4. Sept. 2019 · 
Landwirtschaft

Agrarexperten mahnen: Der Klimawandel zwingt zu einer besseren Bodenqualität

In der Landwirtschaft muss mehr für den Humusaufbau, also die Vermehrung von organischer Substanz im Boden getan werden. Dazu rieten verschiedene Experten in einer Anhörung in der gestrigen Sitzung des Landtags-Landwirtschaftsausschusses. Die Grünen forderten in einem Antrag die Neuausrichtung der Landwirtschaft, und so wollte sich der Ausschuss darüber informieren lassen, welche konkreten Maßnahmen von den Fachleuten empfohlen werden. Weitgehende Einigkeit herrschte unter den Experten, dass die Humusschicht in den Böden anzureichern ist, damit die Böden wieder mehr Kohlenstoff aber auch mehr Wasser speichern können. https://twitter.com/MiriamStaudte/status/1169152545333424130 Prof. Katharina Helming vom Leibniz-Institut für Agrarlandschaftsforschung aus Brandenburg zeigte etwa auf, dass Grünlandböden, also Weiden und Wiesen, mit ihrer ausgeprägteren Humusschicht mehr Poren haben und diese sehr viel gleichmäßiger verteilt sind als in Ackerböden. Solche Bodenstrukturen hielten mehr Wasser und seien deshalb für Wurzeln viel attraktiver. Außerdem bestehe dabei ein geringeres Risiko, dass Nährstoffe einfach ausgespült werden. Diese würden dann im Boden fehlen und die Gewässer zu stark anreichern. Die Expertin empfiehlt deshalb eine bodenfördernde Bewirtschaftung, etwa durch mehrere Fruchtfolgen. Dadurch würde der Boden das gesamte Jahr genutzt und deshalb besser von den unterschiedlichen Wurzeln aufgelockert. Auch die Landwirtschaftskammer Niedersachsen rät den Landespolitikern, den Humusaufbau zu fördern, etwa durch Agrarumweltmaßnahmen. Allerdings schränkt der Klimabeauftragte der Landwirtschaftskammer, Ansgar Lasar, auch ein: Es könne schon mal eine Generation vergehen, bis der Humusaufbau auch wirke.

Grünland speichert viel Kohlenstoff

Eine weitere Strategie im Umgang mit veränderten klimatischen Bedingungen könnte es sein, mehr Grünlandflächen oder Moore anzulegen beziehungsweise diese wieder zu vernässen. Wie Arno Krause vom Grünlandzentrum Niedersachsen-Bremen erklärte, könne Grünland in etwa so viel klimaschädlichen Kohlenstoff speichern wie Waldboden, nämlich zwischen 80 und 90 Tonnen pro Hektar. In Ackerland würden hingegen nur rund 60 Tonnen Kohlenstoff gespeichert. Versuchsfelder in der Wesermarsch hätten sogar gezeigt, dass dort wegen der besonders guten Bedingungen 110 bis 120 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar Grünland gespeichert werden können. Es komme auch darauf an, wie viel Dünger eingesetzt wird und wie viel Pflanzenmasse entsteht, sagte Krause: Je mehr Pflanzenmasse gebildet wird, desto mehr Kohlenstoff wird gebunden. Seit den Neunzigerjahren habe man in Niedersachsen aber immer mehr Grünlandflächen zurückgebaut, vor allem für den Anbau von Silomais, wie Krause berichtet. Von 1990 bis 2003 wurden so mehr als 120.000 Hektar Grünland, bis 2018 dann noch einmal fast 60.000 Hektar umgebaut. Durch die Veränderung der Bodenstruktur wurden so bis zu 12 Millionen Tonnen klimaschädliches CO2 freigesetzt, die so in die Atmosphäre gelangten. Neu angelegtes Grünland könne nun wieder Kohlenstoff binden, das dauere aber sehr viel länger als zuvor die Freisetzung. 15 bis 20 Jahre bräuchte es, bis der Boden gesättigt ist.
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Der Ausbau der Grünlandflächen oder die Wiedervernässung von Mooren würde aber auch den Flächendruck weiter erhöhen und die Erträge für die Landwirtschaft schmälern. Krause vom Grünlandzentrum fordert deshalb von der Landespolitik ein neues Raumnutzungskonzept. Darin müsse man „mit den Akteuren vor Ort standortspezifische Maßnahmen finden“, sagte er. Man müsse genau schauen, welche Standorte optimiert werden sollen. Denn es sei nicht überall sinnvoll, Flächen wieder zu vernässen, nur weil da auf einer alten Karte einmal gestanden habe, dass dort früher ein Moor gewesen ist. Der Grünland-Experte schlägt bei dieser großen Veränderung, die einem Strukturbruch nahekomme, ein „evolutionäres Vorgehen“ vor. Es sollten einige Reallabore angelegt werden, auf denen man die veränderte Landnutzung erprobt. Diese sollten sich dann langsam auf Niedersachsen „ausrollen“. Dieses langsame Vorgehen sei in seinen Augen besser, da das Thema bei den betroffenen Landwirten große Emotionen hervorrufe. Man könne den Landwirten nicht nur wissenschaftliche Erkenntnisse präsentieren. Es müsse auch aufgezeigt werden, dass „ein Leben danach“ für sie auch möglich ist. Denn für Krause ist klar, dass womöglich auch Bereiche aus der landwirtschaftlichen Nutzung herausgenommen werden müssen. Dies solle dann aber sozialverträglich geschehen, sagte er. Wenn Landwirte ihre Flächen umbauen, damit sie Kohlenstoff speichern, müsse das auch finanziell honoriert werden.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #153.
Niklas Kleinwächter
AutorNiklas Kleinwächter

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