Mehr Demokratie-Unterricht für neue Polizisten
Das Polizeimuseum, das bisher beim Hauptsitz der Polizeiakademie in Nienburg angesiedelt ist, bekommt eine neue Ausrichtung und einen neuen Schwerpunkt. Hier soll künftig eine „demokratiegeschichtliche Forschungsstelle“ entstehen. Es geht in erster Linie darum, das Wissen der künftigen Polizeibeamten über die Abläufe in der Demokratie, die Bedeutung formaler Regeln etwa zwischen Parlament und Regierung oder auch über geschichtliche Vorgänge zu schärfen.
Wie der Sprecher der Polizeiakademie, Torben Schnepel, auf Anfrage des Politikjournals Rundblick mitteilt, sind drei Stellen ausgeschrieben worden, die auch in Kürze besetzt werden sollen. Die Leitung des Polizeimuseums, künftig nach A15 besoldet, soll „aktuelle und umfangreiche Erfahrungen im Bereich der Polizei- und Demokratiegeschichte aufweisen“, heißt es in der Ausschreibung. Gefragt wurden zunächst nur Mitarbeiter, die bereits bei der Landespolizei beschäftigt sind. In Kürze solle die Stelle neu besetzt werden.
Wenden sich Polizisten vermehrt rechtsextremen Positionen zu?
Spekuliert wird, die Stärkung des demokratietheoretischen Vermittlungsarbeit in der Polizeiausbildung könne auch mit Tendenzen zu tun haben, wie sie derzeit in mehreren Bundesländern beobachtet werden: Vermehrt ist von Polizisten und anderen Sicherheitskräften des Staates die Rede, die sich von den etablierten Parteien abwenden und eine Nähe zu extremen Positionen entwickeln – auch zur rechtspopulistischen AfD.
Die FDP hatte jüngst im Landtag gefragt, inwieweit auch in Niedersachsen solche Entwicklungen festzustellen sind. Die Antwort verwies auf mehrere Einzelfälle. 2018 sei einem Polizist aus der Polizeidirektion Osnabrück „wegen zweifelhafter Verfassungstreue“ eine Disziplinarmaßnahme ausgesprochen worden.
Dem Innenministerium seien zudem seit 2013 insgesamt drei Bewerber für die Polizei bekannt, die deshalb nicht angenommen wurden, weil sie als extremistisch galten. 2017 seien zudem bei der Polizeiakademie zwei Interessenten abgelehnt worden, weil sie Symbole verfassungsfeindlicher Organisation gezeigt hätten, in diesem Jahr sei so etwas noch einmal aufgefallen.
Wichtig ist die Tatsache, dass die freiheitliche Demokratie eben keine Selbstverständlichkeit, sondern vielmehr ein filigranes, zerbrechliches Gebilde ist, die des Schutzes gerade auch durch die Polizei bedarf.
Obwohl es sich hier nur um wenige singuläre Vorfälle handelt, sind bei der Polizei offenbar viele alarmiert. Lob für verstärkte Demokratieschulung von Polizisten kam unterdessen von Matthias Karsch, dem Landesvorsitzenden des Bundes deutscher Kriminalbeamter (BdK): „Wichtig ist die Tatsache, dass die freiheitliche Demokratie eben keine Selbstverständlichkeit, sondern vielmehr ein filigranes, zerbrechliches Gebilde ist, die des Schutzes gerade auch durch die Polizei bedarf.“
3800 angehende Polizisten in Ausbildung
Derzeit befinden sich an den drei Standorten der Polizeiakademie, neben Nienburg noch Hannoversche Münden und Oldenburg, 3800 angehende Polizisten in Ausbildung. Am heutigen Montag wird ein Jahrgang mit 800 neuen Beamten fertig, morgen starten dann 900 neue Anwärter ihre Ausbildung. Auf lange Sicht solle jeder Polizeischüler einen Demokratielehrgang in Nienburg durchlaufen. Davon unabhängig betreibt auch das Landeskriminalamt bereits seit Jahren eine eigene Forschung zur Geschichte der eigenen Behörde. Dies richtet sich weniger an Polizeischüler, sondern dient vielmehr der Aufhellung eines dunkles Kapitels im LKA.
Der frühere Leiter Walter Zirpins, der schon bei den Ermittlungen nach dem Reichstagsbrand eine Rolle spielte, im Zweiten Weltkrieg in der Verwaltung des Ghettos im polnischen Lodz arbeitete und 1951 erster Leiter des Landespolizeikriminalamtes in Niedersachsen wurde, steht im Zentrum der Forschungsarbeit von den beiden LKA-Mitarbeitern Sven Kohrs und Karola Hagemann.
Sie gehen auch der Frage nach, wie ein belasteter Beamter wie Zirpins nach 1946 eine hohe Stellung in der Polizei des Landes Niedersachsens erlangen konnte – und ob es bei der demokratischen Kontrolle Defizite gab. Zirpins wurde allerdings noch 1951 seiner Funktionen enthoben und degradiert, nachdem seine frühere Rolle im NS-System bekannt geworden war.