Soll es künftig bei der Polizei eine statistische Erfassung von Vorfällen geben, in denen Messer als Tatwerkzeuge eingesetzt wurden? Eine Diskussion darüber hat sich am Montag entwickelt. Auslöser ist der Angriff eines 17-jährigen syrischen Flüchtlings auf eine 24-jährige Frau am Wochenende in Burgwedel (Region Hannover). Die Frau hatte einen Streit schlichten wollen, der 17-Jährige war von einer Gruppe ihm Nahestehender zur Hilfe gerufen worden. Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Dietmar Schilff, forderte als Reaktion auf den Vorfall eine Veränderung der polizeilichen Kriminalstatistik – jeder Einsatz von Messern solle dort festgehalten werden.


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Nach Ansicht von Schilff bewaffnen sich „immer mehr Menschen, vor allem Jugendliche und Heranwachsende, mit Messern“. Die GdP sehe hier „einen neuen gefährlichen Trend, da sich in Sekundenbruchteilen gefährliche Situationen entwickeln können“. Wenn die Polizei angemessen reagieren wolle, müsse sie konkret wissen, wo sich derartige Vorfälle gehäuft ereignen und wie das Profil der Täter aussehe. Der hannoversche Polizeipräsident Volker Kluwe reagierte mit Skepsis auf die GdP-Forderung: „Die Frage, wo Messer verwendet werden, bringt uns nicht wesentlich weiter“, sagte Kluwe im Interview mit dem Politikjournal Rundblick. Die Polizei müsse sich immer darauf einstellen, mit Tätern zu tun zu haben, die Messer oder andere Stichwaffen einsetzen. Die Beamten würden heute schon entsprechend geschult und könnten entsprechend reagieren. Dass es eine Zunahme von Messer-Delikten gibt, wie von der GdP vermutet, kann Kluwe nicht bestätigen.

Familiennachzug kein „Allheilmittel“ für Integration

Die Debatte hat nun auch den politischen Raum erfasst. Der FDP-Innenpolitiker Jan-Christoph Oetjen schloss sich der GdP-Forderung nach statistischer Erfassung von Messer-Anschlägen an. „Das passiert offenbar derzeit im Innenministerium noch nicht“, sagte Oetjen. Eine Diskussion entwickelt sich auch über die Frage, ob aus diesem Angriff Folgen für die Integration von syrischen Flüchtlingen abzuleiten sind.

Der CDU-Landtagsfraktionsvorsitzende Dirk Toepffer hatte erklärt, der Vorfall widerlege die These, dass der Familiennachzug ein „Allheilmittel“ für die Integration sein könne. Es wurde in den vergangenen Monaten die These unter anderem vom Kriminologen Christian Pfeiffer vertreten, dass junge männliche Bürgerkriegsflüchtlinge dann angepasster sind und weniger zu Gewalt neigen, wenn ihre Familienangehörigen hier mit ihnen zusammen leben. Im aktuellen Fall gibt es aber Hinweise, dass der Täter von jüngeren Familienangehörigen gerufen wurde und dann in einem Handgemenge mit der Waffe zugestochen hat. „Es ist richtig, dass der Familiennachzug begrenzt bleibt und straffällige Flüchtlinge schnellstmöglich abgeschoben werden“, sagte Toepffer. Im aktuellen Fall habe die Anwesenheit von Eltern oder Geschwistern nicht dazu geführt, dass Gewaltexzesse verhindert wurden.

SPD-Fraktionsvize Christos Pantazis erwiderte auf Toepffer, der in der Berliner Großen Koalition ausgehandelte Kompromiss eines begrenzten Familiennachzugs sei „tragfähig und für die SPD nicht verhandelbar“. Er warne ausdrücklich davor, meinte Pantazis, die Messerattacke „politisch zu instrumentalisieren und damit eine Debatte zu schüren, die eindeutig populistische Züge trägt“. Der Grünen-Innenpolitiker Belit Onay sagte: „Wenn Herr Toepffer die Tat nutzt, um Familiennachzug zu diskreditieren, instrumentalisiert er dieses schlimme Ereignis.“

Flüchtlinge sollen nicht beschäftigungslos sein

Die Integrationsbeauftragte Doris Schröder-Köpf (SPD) hatte in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung erklärt, dass vor allem Perspektiv- und Sprachlosigkeit die Aggression erhöhten und die Anwesenheit von Frauen mäßigend wirke. Wichtig sei es, dass Flüchtlinge „nicht beschäftigungslos in großen Einrichtungen sitzen, dass alle schnell Sprachkurse bekommen – und dass der Familiennachzug umgesetzt wird, damit sich weibliche Bezugspersonen wie Mutter und Schwestern im Lebensumfeld der Flüchtlinge befinden“. Schröder-Köpf bezog sich auf die Analysen des hannoverschen Kriminologen Pfeiffer.