20. Sept. 2020 · 
Soziales

Ärger um die 116-117: Das sagt Callcenter-Betreiber Sanvartis

In der Diskussion um Probleme mit der Notfall-Rufnummer 116-117 in Niedersachsen geht jetzt die Callcenter-Firma Sanvartis auf die Vorwürfe von Bereitschaftsärzten ein. Mehrere Ärzte werfen dem von der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) beauftragten Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen vor, Mitarbeiter mit fehlenden Medizin- und Orts-Kenntnissen einzusetzen. Immer wieder werden zudem lange Wartezeiten für Anrufe kritisiert. https://www.youtube.com/watch?v=8ZEIGkZFhOA&t=2s Andreas Bleiziffer, medizinischer Direktor von Sanvartis, erklärte auf Nachfrage des Politikjournals Rundblick, die Kritikpunkte einzelner Bereitschaftsärzte seien bekannt und würden ernst genommen. Man stehe dazu täglich im Kontakt mit der KVN. „Von dort bekommen wir aber auch gespiegelt, dass es sich bei diesen kritischen Stimmen in Niedersachsen um Einzelfälle handelt und darüber hinaus weder von Ärzten noch von Patienten in relevantem Umfang Beschwerden vorliegen“, sagte Bleiziffer. Im Großen und Ganzen seien die niedergelassenen Ärzte offenbar weitgehend zufrieden mit dem Angebot. Man gehe daher davon aus, dass es sich um Anlaufschwierigkeiten handele. Wie bereits die KVN appelliert auch Sanvartis an die Bereitschaftsärzte , mögliche Fehler in Abläufen sauber zu dokumentieren, damit eine Prüfung im Anschluss möglich sei. Dabei schätze man auch sehr, wenn die Ärzte direkten Kontakt zum Unternehmen suchten. „Oft handelt sich aber eher um eine pauschale Unzufriedenheit als um konkrete, dokumentierte Probleme. Das macht es uns schwer, konstruktiv damit umzugehen und aus der Kritik zu lernen“, meint Bleiziffer.
Oft handelt sich aber eher um eine pauschale Unzufriedenheit als um konkrete, dokumentierte Probleme.
Zur Kritik an angeblich mangelnden Kenntnissen der Callcenter-Mitarbeiter erklärt Sanvartis, der Großteil der Beschäftigten verfüge über einen medizinischen Hintergrund, darunter seien zum Beispiel ausgebildete Pflegekräfte oder medizinische Fachangestellte. Diejenigen, die beim Erstkontakt am Telefon sitzen, hätten allerdings nicht durchgängig eine solche medizinische Ausbildung. Man brauche schlichtweg sehr viel Personal, um den Service rund um die Uhr anzubieten und die Wartezeiten so kurz wie möglich zu halten. Insgesamt hat Sanvartis in NRW nach eigenen Angaben 125 Mitarbeiter für 116-117-Anrufe aus Niedersachsen im Einsatz. „Sollte nach der Ersteinschätzung ein Hausbesuch durch den Bereitschaftsarzt notwendig sein, wird der Prozess im Folgenden von erfahrenen Disponenten gesteuert, die alle über einen medizinischen Background verfügen“, erläutert Bleiziffer.
Lesen Sie auch: Ärzte-Kritik an der 116-117 hält an
Im gesamten Verfahren sieht er die Software „SmED“, die von mehreren Kassenärztlichen Vereinigungen in Deutschland genutzt wird, dabei als große Hilfe an. Durch einen kurzen Fragenkatalog können die Mitarbeiter an der Hotline damit herausfinden, ob es sich um einen Notfall für den Krankenwagen oder den Bereitschaftsarzt handelt, oder ob auch ein Besuch beim Hausarzt zum nächstmöglichen Zeitpunkt ausreicht. „Ich persönlich schätze an ‚SmED‘, dass die Ersteinschätzung so strukturiert geschieht und am Ende eine klare Handlungsanweisung steht. So ist der gesamte Prozess viel weniger fehleranfällig und bietet Sicherheit für die Patienten“, meint Bleiziffer. Das System nehme zudem automatisch eine geografische Zuordnung der Bereitschaftsärzte vor, so dass keine besonderen Ortskenntnisse bei den Sanvartis-Mitarbeitern notwendig seien. Darüber hinaus gebe es ein „umfangreiches Schulungskompendium“, das vom medizinischen Leiter des Unternehmens entwickelt habe. „Sowohl intensivmedizinische als auch prozessuale Inhalte wurden dabei berücksichtigt.“ Mehrere Bereitschaftsärzte sehen den Systemwechsel, den es zum Jahreswechsel in Niedersachsen gegeben hat, kritisch und monieren „gravierenden  Verschlechterungen“. Zuvor war die 116-117 landesweit in kleinste Einheiten unterteilt, so landeten zum Beispiel Anrufer aus Hannover zumeist bei Rettungssanitätern oder Arzthelferinnen, die an die Taxizentrale 3811 gekoppelt waren. Die KVN hatte bundesweit als einzigen Kassenärztliche Vereinigung der Service europaweit ausgeschrieben, der Auftrag ging an das Unternehmen in Nordrhein-Westfalen.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe #165.
Martin Brüning
AutorMartin Brüning

Artikel teilen

Teilen via Facebook
Teilen via LinkedIn
Teilen via X
Teilen via E-Mail