Der anvisierte Ausbau der erneuerbaren Energien erhöht den ohnehin schon immensen Flächendruck in Niedersachsen noch einmal mehr. In der Landwirtschaft wächst die Sorge vor einer „Goldgräberstimmung“, weil immer mehr Investoren Ackerflächen aufkaufen wollen, um dort die derzeit lukrativen Solaranlagen zu errichten. Damit der Zubau von Photovoltaikanlagen nun aber nicht zulasten der fruchtbaren Agrarflächen umgesetzt wird, will Niedersachsens Agrarministerin Miriam Staudte (Grüne) diesen auf die weniger geeigneten Flächen umlenken.

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Grundsätzlich gilt beim Ausbau der Solaranlagen in Niedersachsen der Leitsatz: erst aufs Dach, dann auf die Freifläche. Das Potenzial für Photovoltaik auf versiegelten Flächen schätzt das Land auf rechnerisch 90 Gigawatt installierte Leistung, realistisch seien allerdings aufgrund von Denkmalschutz, Schattenwurf und Lage aber nur 50 Gigawatt, heißt es in der Landesregierung. Da sich Rot-Grün das Ziel gesetzt hat, in den kommenden Jahren bis 2033 die Stromerzeugung durch Solarpanels auf 65 Gigawatt installierte Leistung zu erhöhen, bleiben also noch 15 Gigawatt, die auf Freiflächen zugebaut werden müssen.

Betrachtet man die gesamte Landesfläche, wäre Freiflächen-PV auf 73 Prozent der Fläche möglich, umgekehrt also auf 27 Prozent nicht. Die Vorgabe des Landes ist es nun, auf lediglich 0,5 Prozent der Landesfläche Freiflächen-PV zu errichten, um die gewünschte Leistung zu erreichen. Wo genau diese Flächen sein sollen, und vor allem: wo nicht, soll nun geregelt werden.

Drei Karten geben einen Überblick

Derzeit gilt aufgrund von Bundesrecht eine Teilprivilegierung von Flächen, die in einem Abstand von 200 Metern entlang von Autobahnen oder Schienenstrecken des übergeordneten Netzes liegen. Dort werden Solaranlagen bereits jetzt bevorzugt aufgestellt. Für eine landeseigene Regelung wäre es nun der Normalfall, Ausschluss oder Bevorzugung von Flächen über die Raumordnung zu definieren.

Um nun aber schneller zu Ergebnissen zu kommen und frühzeitig lenkend eingreifen zu können, hat sich die Regierungskoalition darauf verständigt, entsprechende Regelungen über die Novellierung des Klimagesetzes festzusetzen, das in der zweiten Jahreshälfte als Fraktionsgesetz im Parlament verhandelt und beschlossen werden soll.

Entscheidender Faktor soll dabei die Qualität des Bodens sein, denn: Niedersachsen habe zugleich die besten und die schlechtesten Böden, sagt Ministerin Staudte. Die Koalition möchte im Klimagesetz eine Soll-Regelung für Kommunen, die schließlich für die Bebauungspläne zuständig sind, festlegen. Demnach sollen herkömmliche Freiflächen-Photovoltaikanlagen nur auf Böden errichtet werden, die eine Bodenwertzahl von 50 oder geringer haben (Grafik 1).

Bevorzugt werden sollen zudem besonders trockene Böden, die nur noch durch starke Beregnung ausreichend Ertrag bringen (Grafik 2), sowie die besonders kohlenstoffreichen Moorböden, die künftig zum Klimaschutz als Kohlenstoffsenke genutzt und dafür wiedervernässt werden sollen (Grafik 3). Auch von Erosion bedrohte Flächen sollen vorrangig genutzt werden, da die Anlagen für eine Stabilisierung sorgen könnten, sowie Flächen, die mit Schadstoffen belastet sind. All diese Flächentypen verlieren ihre Attraktivität für die landwirtschaftliche Nutzung und könnten durch Photovoltaikanlagen eine interessante Aufwertung erfahren.

Staudte wirbt für Synergieeffekte bei Agri-PV

Eine besondere Form der Freiflächen-PV bilden zudem die sogenannten Agri-PV-Anlagen, die sich dadurch auszeichnen, das mit oder unter ihnen noch eine landwirtschaftliche Nutzung der Flächen möglich bleibt. Vorgeschrieben ist dabei, dass höchstens 15 Prozent der jeweiligen landwirtschaftlichen Nutzfläche durch die Anlage beeinträchtigt werden dürfen. Für diese Anlagen gilt, dass sie gemäß den Vorgaben des Klimagesetzes auch auf Agrarflächen mit einer Bodenwertzahl von mehr als 50 errichtet werden dürfen.


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Staudte betont die Synergieeffekte, die diese Agri-PV-Anlagen haben könnten, etwa indem sie Hühnern Schutz und Obstbäumen Schatten spenden können. In der Landwirtschaft blickt man derzeit allerdings noch mit Skepsis auf diese kombinierte Nutzung. Selten ist die Fläche dann noch mit Maschinen befahrbar, außerdem befürchtet man Ertragseinbußen durch die Solaranlagen, die nicht durch den Zugewinn aus dem Stromverkauf ausgeglichen werden könnten. Eine Möglichkeit, den Bau von Agri-PV attraktiver zu gestalten, sieht Staudte darin, die Anlagen stärker zu fördern oder die regionale Vermarktung auszubauen – dazu sind derzeit allerdings noch keine weiteren Schritte geplant.