Der niedersächsische Landtag hat die rechtsextreme und antisemitische Tat in Halle verurteilt. „Es beschämt uns, dass es für Juden in Deutschland wieder gefährlich sein kann, ihren Glauben zu leben. Es erschüttert uns, dass die letzten Überlebenden des Holocausts wieder Angriffe auf Synagogen erleben“, sagte Landtagspräsidentin Gabriele Andretta. Der Schutz jüdischen Lebens gehöre zur Staatsräson Niedersachsens, machte sie deutlich.

Es beschämt uns, dass es für Juden in Deutschland wieder gefährlich sein kann, ihren Glauben zu leben“, sagte Landtagspräsidentin Gabriele Andreta – Foto: MB.

Der Anschlag sei kein „erstes Alarmsignal“ gewesen, sagte Innenminister Boris Pistorius in der Debatte, deren Grundlage Anträge der AFD-Fraktion auf der einen und sämtlicher anderer Fraktionen auf der anderen Seite waren. „Wir sollten uns davor hüten, nach diesem schrecklichen Vorfall wieder reflexartig irgendwelchen „Anfängen wehren“ zu wollen. Dieser Punkt ist längst überschritten. Es ist 5 nach 12″, sagte Pistorius, der sich in seiner Rede auf das Problem des Rechtsextremismus fokussierte.  „Ich mache mir seit einiger Zeit ernsthafte Sorgen um unser Land. Unsere Demokratie ist in Gefahr wie nie nach dem zweiten Weltkrieg.“

Deutschland habe sich nach der Shoa verpflichtet, jüdisches Leben in allen Winkeln dieser immer komplizierter werdenden Welt zu schützen, sagte CDU-Fraktionschef Dirk Toepffer. „Wir müssen uns fragen, ob das bisherige Bemühen ausreicht, der Verantwortung gerecht zu werden.“ Man werde den persönlichen Schutz der jüdischen Mitbürger sicherstellen und zusätzliche Mittel für die Arbeit der jüdischen Gemeinden bereitstellen,. Aber man müsse auch einem gesellschaftlichen Klima entgegenwirken, welches Vorfälle wie die in Halle überhaupt erst ermöglich habe.

Modder spricht von „Schande für unser Land“

Auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Stefan Birkner sprach von einer „untilgbaren Schuld, die für uns in Verantwortung mündet“. Er freue sich nicht, dass es nun einen Antisemitismusbeauftragten gebe, weil dies Ausdruck einer betrüblichen und beschämenden Entwicklung sei. Der Antisemitismus nehme zu, und die Politik habe das längere Zeit nicht wahrhaben wollen.

Die SPD-Fraktionsvorsitzende Johanne Modder nannte den Anschlag eine „Schande für unser Land“. Es sei unerträglich, dass Menschen jüdischen Lebens durch Hass und Gewalt bedroht würden. Sie beklagte „Grenzverschiebungen“ im freien und demokratischen Diskurs. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Anja Piel, sagte, Mahnwachen seien wichtige Zeichen. Sie reichten für solche Bedrohungslagen aber nicht aus. Es brauche eine starke Zivilgesellschaft und einen wehrhaften, demokratischen Rechtsstaat. „Warum kürzen Sie angesichts solcher Bedrohungslagen das Landesprogramm gegen Rechtsextremismus? Warum müssen Landesprogramme zum Ausstieg aus der rechten Szene ums Überleben fürchten?“, fragte Piel.

AfD-Abgeordneter sorgt für Unruhe

„Jüdisches Leben gehört zu Deutschland – ohne Wenn und Aber“, machte der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Klaus Wichmann, deutlich. „Ein Angriff auf unsere jüdischen Mitbürger ist ein Angriff auf uns alle.“ Der AfD-Abgeordnete Jens Ahrends sorgte für Unruhe. Antisemitismus kenne keine Richtung, sagte er und nannte als Beispiele das herzliche Treffen zwischen Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) mit dem iranischen Parlamentspräsidenten Ali Laridschani sowie die Gratulation des Bundespräsidenten an die Mullahs zum 40. Jahrestag der Revolution im Iran.

Das führte zu Protestrufen bei Grünen und SPD. Der Parlamentarische Geschäftsführer Helge Limburg sagte, Antisemitismus findet sich in allen Gruppierungen, aber eben auch gerade in der AfD. Er nannte als Beispiel den Holocaustleugner Wolfgang Gedeon. Daraufhin sagte Ahrends, er distanziere sich „ausdrücklich von allen antisemitischen Äußerungen von Mitgliedern meiner Partei“.

Mehr zum Thema morgen im Politikjournal Rundblick – Probeabo hier.