Agrarministerin will für Alternativen zur Düngeverordnung werben
Von Niklas Kleinwächter
Die gute Nachricht vorweg: Niedersachsens Landwirte haben es erneut geschafft, den Stickstoff-Überschuss auf ihren Feldern zu reduzieren. Von 86.000 Tonnen Überschuss im Berichtszeitraum 2016/17 und 49.000 Tonnen in 2017/18 sank er schließlich auf 31.000 Tonnen im jüngsten Nährstoffbericht für den Zeitraum von Juli 2018 bis Juni 2019. Das freut auch Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU), denn diese Entwicklung gibt ihr Rückenwind bei ihren Verhandlungen mit Berlin und Brüssel, um eine Verschärfung der Düngeverordnung abzuwenden. Weil Deutschland den Nährstoffüberschuss nicht in den Griff bekommt und Landwirte über Jahre hinweg zu viel gedüngt haben, droht eine pauschale zwanzigprozentige Reduzierung der Düngung in jenen Gebieten, in denen die Grundwasserkörper eine zu hohe Nitratbelastung aufweisen. Am 12. März wird in Berlin eine Sondersitzung der Agrar- und Umweltminister aus Bund und Ländern stattfinden. Otte-Kinast will dabei ihre Amtskollegen davon überzeugen, dass die hiesigen Maßnahmen wirken. Ihr Zauberwort dabei lautet: Transparenz.
Mit dem siebten jährlich vorgestellten Nährstoffbericht will Otte-Kinast aufzeigen, „wie transparent wir sind.“ Vor zwei Jahren hat sie an derselben Stelle schon einen klaren Handlungsbedarf benannt und sie geht davon aus, dass sie ihr Ziel, in drei Jahren den Nährstoffüberschuss auf Null reduziert zu haben, auch erreichen wird. Wenn sie sich die bisherige Entwicklung und die entsprechende Reduzierungsrate ansieht, erscheint es ihr zumindest nicht unrealistisch, im kommenden Jahr den Überschuss auf 10.000 Tonnen Nitrat eingegrenzt zu haben. Auch die Anzahl der Landkreise, in denen zu viel organischer Dünger aufgebracht werden, hat sich reduziert: Von den sieben Landkreisen, die im vorherigen Bericht als rot gekennzeichnet wurden, bleiben nun nur noch fünf übrig. Das Emsland und das Ammerland konnten ihren Stickstoffanteil unter die gesetzliche Grenze von 170 Kilogramm pro Hektar reduzieren, mindestens die Grafschaft Bentheim dürfte im kommenden Bericht folgen.
Doch trotz der positiven Entwicklung bleibt noch festzustellen, dass vor allem im Westen Niedersachsens, wo es viel Tierhaltung und weniger Ackerland gibt, zu viel Nitrat und auch Phosphat über den Dünger auf den Feldern und damit schließlich auch im Grundwasser landen. Wie soll damit nun umgegangen werden? Welche alternativen, sogenannten „wirkungsgleichen“ Maßnahmen zur Nährstoffreduzierung, kann Niedersachsen aufbieten? Bei der Vorstellung des Nährstoffberichts am Freitag in Hannover stellten Agrar-Experten der Landwirtschaftskammer verschiedene Schritte vor, die zum Teil bereits unternommen werden, zum Teil aber auch erst noch in Gang gesetzt oder zumindest verschärft werden müssen:
Verteilung verbessern. Wenn man sich die Karten zum Nährstoffüberschuss oder auch zur Belastung des Sickerwassers anschaut, fällt eine deutliche regionale Ungleichheit auf. Das liegt an der bereits beschriebenen unterschiedlichen Verteilung von Tierhaltung und Ackerbau. Agrarministerin Otte-Kinast bemängelt hier, dass der Kreislauf nicht geschlossen ist. Das heißt, dass Getreide aus den Ackerbauregionen im Osten des Landes zwar in den sogenannten Veredelungsregionen im Westen, also bei der Tierzucht, als Futter verwendet wird. Die Gülle, die dabei anfällt, wird aber nicht im selben Maße wieder im Osten als Dünger aufgebracht. Gründe dafür sind der aufwendige Transport, fehlende Lagerkapazitäten an beiden Standorten, Unsicherheiten bei der Investition in Aufbereitungsanlagen und die Ablehnung stinkender Gülle in den Ackerbauregionen. Otte-Kinast reagierte darauf bereits im vergangenen Jahr mit einer 10 Millionen Euro hohen Förderung für den Bau von Lagerstätten – die allerdings deutlich überzeichnet war und deshalb sogar erneut aufgelegt werden müsste. Die Ministerin verwies am Freitag aber auch darauf, dass die „Bauernmilliarde“ des Bundes ebenfalls für diesen Zweck verwendet werden könnte. Zudem forscht die Landwirtschaftskammer in verschiedenen Projekten zu unterschiedlichen Modellen der Aufbereitung der Gülle. Dabei wird im Wesentlichen Wasser entzogen, um den Transport zu erleichtern. Außerdem wird dabei genau ermittelt, wie hoch der Nährstoffanteil ist, damit der Dünger im Ackerbau dann zielgerichtet eingesetzt werden kann.
