Der Vorschlag, der seit wenigen Tagen auf dem Tisch liegt, wird von den Parteivertretern in Niedersachsen zunächst nur mit spitzen Fingern angefasst und mit leichter Skepsis bewertet. Landeswahlleiterin Ulrike Sachs hatte empfohlen, wegen der teilweise enormen Abweichungen der Größen vom Durchschnittswert einen Neuzuschnitt der 87 Landtagswahlkreise vorzunehmen. Sie empfahl, die beiden Wahlkreise im Heidekreis (Walsrode und Soltau) zu einem einzigen zusammenzuschließen.

Die Begründung dafür lautet, dass in beiden Wahlkreisen die Zahl der Wahlberechtigten deutlich sinkt – und zwar in Soltau in einem Ausmaß, das nah an das Maximus des Zulässigen (minus 25 Prozent) heranreicht. Auf der anderen Seite regt Sachs an, im Westen des Landes – einer Region mit besonders starkem Bevölkerungswachstum – den Wahlkreis Grafschaft Bentheim in zwei Teile zu zerlegen. Die Städte Nordhorn und Bad Bentheim und die Gemeinde Schüttorf solle man in einen eigenen Wahlkreis ausgliedern. Dies könnte sich dahingehend auswirken, dass die im alten Wahlkreis Grafschaft Bentheim spürbare CDU-Dominanz in dem neuen, ausgegliederten Wahlkreis Grafschaft Bentheim II nicht mehr so deutlich wäre.
Noch ist es zu früh für Stellungnahmen. Hinter vorgehaltener Hand allerdings äußern sich einige Abgeordnete schon. Für die von einem Neuzuschnitt betroffenen Mandatsträger sind derartige Absichten immer beunruhigend – denn meistens haben sie ein eingeübtes Netzwerk an Kontakten in alle Gemeinden, die zu ihren Wahlkreisen gehören. Das betrifft Bürgermeister, Vereine, aber auch staatliche Behörden und auch Wirtschaftsunternehmen. Ändert sich ein Wahlkreiszuschnitt, so sind die Abgeordneten in der Pflicht, ihr Netzwerk zu verändern. Sie verlieren womöglich langjährige Förderer. Zusätzlich schwierig wird diese Aufgabe dann, wenn mit dem Neuzuschnitt eines Wahlkreises noch die kommunalen Grenzen überschritten werden. Das droht etwa, sollten die beiden Wahlkreise Soltau und Walsrode vereinigt werden.

Bislang sind beide Wahlkreise so gut wie deckungsgleich mit den Kreisgrenzen des Heidekreises. Die Landeswahlleiterin hatte bereits mitgeteilt, dass im Fall der Fusion vermutlich die Städte Munster, Schneverdingen oder Bispingen an den benachbarten Wahlkreis Lüneburg-Land angegliedert werden müssten. Blieben sie im fusionierten Wahlkreis, so wäre dort die Zahl der Wahlberechtigten nämlich überproportional hoch. Nun war aber schon in der Vergangenheit mehrfach über den umgekehrten Fall spekuliert worden, dass nämlich die Gemeinde Amelinghausen aus dem Kreis Lüneburg zum Wahlkreis Soltau kommen könnte – da es bis 2022 nur einen Lüneburger Wahlkreis gab, der damals aus den Nähten zu platzen drohte.
Seinerzeit gab es heftige Proteste dagegen, denn die Amelinghausener befürchteten, von einem Soltauer Landtagsabgeordneten nicht mehr ausreichend vertreten zu werden. Mit den nun von Sachs vorgelegten Vorschlägen droht diese Diskussion jetzt in umgekehrter Richtung. Während die Landeswahlleiterin die Möglichkeit von landkreisüberschreitenden Wahlkreisgrenzen befürwortet, gibt es im Landtag eine starke Gruppe von Abgeordneten, die eben dies nicht will. Das war schon in der vergangenen Wahlperiode ein entscheidender Grund für den erst sehr späten Gesetzesbeschluss über eine Reform der Wahlkreisgrenzen. Seinerzeit wurde der Wahlkreis Seesen aufgelöst und in Lüneburg ein zweiter Wahlkreis geschaffen worden.
Das Problem der Überschreitung von Landkreisgrenzen würde sich auch im Fall des von Sachs vorgeschlagenen neuen Wahlkreises in der Grafschaft Bentheim ergeben. Würde der Kern des alten Wahlkreises Grafschaft Bentheim zu einem eigenen Wahlkreis herausgelöst werden, dann müsste der übrigbleibende Rest wieder mit Gemeinden aus dem benachbarten Emsland aufgefüllt werden – etwa die Stadt Haren (Ems) oder die Gemeinden Twist und Geeste. Das wiederum löst bei einigen Politikern in der Grafschaft Bentheim Stirnrunzeln aus. Sachs hat aber in ihrem Bericht deutlich gemacht, dass über kurz oder lang an der Schaffung eines neuen Wahlkreises im Bereich Emsland/Grafschaft Bentheim kein Weg vorbeiführt.
