11. Juni 2019 · 
Wirtschaft

Althusmann: In drei Monaten müsste jede Baugenehmigung erteilt sein

Für Baubehörden soll nach dem Willen von Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) bei der Bearbeitung von Bauanträgen eine dreimonatige Frist eingeführt werden. Bisher gebe es für die Bearbeitung von Anträgen keine zeitliche Höchstgrenze, Bauherren hätten dadurch keine Planungssicherheit, sagte Althusmann in Hannover bei der Vorstellung eines Neun-Punkte-Programms für Bürokratieabbau. „Wie soll ein Gewerbetreibender unter diesen Umständen Personaleinstellungen oder Warenakquise planen?“, fragte Althusmann. https://soundcloud.com/user-385595761/ministerien-haben-keinen-uberblick-mehr-uber-die-selbst-geschaffene-burokratie Als Negativbeispiel nannte der Wirtschaftsminister die Bearbeitung eines Bauantrags eines Hörgeräteakustikers in Hannover-Bemerode, die weit über ein Jahr gedauert habe, obwohl es lediglich um einen Umbau gegangen sei. Nicht selten würden Behörden alle acht Wochen neue Nachweise verlangen. „Das Verfahren verlängert sich dann üblicherweise von Monat zu Monat“, so Althusmann. Er schlägt vor, dass der Antrag künftig automatisch als genehmigt gilt, wenn die Behörde die Frist nicht eingehalten hat. Ausgenommen wären größere Bauprojekte, die mehr Zeit beanspruchen.

Kritik aus den Kommunen und dem Umweltministerium

Beim Niedersächsischen Städtetag (NST) stößt der Vorschlag auf Skepsis. „Es geht um die Statik von Gebäuden und die Sicherheit. Deshalb halten wir eine solche Frist in diesem Bereich nicht für sinnvoll“, sagte NST- Hauptgeschäftsführer Jan Arning im Gespräch mit dem Politikjournal Rundblick. Er schlägt vor, stattdessen besser Verfahrensvorschriften zu vereinfachen und Abläufe zu optimieren. Dass die Bearbeitung von Bauanträgen teilweise länger dauert, sei auch dem aktuellen Bauboom auf der einen und dem Fachkräftemangel auf der anderen Seite geschuldet. Auch im zuständigen Umweltministerium stößt Althusmanns Vorschlag eher auf Ablehnung. Zum einen sei das öffentliche Baurecht sehr komplex, zum anderen entstehe ein deutlich höheres Risiko, dass häufiger baurechtswidrige Zustände entstehen könnten und die Bauaufsichtsbehörde noch häufiger im Nachhinein einschreiten müsste, heißt es auf Rundblick-Nachfrage. Gegebenfalls müssten dann Baustopps verfügt werden oder bauliche Anlagen abgerissen werden.
Wer jetzt den Kopf in den Sand steckt, wird sich irgendwann fragen müssen, ob Mittelstand in Deutschland so noch lebensfähig ist.
Für Althusmann ist eine Bürokratieentlastung des Mittelstands dringend nötig. „Wer jetzt den Kopf in den Sand steckt, wird sich irgendwann fragen müssen, ob Mittelstand in Deutschland so noch lebensfähig ist. Es sind zu viele gesetzliche Auflagen unterschiedlicher Ministerien geschaffen worden, so dass dort der Überblick verloren gegangen ist.“ Die Drei-Monats-Frist will Althusmann auch für die N-Bank als freiwillige Selbstverpflichtung einführen. Das sei sehr ambitioniert. Derzeit benötige die Förderbank für die Bearbeitung der Anträge zumeist zwischen drei und sechs Monate. Im Herbst vergangenen Jahres habe es durch Krankheitsfälle einige Verzögerungen gegeben. Man setzte für die Zukunft aber auch hier auf schnellere und digitale Antragsverfahren.

Die Musik spielt auf Bundesebene

Fortschritte beim Bürokratieabbau erhofft sich Althusmann ab dem Herbst auch durch eine unabhängige „Clearingstelle“, die Gesetze und Verordnungen auf Belastungen für kleine und mittelständische Unternehmen untersuchen soll. Auch Verbände und Kammern sollen in das Clearingverfahren einbezogen werden. Wünschenswert  wäre Althusmann zufolge allerdings eine ressortübergreifende Clearingstelle, wie sie Nordrhein-Westfalen schon eingeführt worden sei. Hier sei man sich im Kabinett allerdings noch nicht einig. Die Arbeitsgruppe Rechtsvereinfachung, die in der Staatskanzlei ansässig ist, kommt nach Althusmanns Meinung weniger in Betracht – sie konzentriere sich vielmehr auf die Formulierung der Gesetze, weniger die Inhalte. Die Bürokratiekosten für Unternehmen liegen nach Angaben des Ministers wegen bundesrechtlicher Vorgaben bei rund 45 Milliarden Euro, hinzu kämen noch die Belastungen durch Land und Kommunen. Während Althusmann bei seiner Offensive für kürzere Bearbeitungsfristen bei Bauanträgen auf die Unterstützung des Bauministeriums angewiesen ist, sind bei der Mehrzahl der neun Punkte Änderungen auf Bundesebene notwendig. So möchte Althusmann Unternehmen bei der Vielzahl von Statistiken entlasten, allerdings gibt es lediglich 19 Statistiken des Landes, dagegen über 260 Statistiken, die auf das Konto von Bund und Ländern gehen. Auch für Althusmanns Plan, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, den sogenannten gelben Schein, abzuschaffen und durch ein elektronisches Verfahren zu ersetzen, ist zum Beispiel die Unterstützung von Krankenkassen, Ärzteschaft und Unternehmen notwendig. Das Einsparpotenzial für die Wirtschaft liegt Althusmann zufolge bei 200 Millionen Euro. Erste Versuche, den gelben Schein digital zu ersetzen, gibt es bereits in Hamburg und Schleswig-Holstein. Die Grünen im Landtag konnte der Wirtschaftsminister am Dienstag mit seinen Plänen nicht überzeugen. Althusmanns Bürokratieabbau entpuppe sich als Papiertiger, sagte Fraktionsvize Christian Meyer, der Ressortegoismen in der Landesregierung kritisierte. Ein Beispiel dafür sei, dass  der jüngste Vorschlag, das Baurecht zu ändern, offenbar mit dem zuständigen Bauminister vorher nicht abgestimmt worden sei.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #108.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

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