Am Rande: Ein Produkt, das der Markt nicht braucht
(rb) Fachleute und Laien hatten es vorausgesagt: Die große Errungenschaft der TerminServiceStelle (TSS), die das Versorgungsstärkungsgesetz des Bundesgesetzgebers den Patienten in Deutschland beschert hat, braucht kein Mensch wirklich. Die erste Quartalsbilanz, die die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) nach Einführung der Facharzt-Terminvergabe durch diese Servicestelle vorgelegt hat, bestätigt das. Hatte man ursprünglich mit 5000 Anrufern pro Tag geplant, waren es im gesamten Zeitraum des ersten Quartals bis zum Stichtag 15. April 15 805 Anrufe, im Durchschnitt 300 am Tag. Die Idee, in diesem Monat zusätzlich eine Online-Terminvermittlung einzuführen, hat die KVN wegen mangelnder Nachfrage wieder fallenlassen.
Der Auftrag, den Patienten einen Facharzttermin innerhalb von vier Wochen zu vermitteln, läuft nach KVN-Angaben reibungslos, konnte aber nur in einem Drittel der Fälle erfüllt werden: Ein Drittel der Anrufer fragte nur nach allgemeinen Hinweisen zur Terminvermittlung, das übrige Drittel verfügte nicht über eine Überweisung mit dem vorgeschriebenen Überweisungscode. Vielfach erlosch das Interesse an einem solchen Termin bereits, wenn den Patienten klar wurde, dass sie eben nicht beim Arzt ihrer Wahl einen Termin bekommen konnten, sondern den nehmen mussten, der gerade frei war, und dass sie dafür obendrein oft unerwartet weite Wege auf sich nehmen mussten. Ein weiteres Indiz dafür, dass das Ziel möglicherweise verfehlt werden könnte, ist die regionale Häufung von Vermittlungen in den Großräumen von Hannover, Oldenburg und Lüneburg. Not an Fachärzten aber gibt es eher in ländlichen Regionen.
Die TerminServiceStelle war mit einem hohen bürokratischen und finanziellen Aufwand aufgebaut worden. Die Fachärzte hatten und haben dabei ebenfalls ihren Beitrag zu leisten. Zwar wird die Behandlung von Patienten, die auf Vermittlung der TSS in ihre Praxis kommen, nicht auf das Honorarbudget angerechnet. Aber viele Fachärzte können die Vorgabe, pro Quartal bis zu 26 Termine für diese Patienten zu reservieren, mit ihrer Fürsorgepflicht gegenüber ihren regulären Patienten kaum in Einklang bringen. Insgesamt sind der KVN für dieses Jahr 89 000 solcher Reservierungen gemeldet worden. Inwieweit diese auch in Anspruch genommen werden, ist nicht prognostizierbar. Die Vermittlung von 4721 Terminen in diesem ersten Quartal zeigt jedoch, dass man weit von solchen Zahlen entfernt ist. Gleichwohl soll die weitere Entwicklung erst einmal abgewartet werden, bevor den Arztpraxen Entwarnung gegeben wird. Solange bleiben die Reservierungen noch bestehen.
Der KVN-Vorsitzende Mark Barjenbruch, der von Anfang an skeptisch war gegenüber den hohen Erwartungen an diese Form der Terminvermittlung („wir haben das nicht bestellt“), bleibt möglicherweise auf den Kosten sitzen, die der KVN entstanden sind. Sie werden aber aufgrund der mäßigen Nachfrage der Patienten wohl geringer ausfallen als befürchtet. Was das Honorar betrifft, war zunächst von 1,5 Millionen Euro zu Lasten der Gesamtheit der Vertragsärzte die Rede, und für die Einrichtung der TSS von einer weiteren Million Euro. azDieser Artikel erschien in Ausgabe #77.