Warum greift Schledde nun selbst zum Landesvorsitz? Manche sagen, ausschlaggebend sei der Landesparteitag im August 2023 in Celle gewesen, als der Vorsitzende Rinck in manchen Konflikten – obwohl er die klare Mehrheit im Saal hatte – unglücklich, gereizt und wenig souverän agierte.

Andere halten Rinck mit der Leitung der wachsenden Partei für überfordert. Womöglich wird sein Rückzug erleichtert mit der Zusage, dass er einen guten Listenplatz für die Bundestagswahl im Herbst 2025 bekommt. Aber wie steht es um Schledde selbst? Nach der Landtagswahl wurden Vorwürfe laut, Schledde habe eine „schwarze Kasse“ angelegt. Wie der Wahlprüfungsausschuss des Landtags untersucht hat, wurde von ihm wohl tatsächlich ein Konto geführt, auf dem es zwischen Dezember 2020 und Herbst 2022 Kontobewegungen von 125.000 Euro gab. AfD-Mitglieder, unter anderem sechs spätere Landtagsabgeordnete, sollen darauf eingezahlt haben – zwischen 200 und 5800 Euro jeweils. Ausgaben von 41.000 Euro mit AfD-Bezug soll es gegeben haben.
Wenn nun das Anmieten von Bussen oder Hotel-Übernachtungen dazugehören, liegt die Vermutung nahe, dass alles im Zusammenhang mit AfD-Mitglieder-Parteitagen gestanden hat. Obwohl auf einigen Überweisungen von „Kriegskasse“ oder „Aktionskonto“ die Rede ist, fand die Landeswahlleiterin Ulrike Sachs keinen Hinweis darauf, dass es eine verbotene Einflussnahme auf Listenaufstellungen gegeben haben könnte. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen Untreue gegen Schledde, fand aber nach diversen Untersuchungen keinen Anhaltspunkt für eine Erhärtung des Vorwurfs und stellte das Verfahren im Herbst 2022 ein. Der Fall wird allerdings mindestens noch einmal aufgearbeitet: Es gibt einen Wahleinspruch der FDP-Politiker Marco Genthe und Alexander Grafe vor dem Staatsgerichtshof, bei dem dieser Vorgang wieder zur Sprache kommen könnte.