Kontrollen erhöhen. In diesem Jahr hat die Landwirtschaftskammer als zuständige Düngebehörde ihren Nährstoffbericht erstmals noch um einen Teil B ergänzt. Neben den Zahlen zur Stickstoff- und Phosphatverteilung oder der Belastung des Sickerwassers werden nun auch die Kontrollen genau dokumentiert. Die Leiterin der Kontrollabteilung, Birgit Blum, berichtete, es würden datengestützte Risikobewertungen vorgenommen und dabei all jene Fälle kontrolliert, bei denen allein aufgrund der Datengrundlage Unregelmäßigkeiten auffielen. Darüber hinaus gibt es Stichprobenkontrollen. Kontrollen gibt es zwar schon seit den 1990ern, doch in den vergangenen Jahren wurden diese deutlich intensiviert.
Bedarfsgerechter düngen. Der technische Fortschritt aber auch die erzieherische Wirkung der Düngeverordnung von 2017 haben in den vergangenen Jahren offenbar dazu geführt, dass die Landwirte den Dünger bedarfsgerechter aufbringen. Das bedeutet etwa, dass die Betriebsleiter bei ihrer Planung häufiger berücksichtigt haben, dass in trockenen Jahren sehr viel weniger Dünger benötigt wird, weil die Pflanzen die Nährstoffe gar nicht aufnehmen konnten. Zudem ist die Landwirtschaft Vorreiter in der Digitalisierung. Landmaschinen sind mittlerweile in der Lage, den Bedarf der Pflanzen viel genauer zu ermitteln und anschließend auch die Aufbringung entsprechend differenziert vorzunehmen. Mit dem neuen elektronischen Dokumentationsprogramm des Landes („Enni“) soll die individuelle Beratung der Betriebe noch verbessert werden.
Lesen Sie auch:
Aus für „niedersächsischen Weg“ beim Düngen? Klöckner äußert sich in Hannover vorsichtig
Tierhaltung reduzieren und Fütterung verändern. Nicht zuletzt hat auch der Abbau von Tierbeständen und die Schließung ganzer Betriebe zu einer Abnahme des Nährstoffanfalls gesorgt. Durch die Hofaufgabe hat es sich offenbar auch ergeben, dass Dünger-Überschüsse, die in den trockenen Jahren nicht auf den Feldern aufgebracht werden konnten, in leerstehenden Lagerstätten benachbarter Betriebe untergebracht werden konnten. Früher, so muss man unterstellen, hätte ein Landwirt solche Überschüsse vermutlich einfach auf dem Feld zu „entsorgen“ versucht. Zudem haben die Tierhaltungsbetriebe vielfach die Fütterung ihrer Tiere umgestellt. Wenn weniger nährstoffreiche Nahrung reinkommt, kommt auch weniger nährstoffreicher Mist raus. Das gleiche Prinzip gilt auch bei den Biogasanlagen: Dort stellen auch viele Betreiber auf weniger nährstoffreiche Pflanzen oder zum Beispiel Geflügelmist um.